KÜSSE VOR DEM SHOOTOUT
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Fußballprofis können auch anders: Sie müssen nicht unbedingt im Selbstmitleid versinken wie der zum Ersatzspieler degradierte Ronaldo oder der fesche Neymar, der gerne eine Schwalbe wäre. Sie müssen auch nicht klein beigeben und während der Weltmeisterschaft in Katar die Regenbogenbinde ablegen. Fußballprofis können auch einfach Filme machen – um auszudrücken, was die Regenbogenbinde nicht durfte. Um auszudrücken, dass männliche und weibliche Stereotypen in einer liberalen Welt nichts zu suchen haben. Einer dieser Fußballer ist Hannes Þór Halldórsson, Torhüter der isländischen Nationalmannschaft. Tja, wer hätte das gedacht: Ein Spitzensportler, der Filme macht – dass bei all dem Training immer noch Zeit bleibt für Drehbuch und Regie, ist womöglich ein klarer Fall von effizientem Zeitmanagement.
Halldórsson hat sich mit Cop Secret dem gerne maskulinen Genre des Action- und Copthrillers angenommen. Eigentlich ganz klassisch und fast so, wie man es von einem Guy Ritchie erwarten würde, der so harte Kerle wie Jason Statham für Radau in der Unterwelt sorgen lässt. In Reykjavik ist es aber nicht Statham, sondern einer, der ihm nicht nur ähnlich sieht, sondern genauso lakonisch und kaltschnäuzig seine Arbeit verrichtet wie dieser: Auðunn Blöndal, im Film als Bússi die härteste Socke unter der Polarsonne, und es wäre fast schon gemeingefährlich, diesem Rauhbein einen Partner zuzuteilen. Doch genau das passiert, in Gestalt von Hörður, einem Schönling sondergleichen – adrett, aufgeräumt und charismatisch. Die beiden passen, wie bei Buddy-Movies üblich, natürlich nicht zusammen – müssen aber bald an einem Strang ziehen.
Islands Hauptstadt Reykjavik präsentiert sich hier auf Augenhöhe mit allen anderen Großstädten dieses Planeten, die längst schon dank actionreicher Verfolgungsjagden das Budget für die Stadtsanierung neu evaluieren mussten. Hoch im Norden schlägt man nun auch besorgt die Hände über den Kopf zusammen, wenn schnittige Karossen in blaustichigen, groben Bildern über frischen Asphalt brettern. Und auch die Unterwelt selbst mitsamt ihren schrägen Rädelsführern hat wohl genug Exkursionen in den vielfach erprobten Westen unternommen, um zu wissen, wie man sich geben muss: Brutal, verrückt und größenwahnsinnig. Nur versprühen diese Vibes relativ wenig von dem, was wir als Liebhaber des skandinavischen oder gar isländischen Kinos so sehr zu schätzen wissen: das Lakonische, Mystische, Skurrile. Cop Secret will von all dieser Mentalität nichts wissen und orientiert sich lieber an gefälligen Vorbildern. Zumindest, was den Plot angeht. Der ist austauschbar und nicht der Rede wert. Ein Thriller von der Stange, dessen Handlung man schnell vergisst.
Weniger in Vergessenheit gerät dabei aber jene Komponente, um die es Regisseur Halldórsson eigentlich geht: Das Konterkarieren des Bildes vom starken Mann, vom maskulinen Berserker, der sich nicht erlauben darf, schwul zu sein. Oder eben doch? Wenn die beiden Vorzeige-Adonisse aus dem Action-Genre langsam bemerken, dass sie einander nicht egal sind, so fühlt sich das zwar ungewohnt an, widerspricht aber in keiner Weise dem Charakter der Protagonisten. Warum auch – weder ist ein Homosexueller weibisch und weich, noch ein Hetero permanent auf Reibung aus. Vorgefertigte Rollenbilder geraten in den Schwitzkasten, und wenn Bússi und sein Partner vor dem nächsten Shootout noch schnell Küsse tauschen, so ist das willkommen anders. Wäre dem so, dass diese erfrischende Sichtweise auch einen ganzen Film tragen könnte, hätten wir hier ein Update zum Genre des neuen Actionfilms. So aber bietet der Thriller nichts neues, und dem sexuellen Statement misst man nicht mehr bei als einer kuriosen Nebensache.
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