Einfach gut
Von Christoph PetersenEin neuer Eberhofer-Krimi ist wie ein Essen bei der Oma. Man weiß genau, was man kriegt – und das ist so verlässlich gut, dass man auch gar nichts anderes will. Nach nunmehr neun Verfilmungen der Romane von Rita Falk haben sich Cast, Crew und Publikum längst so perfekt aufeinander eingestellt, dass es wohl keinen risikofreieren gelungenen Kinoabend gibt als eine Rückkehr ins fiktive bayerische Niederkaltenkirchen mit seiner skurrilen Schar an Bewohner*innen und seinen sogar noch abgefahreneren Mordfällen. Wobei: In „Rehragout-Rendezvous“ ist nun genau dieses Essen bei Oma in Gefahr – denn das bislang allein für den Eberhofer-Haushalt zuständige Familienoberhaupt hat mit nunmehr 86 Jahren am Heiligen Abend entschieden, dass sie keine Lust mehr auf Kochen, Putzen und Wäschewaschen hat.
Wer die Familie Eberhofer in den vergangenen zehn Jahren seit „Dampfnudelblues“ kennengelernt hat, der weiß natürlich, dass das nur Chaos pur bedeuten kann – und tatsächlich steht der Weihnachtsbaum auch neun Monate später noch in der Küche herum, während die Mäuse buchstäblich auf den Tischen tanzen. „Rehragout-Rendezvous“ ist noch mehr als viele der Vorgänger in erster Linie eine Provinz-Sketchshow, bei der der Kriminalfall nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Ist ja aber auch kein Wunder, schließlich hat sich im Laufe der Jahre eine so große Menge liebgewonnener Nebenfiguren angesammelt, dass diese eben auch alle ihre fünf Minuten auf der Leinwand haben wollen. Aber selbst das ändert nichts daran, dass die von Stamm-Regisseur Ed Herzog inszenierten 97 Minuten einmal mehr zu den kurzweiligsten und liebenswürdigsten des Kinojahres zählen.
Während Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel) im Wald nach seiner ursprünglichen Männlichkeit sucht …
Seit Oma Eberhofer (Enzi Fuchs) in die Hippie-Senioren-WG von der Mooshammer Liesl (Eva Mattes) gezogen ist (Motto: „Feministinnen aller Dörfer vereinigt euch“), verkommt der Eberhofer-Hof immer mehr zu einem einzigen Saustall – und etwas Gescheites zu essen gibt es außer Leberkäsesemmeln ebenfalls nicht mehr. Aber wer hat schon Zeit für den Haushalt, wenn wichtige berufliche Herausforderungen anstehen: Während die von ihrem nach einem Skiunfall ans Krankenbett gefesselten Chef zur Stellvertretenden Bürgermeisterin ernannte Susi (Lisa Maria Potthoff) ihre innere Boss-Barbie raushängen lässt und das gesamte Stadtmarketing von Niederkaltenkirchen neu denkt …
… ermittelt Franz (Sebastian Bezzel) gemeinsam mit seinem besten Freund Rudi (Simon Schwarz) in einem Vermisstenfall, aus dem spätestens dann ein Mordfall wird, als eine Krähe mit einem abgerissenen menschlichen Ohr im Schnabel gegen die Windschutzscheibe des Polizeiwagens knallt. Nebenbei hat Franz allerdings auch noch mit einem sehr persönlichen (und dennoch schnell im gesamten Dorf diskutierten) Problem zu ringen: Seit seine Susi offiziell seine Vorgesetzte ist (und das auch ziemlich aufgeilend findet), hat Franz plötzlich ein Problem mit seiner sonst so zuverlässigen Potenz…
Natürlich lieber so als andersrum – und trotzdem bleibt es ein Dilemma: Im Laufe der vergangenen Dekade, in denen die Eberhofer-Krimis erst in Bayern und schließlich im ganzen Bundesgebiet immer gewaltigere Wellen an den Kinokassen geschlagen haben, sind immer mehr beliebte Figuren zum Franchise hinzugekommen – und da es ja immer direkt ein ganzes Jahr bis zum nächsten Film dauert, will man auch keine davon missen! Und so macht die ausgezogene Oma nun auch noch ihren Führerschein, während sich Papa Eberhofer (Eisi Gulp) mit einem Fachgeschäft für Tierfutter anlegt, Bruder Leopold (Gerhard Wittmann) den Kochaufstand probt, Klempner Flötzinger (Daniel Christensen) seine Sexsucht-Therapie ausgerechnet im Swingerclub erfolgreich (?!) abschließt und Metzgermeister Simmerl (Stephan Zinner) zum testosterongetriebenen Abenteuerwochenende im Wald einlädt, damit Franz seine ursprünglichen männlichen Instinkte wiederentdecken kann…
Zu Beginn der Reihe hätten es noch zwei oder drei dieser komödiantischen Nebenstränge getan, um die zentralen Mordermittlungen aufzulockern – aber inzwischen ist es eben genau andersherum und für den Kriminalfall bleiben nur noch hier und dort mal ein paar Szenen übrig, während hauptsächlich die persönlichen Befindlichkeiten der Bewohner*innen von Niederkaltenkirchen abgefrühstückt werden. Aber warum auch nicht? Nach den extrem kurzweiligen eineinhalb Stunden von „Rehragout-Rendezvous“ hat man jedenfalls lange noch nicht genug von diesem Dauerfeuer der skurrilen Provinz-Pointen – und diesmal kann man sich noch nicht mal damit trösten, dass der Starttermin des nächsten Films ja ohnehin schon feststeht. Zum ersten Mal seit Jahren steht aktuell nämlich noch nicht fest, wie und wann es mit der Reihe genau weitergehen soll.
… stellt seine Frau Susi (Lisa Maria Potthoff) als neue Stellvertretende Bürgermeisterin ganz Niederkaltenkirchen auf dem Kopf.
Ja, es gibt auch Running Gags, die nicht ganz so gut funktionieren – und einer davon bekommt in „Rehragout-Rendezvous“ sogar einen besonders prominenten Platz: Nachdem die vorherige Beziehung von Privatdetektiv Rudi in die Brüche gegangen ist, hat er stattdessen nun eine Handy-App als „Freundin“ – wobei er den Avatar einer asiatisch gelesenen Frau mindestens fünf Minuten am Tag streicheln muss, um nicht Echtgeld-Token für einen digitalen Arztbesuch seiner Geliebten ausgeben zu müssen. Dass ist nur so weit weg von der Realität solcher Apps, dass man es wohl nur als Nicht-Handynutzer*in als treffende Karikatur empfinden kann – für alle anderen ist das schon ein bisschen cringe.
Aber wie gesagt: „Rehragout-Rendezvous“ ist dermaßen vollgestopft mit komödiantischen Szenen, dass ein misslungener Joke nun wirklich nicht den Unterschied ausmacht. Zumal am Ende ja auch noch eine massive Statue der Seele von Niederkaltenkirchen in der Mitte des längst legendären Franz-Eberhofer-Kreisels enthüllt wird – und wenn sich der ostbayerische Landkreis Dingolfing-Landau, wo sich der Kreisverkehr im wahren Leben befindet, diese Statue nicht auch dorthin stellt, dann haben die dortigen Verwaltungsverantwortlichen tatsächlich keine Ahnung von Stadtmarketing!
Fazit: So langsam lässt sich die Eberhofer-Reihe am besten mit dem Duracell-Hasen vergleichen – sie läuft einfach immer weiter und weiter, ohne je spürbar an Energie einzubüßen. Und wenn’s nach uns ginge, dürfte das gerne auch noch eine ganze Zeit lang so weiter gehen…