Den Film "Wochenendrebellen" mit einem Kategorie-Label zu versehen, fällt schwer.
Er ist jedenfalls kein typischer Sport- oder Fußballfilm. Die Hauptfiguren stehen nur selten aktiv auf dem Platz. Das Spielgeschehen interessiert nicht. Aber stadionaffine Zuschauer*innen können nachvollziehen, wie es ist, kurz vor Spielbeginn eine Tribüne zu betreten und das bereits prall gefüllte Stadioninnere samt Fahnen, Choreos und womöglich Pyrotechnik zu erblicken, während die Teams einlaufen und eine musikalisch oft fragwürdige aber doch identitätsstiftende Vereinshymne ertönt. Im Film lässt sich dieses überwältigende Gefühl ein halbes Dutzend Male gemeinsam mit dem zehnjährigen autistischen Jason (Cecilio Andresen) erleben, der zusammen mit seinem Vater Mirco (Florian David Fitz) seinen Lieblingsverein sucht - wozu man logischerweise alle Vereine live gesehen haben muss. Für den Film wurde dabei in echten Stadien während tatsächlicher Spiele gedreht, dadurch sind diese Szenen maximal authentisch.
"Wochenendrebellen" ist kein Drama, und der den Film überspannende Handlungsbogen ist eigentlich kaum relevant. Er verknüpft lediglich Episoden, die die beiden "Rebellen", die es wirklich gibt, so oder ganz ähnlich erlebt und zuerst in einem Blog, später in einem Buch, erzählt und schließlich von Richard Kropf ("4 Blocks") verdrehbuchen lassen haben. Dass durch die filmische Verdichtung einige dieser Episoden etwas an Plausibilität verlieren: geschenkt.
Der Film ist, was die Grundstimmung betrifft, sicherlich keine Komödie. Er hat aber Momente, in denen man richtig von Herzen lachen kann. Tragisch ist er aber ganz bestimmt auch nicht. Kann er dann eine Tragikomödie sein?
"Wochendrebellen" ist auch kein Aufklärungsfilm über Autismus. Es kommt schließlich nur ein einziger darin vor. Doch spielt das Thema dadurch eine zentrale Rolle. Der Film ist dabei keinesfalls belehrend, verfolgt jedoch durchaus spürbar das Anliegen, Verständnis für die Situation von autistischen Menschen und deren Angehörige zu fördern. Er erreicht das ohne die aus anderen Filmen bekannte Verklärung oder Stereotypisierung, sondern durch realistische Darstellungen. Die Herausforderungen, vor denen Jasons Eltern, vor allem aber er selbst, stehen, wenn die Reizüberflutung überhand nimmt, wenn Routinen durchbrochen werden, wenn das selbstgesetzte, unverhandelbare Regelwerk plötzlich zu ausweglosen Situationen führt und die Mitmenschen wenig Verständnis aufbringen, werden schonungslos aufgezeigt. Mit akribisch optimierten technischen Kniffen und dank eines beeindruckenden Jungdarstellers gelingt es dem Film unter der Regie von Marc Rothemund ("Sophie Scholl – Die letzten Tage" / "Dieses bescheuerte Herz"), dem Publikum Jasons Wahrnehmungen und Perspektiven zu vermitteln. So kann man auch als nichtautistischer Zuschauer Jasons innere Konflikte bis hin zu daraus resultierenden Meltdowns ein gutes Stück weit nachfühlen. Diese Szenen sind durchaus anstrengend anzuschauen, aber nicht zuletzt die eingangs erwähnten Stadionszenen entschädigen dafür - ganz ähnlich wie es Jason im wahren Leben auch ergehen dürfte.
Es ist kein Roadmovie. Ein Railroadmovie vielleicht, streckenweise. Mit einem, nebenbei bemerkt, ziemlich guten indie-pop-rockigen Soundtrack inklusive Titelsong der Sportfreunde Stiller.
Eine Vater-Sohn-Geschichte? Nicht ganz, denn auch Mutter Fatime (Aylin Tezel) und die Großeltern (Petra Marie Cammin und Joachim Król) sind aus der Geschichte nicht wegzudenken, und ein Monolog des Opas ist die vielleicht rührendste Szene des Films. Also eine Familiengeschichte? Ja, aber eben auch viel mehr als das.
"Wochenendrebellen" ist einfach ein sehr besonderer, schöner, großartiger Film (die Süddeutsche Zeitung bezeichnet ihn zurecht als "sensationell"), den man sich nicht entgehen lassen sollte.