Mein Konto
    Joy Ride - The Trip
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Joy Ride - The Trip

    Anschnallen! Spaß haben!

    Von Kamil Moll

    Wenn man wie Audrey (Ashley Park) die einzige Asiatische Amerikanerin in einer höheren Position in einer Anwaltskanzlei ist, zeugt es nicht unbedingt von Verständnis, wenn der Chef zu deinem Geburtstag eine Büroparty schmeißt, zu der alle in Kostümen aus dem Disney-Film „Mulan“ kommen müssen. Von solchen Missverständnissen, die sich daraus ergeben, dass einen andere als fremd im eigenen Land empfinden, erzählt Regisseurin Adele Lim in ihrer hochtourigen Komödie „Joy Ride – The Trip“. Und auch davon, dass diese Merkwürdigkeiten nicht unbedingt weniger werden, wenn man ins Herkunftsland seiner Familie reist.

    Als Kind wurde Audrey von weißen amerikanischen Eltern adoptiert. Jahrzehnte später ist Lolo (Sherry Cola), das einstmals einzige andere asiatisch-stämmige Mädchen in ihrer Nachbarschaft, immer noch ihre beste Freundin. Dabei haben sich die beiden zumindest beruflich in komplett gegenseitige Richtungen entwickelt: Während Audrey an ihrer juristischen Karriere arbeitet, schlägt sich Lolo als Künstlerin von sexpositiven Kunstwerke wie „Lutschekatzen“ irgendwie so durch. Begleitet von Lolos introvertierter Cousine Deadeye (großartiges Schauspieldebüt: Sabrina Wu) reisen die Freundinnen nach China, um dort einen Geschäftsdeal klarzumachen, der Audrey eine Führungsstelle in ihrer Kanzlei einbringen soll.

    Doch die Tour entwickelt sich komödiengerecht nicht so wie geplant: Durch Kat (Stephanie Hsu), ihre ehemalige Mitbewohnerin im College-Wohnheim, die mittlerweile zum Star von chinesischen Martial-Arts-Romanzen wie „Die Tochter des Kaisers“ avanciert ist, erfährt Audrey, dass ihre wahren Eltern möglicherweise nicht aus China, sondern aus Korea stammen. Aus der Arbeitsreise wird so ein klassischer Komödien-Road-Trip, den die vier Frauen als K-Pop-Band verkleidet in Richtung Seoul antreten…

    Der ursprünglich nur als typische Geschäftsreise geplante Trip läuft für die vier Freundinnen schnell aus dem Ruder…

    Bekannt wurde Regisseur Adele Lim durch das von ihr mitverfasste Drehbuch zu „Crazy Rich“, der 2017 nicht nur die erste größere Hollywood-Produktion mit überwiegend asiatisch-amerikanischen Hauptdarsteller*innen seit fast 25 Jahren war, sondern mit einem Einspielergebnis von 238,5 Millionen Dollar zudem zur erfolgreichsten romantischen Komödie der Zehnerjahre avancierte. Auch in ihrem Regiedebüt geht es um den Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen, jedoch in einem ungleich derberen Ton, da es sich bei „Joy Ride“ um einen Film handelt, der seine US-Erwachsenenfreigabe genussvoll auskostet. Sichtlich geprägt ist dieses Projekt dabei auch von den beiden Produzenten Seth Rogen und Evan Goldberg, die seit ihrem Drehbuch für die meisterliche Teenager-Sauerei „Superbad“ bis heute maßgeblich Komödien deftigeren Zuschnitts prägen.

    Bisweilen wirkt dieser Culture-Clash gerade in China auch etwas arg herbeigeschrieben und erzwungen, wenn die Freundinnen beispielsweise auf einer Firmenfeier im Club mit vermeintlichen Traditionen wie dem Trinken von Shots, in denen Tausendjährige Eier schwimmen, oder dem gegenseitigen Verteilen von Party-Watschen konfrontiert werden – da nähert sich der Film gelegentlich auch einer Form chauvinistisch-exotisierender Gags, die er eigentlich explizit vermeiden möchte. Obwohl „Joy Ride“ dabei nicht immer die Balance zwischen seinen mitunter in virtuosem Tempo abgefeuerten Komödienimpulsen und einer eher taktischeren, ernsthaften Beschäftigung mit Repräsentation und Identität gelingt, präsentiert sich der Film dennoch in erster Linie als eine explizite Genre-Arbeit, die in der Nachfolge von „Hangover“ oder „Girls Trip“ auch den Dreh zur unumwundenen Sexkomödie nicht scheut, wie man sie im Kino der letzten Jahre kaum noch zu sehen und hören bekam.

    Gan bei!

    Insbesondere Running Gags über Audreys mangelnde Selbstidentifikation als asiatisch-stämmige Amerikanerin, deren Musikgeschmack (The National! Taylor Swift! Maroon 5!) kaum noch weißer sein könnte, zeigen, was für einen wirklich inspirierten Humor „Joy Ride“ aus seiner Prämisse herausholen kann. Zwar habe sie noch nie asiatische Männer gedatet, sagt Audrey in einer Szene, dafür aber öfter auf Splinter, den Kampfkunst-Lehrmeister der Teenage Mutant Ninja Turtles, masturbiert. Der sei aber, belehrt Lolo sie, lediglich eine überdimensionierte sprechende Ratte.

    Ist vielleicht gerade die Zeit gekommen für eine neue Renaissance derberer US-Komödien mit R-Rating? Diese einstmals so kommerziell wie kreative blühende Comedy-Spielart war jahrzehntelang ein fester Bestandteil des Hollywood-Mainstreams, verschwand aber innerhalb des letzten Jahrzehnts unmerklich aus dem Kino und wanderte weitestgehend ins Angebot von Streaming-Portalen ab. Nun ist „Joy Ride“ nach der Jennifer-Lawrence-RomCom „No Hard Feelings“ innerhalb kurzer Zeit bereits die zweite größere Komödie rüderen Zuschnitts, die sich als Sommerblockbuster versucht. Für die Zukunft des Kinos bleibt zu hoffen, dass alsbald viele weitere nachfolgen werden. Um mal die Popband Roxette zu zitieren: „Come on, join the joy ride.

    Fazit: Mit „Joy Ride – The Trip“ gelingt Adele Lim eine Komödie, die zwar nicht immer die Balance zwischen derberen Impulsen und einer ernsthaften Beschäftigung mit asiatisch amerikanischer Identität halten kann, letztlich aber einen derart inspirierten Humor aus ihrer Prämisse herausholt, wie man es in letzter Zeit kaum noch in Komödien zu sehen bekam.

     

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top