Nach seinem großen Oscarerfolg mit „Im Westen nichts Neues“ standen die Türen für Edward Berger in Hollywood weit offen. Dabei freut es mich ungemein, dass er nun einen vollkommen anderen Weg einschlägt, im Grunde eine kleinere Geschichte erzählt, aber mit dem selben Gewicht und der selben optischen Opulenz. Mit „Konklave“ adaptiert er den gleichnamigen Roman Robert Harris.
Der Papst ist Tod. Um den Nachfolger zu wählen organisiert Kardinal Lawrence das Konklave. Dort versammeln sich die mächtigsten Kardinäle der Welt und wollen das Amt des Oberhauptes der katholischen Kirche für sich beanspruchen. Doch in all dem haben die einzelnen Männer eine ganze Menge an Leichen im Keller.
Das Thema könnte zunächst etwas tröge wirken, vor allem wenn man selbst wenig mit der Kirche zu tun hat. Doch Berger schafft es aus dem Stoff einen spannenden Politthriller zu machen, der von Beginn an fesselt und bis zum Ende diese Spannung erhält.
„Konklave“ erinnert dabei stark an ein Kammerspiel und ist auch als solches aufgebaut. Figuren stehen häufig in Ecken, tauschen Geheimnisse über Andere aus, leisten Detektivarbeit und versuchen ihre eigenen Standpunkte durchzubringen. Berger schafft es dabei aber unglaublich schöne Bilder zu kreieren, die so oft einen starken Kontrast beinhalten, der sich in Details findet oder auch in den Standpunkten der Figuren. So finden sich in den altmodischen, wenn auch wunderschönen Bauten des Vatikans, die wirken wie aus einer anderen Zeit, Bilder von modernen Kaffeemaschinen, Kardinälen die rauchend im Hof stehen auf Smartphones tippen etc., was eine durchaus komische und surreale Note in die Institution bringt, die leider häufig noch einen gesellschaftlichen Fortschritt verhindert. So musste ich auch immer wieder feststellen, dass die Rieten und Traditionen durchaus spannend sind und faszinierend, aber wirken wie aus einer Subgesellschaft oder einem ausgedachten Kult eines Films.
Berger besticht genau in diesem Punkt. Er deformiert nicht den Glauben, aber die Kirche und ihre Macht. Die meisten Kardinäle sind einzig auf diese aus und würden innerhalb kürzester Zeit sehr viel gesellschaftliche Macht erhalten und damit auch zugleich eine Gefahr für eine Vielzahl Menschen, die nicht den Bildern der altmodischen, katholischen Kirche entsprechen. Themen wie der sexuelle Missbrauch wird immer wieder mal angerissen, aber vor allem sieht man am Beispiel der Schwester Agnes, die hervorragend gespielt wird von der italienischen Größe Isabella Rossellini, welches Bild der Frau die Kirche auch im Jahr 2024 noch hat. Diese dürfen Kochen und die alten Männer bedienen, ansonsten aber still und leise in der Ecke stehen. Auch eine Intoleranz und Homophobie der Kirche wird immer wieder beleuchtet und zu wiederkehrenden Themen im Film. Diese Standpunkte werden besonders durch den sehr konservativen Italiener Tedesco und der sehr liberalen Bellini deutlich.
Berger kritisiert durchgehend die Stellung der Kirche und ihren Machteinfluss. Wie gefährlich diese sein kann und dass sich Milliarden Menschen dem Willen eines Mannes unterwerfen können, dessen Interesse nicht vordergründig der Glaube ist, sondern seine eigenen Stellung und Macht.
All dies würde mit den einzelnen Figuren stehen und Fallen. Mit Ralph Fiennes, der eine Oscarnominierung sicher hat, haben wir Kardinal Lawrence als Ankerpunkt, dem wir gerne Folgen und eine spannende und ambivalente Figur ist, die in tiefer Krise steht. Im Gegenüber Stanley Tucci als Bellini. Auch er spielt den liberalen Kardinal großartig und steht für eine Kirche der Toleranz, wodurch aber noch ein anderer Punkt im Film deutlich wird. Bellini hat ebenfalls eine Krise, diese richtet sich aber in sein Vertrauen in die Kirche. Hier finde ich es super, dass Berger nicht den Glaube an Gott kritisiert, sondern die Institution dahinter, die häufig in seinem Namen grausige Dinge tut. Man kann guten Gewissens an Gott glauben, ohne Fan der Kirche zu sein.
Auch John Lithgow als Widersacher ist ebenso gut besetzt wie die italienische Größe Sergio Castellito, der auch mal wieder den Weg nach Amerika gefunden hat und als extrem konservativer Kardinal eine immense Abneigung auslöst. Isabella Rossellini wurde bereits erwähnt.
Gerade gegen Ende kommen dann noch sehr starke Gespräche und Themen auf. Besonders kurz vorm letzten Konklave findet sich ein sehr starkes Statement eines Kardinals auf einen anderen Kardinal, welches die aktuelle Sicht der Welt gut widerspiegelt und dann auch in ein kontroverses, aber durchaus starkes, wie auch sinnbildlich starkes Finale führt, dass ich genial finde.
Es ist großartig mit anzusehen, dass Berger seinen Trumpf fortführt und einen weiteren Hit abliefert, mit großartigen Bildern, einem fantastischen Score, herausragenden Darstellern, viel Kritik und einen bärenstarken Ende, dass das Bild der Kirche schon konstruiert, aber nie den Glauben selbst angreift.