Pinguin Paul ist der Knaller, sein Film eher nicht
Von Gaby SikorskiAls Schauspieler*in sollte man sich besser zwei Mal überlegen, gemeinsam mit einem Tier (erst recht einem niedlichen) aufzutreten. Warum? Tiere spielen oft jeden Schauspielprofi an die Wand –sie sind per se sympathisch und verfügen oft über eine natürliche Präsenz, die sich die meisten menschlichen Darsteller*innen erst hart erkämpfen müssen. Von daher überrascht es kaum, dass der absolute Star von „Die Chaosschwestern und Pinguin Paul“ der titelgebende Pinguin ist. Oder genauer gesagt: Humboldt-Pinguin. Paul ist so putzig und drollig, so unwiderstehlich liebenswert, dass es ihm sogar gelingt, die schablonenhafte Komödie mit ihren zahllosen vorhersehbaren und manchmal sogar peinlichen Gags zumindest ein Stück weit zu retten.
Die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt: Die vier zerstrittene Schwestern aus dem Titel, Livi (Lilit Serger), Tessa (Momo Beier), Malea (Cara Vondey) und Kenny (Rona Regjepi) stoßen auf Pinguin Paul, den sie vor dem kriminellen Magier-Pärchen Mary (Janine Kunze) und Marc (Max Giermann) retten wollen. Dabei liegt der Fokus des allzu leichtgewichtigen Drehbuchs ganz auf der Rettung des süßen, kleinen Pinguins – und natürlich geht es nebenbei auch darum, dass die vier Schwestern lernen, doch noch miteinander zurechtzukommen.
Nach einem schwungvollen Auftakt, der mit seinen Ansätzen einer liebevollen Charakterisierung der Mädchen noch Grund zur Hoffnung gibt, verflacht die Geschichte zusehends. Sicherlich ist es ein wirklich hübscher Einfall, dass die jüngste Schwester Kenny ein eingebildetes Haustier in Gestalt des Silberfischchens Sashimi hat. Aber das ist auch schon fast die einzige originelle Idee. Die jungen Darstellerinnen erhalten kaum eine Chance, sich zu profilieren – und das liegt nicht nur an der übermächtigen Konkurrenz durch den niedlichen Hauptdarsteller, sondern auch an der in die Länge gezogenen Story, die sich immer stärker in Richtung Action-Komödie entwickelt. Das ist ja prinzipiell nicht schlecht – zumal die Kombination aus realen und animierten Elementen in den Action-Szenen teilweise echt gut gelungen ist.
Aber damit eine Action-Komödien auch auf Dauer Laune macht, braucht es eben doch mehr als ein paar abgenutzte Witzchen, sondern ein gut durchdachtes, fintenreiches Skript mit Situationskomik, die sich u. a. aus dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Charaktere und ihrer Herausforderungen entwickelt. Stattdessen steckt „Die Chaosschwestern und Pinguin Paul“ aber voller Ungereimtheiten: Aus welchem Grund müssen die Kinder auf dem Weg zum Zoo übernachten? Warum nutzen sie nicht einfach öffentliche Verkehrsmittel? Der Verdacht liegt nahe, dass hier noch ein weiteres Versatzstück untergebracht werden sollte, das offenbar in jeden deutschen Kinderfilm gehört: die Übernachtung im Freien als ultimatives Abenteuer für verwöhnte Großstadtgören.
Weshalb Regisseur Mike Marzuk und sein Co-Drehbuchautor Korbinian Wandinger die relativ komplexen Bücher auf die Pinguingeschichte reduziert haben, bleibt unklar. Denn trotz Pauls überwältigenden Charmes muss leider gesagt werden: Dieser allein reicht für eineinhalb Stunden nicht! Irgendwann hat sich auch der niedlichste Watschelgang totgelaufen, und der Showdown zieht sich wie ein alter Kaugummi, denn er dauert beinahe ein Drittel des Films. Offenbar sollte das junge Kinopublikum nicht überfordert werden – aber so wird es nun unterfordert: In der Chaosschwestern-Buchserie erzählt die Autorin Dagmar H. Müller in mehreren parallelen Handlungssträngen zu jedem Mädchen eine eigene, sich gegenseitig ergänzende Geschichte.
Marzuk und Wandinger setzen hingegen auf eine (allzu) geradlinige Handlung und bieten dazu altbewährte Klischees mit etwas aufgesetzt wirkender modischer Pädagogik: Mädchenpower! Tierschutz! Das Ganze wird – ähnlich einem sehr süßlichen Cocktail – mit einer dubiosen 50er-Jahre-Komik aufgepimpt, die eher in einen Peter-Alexander-Film als in eine moderne Familienkomödie passt und lediglich alte Rollenklischees durch neue ersetzt. So werden hier Männer durchgängig als unfähige Volltrottel dargestellt. Da feiert dann sogar der Unterhosengag wieder ein unverhofftes Revival: Es scheint offenbar zeitlos komisch zu sein, wenn einem Mann die Beinkleider heruntergezogen werden und darunter ein lustiges Unterhosenmuster zum Vorschein kommt.
Der eigentlich begnadete Komiker Max Giermann, der kürzlich bereits in „Die unlangweiligste Schule der Welt“ die undankbarste Rolle der Welt übernehmen musste, grimassiert unter seiner grotesken Perücke erneut, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Und dann lispelt er auch noch … Ein bisschen Schmierlappigkeit hätte genügt, aber so liefert Giermann eine Karikatur, die weder komisch noch bedrohlich ist. Janine Kunze als seine Partnerin ist da einen Hauch überzeugender, weil zurückhaltender.
Überhaupt wirkt Vieles wie ein abgespultes Routineprogramm - so nach dem Motto: „Hauptsache, es passiert was – und den Kindern wird’s schon irgendwie gefallen.“ Mehr Sensibilität und Liebe für die Figuren und die Stringenz der Handlung sowie eine ordentliche Portion Vertrauen in die Intelligenz des jungen Publikums hätten dem Film sicher gutgetan. Ganz nach dem Zitat, das Maxim Gorki zugesprochen wird: „Für Kinder muss man schreiben wie für Erwachsene, nur besser.“
Fazit: Klamottiger Kinderfilm mit einer eindimensionalen, pädagogisch bemühten Action-Story – aber zumindest der tierische Hauptdarsteller ist wirklich absolut unwiderstehlich!