Lustiges Rätselraten mit Bruce Willis und seinem Double
Von Oliver KubeMit Meisterwerken wie „Pulp Fiction“, „12 Monkeys“, „Sin City“, „The Sixth Sense“ sowie natürlich der „Stirb langsam“-Reihe zählte Bruce Willis über viele Jahre hinweg zu den absoluten Top-Stars in Hollywood. Die jährlich ein bis zwei Filme mit dem vielleicht populärsten Actionhelden der jüngeren Kino-Historie waren Pflichtveranstaltungen für Millionen Fans auf der ganzen Welt. Treuen Leser*innen unserer FILMSTARTS-News-Artikel dürfte in den vergangenen Jahren allerdings aufgefallen sein, dass inzwischen gefühlt fast jeden Monat ein neuer Film mit Bruce Willis auf dem DVD-Cover veröffentlicht wird (im Januar 2022 erscheinen mit „Deadlock“ und „Out Of Death“ sogar zwei der Trash-Granaten an einem einzigen Tag).
Aber wer sich jetzt fragt, wie der 66-Jährige dieses Pensum überhaupt schafft, dem müssen wir leider sagen, dass die Antwort ebenso simpel wie desillusionierend ist: Bruce Willis hat bei all den spürbar billig produzierten Indie-Actionern jeweils nur wenige Tage (oft sogar nur ein oder zwei) tatsächlich am Set verbracht – und zwar meist auch nicht, um sich in den wenigen Stunden so richtig in seine Rolle zu schmeißen, sondern um eher gelangweilt seine Texte in die Kamera zu sprechen. Bruce Willis hat sich von der „echten“ Schauspielerei offensichtlich verabschiedet – und streicht stattdessen eine kolportierte Gage von einer Million Dollar pro Kurzauftritt ein.
„Fortress“ von Regisseur James Cullen Bressack, mit dem Bruce Willis auch schon den nur wenige Monate früher veröffentlichten „Survive The Game“ gemacht hat, soll nun der erste Teil einer geplanten und größtenteils sogar bereits abgedrehten Trilogie werden. Das war’s dann aber auch schon in Sachen Ehrgeiz. Denn trotz der Sequel-Ambitionen ist der 100-Minüter nur ein weiterer dieser Heimkino-Reißer mit mauer Action, holprig zusammengeklöppelter Story sowie einem visuellen Standard, der nur mit halb zugekniffenen Augen noch als professionell bezeichnet werden kann. Ohne Gesicht und Namen von Bruce Willis auf dem Cover würde „Fortress“ beim DVD-Händler oder Streaming-Anbieter wohl niemand auch nur eines zweiten Blickes würdigen – und das völlig zu Recht.
Der pensionierte CIA-Spion Robert (Bruce Willis) lebt mit weiteren aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen US-Geheimagenten in einem von der Außenwelt abgeschotteten und von schwerbewaffneten Wachleuten umgebenen Senioren-Resort. Eines Tages kommt Roberts Sohn Paul (Jesse Metcalfe), der von der beruflichen Vergangenheit seines Vaters bisher nichts ahnte, zu Besuch – und zwar mit unerwünschtem Besuch im Schlepptau: Der nach Rache dürstende Kriminelle Balzary (Chad Michael Murray) hat sich an Pauls Fersen geheftet, um endlich zu erfahren, wo sich sein alter Erzfeind Robert versteckt hält. Mit einer kleinen Armee gewissenloser Söldner belagert er die Wohnanlage so lange, bis es ihm schließlich gelingt, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Robert und Paul können gerade noch in einen unterirdischen High-Tech-Bunker flüchten. Aber wie lange wird dieser den Angreifern standhalten können?
Der Top-Kriminelle Balzary (Chad Michael Murray) hat mit seinem pensionierten Erzfeind Robert (Bruce Willis) noch ein Hühnchen zu rupfen.
Wenn er über weite Strecken einfach nur herumsitzt, dabei leer in den Raum starrt und emotionslos seine Textzeilen aufsagt, wirkt Bruce Willis‘ Performance nicht nur zynisch lustlos, sondern auch grausam hölzern. Aber er war halt auch wie gesagt nur kurz am Set. Um in der wenigen Zeit möglichst viel abzudrehen, muss im Schnitt viel getrickst werden, damit der Part am Ende trotzdem möglichst groß wirkt. Das gelingt Regisseur James Cullen Bressack hier aber noch weniger überzeugend als seinen Kollegen etwa bei „Out Of Death“ oder „Deadlock“. So wirkt „Fortress“ halt immer wieder so, als sei der Top-Star erst nachträglich noch irgendwie in einen bereits bestehenden Film hineingeschnitten worden.
Abgesehen von einigen kurzen Szenen mit seinem Sohn oder der das Camp kommandierenden Generalin („Beverly Hills, 90210“-Star Shannen Doherty) ist Bruce Willis fast immer nur allein im Bild zu sehen. Und selbst bei den Dialogen sieht es zumindest so aus, als seien die Schauspieler*innen getrennt vor Greenscreens gefilmt und dann erst in der Post-Produktion zusammengefügt worden. An anderer Stelle werden Willis‘ Spielpartner*innen lediglich von hinten und noch dazu beabsichtigt unscharf eingefangen, was natürlich schwer danach riecht, dass in diesen Momenten Doubles verwendet wurden, um auch wirklich alle Szenen mit Willis‘ Figur während der knapp bemessenen Zeit in den Kasten zu bekommen.
Spätestens bei einer Schuss-Gegenschuss-Sequenz, in der der als Bösewicht-Darsteller zumindest noch halbwegs engagiert rüberkommende Chad Michael Murray („One Tree Hill“) seine Frustration mit Fäusten an Robert auslässt, ist es offensichtlich, dass da nur irgendein von hinten gefilmter Typ mit Glatze auf dem Stuhl sitzt und sich von Murray verprügeln lässt. Achtet nur mal auf die doch merklich falschen Kopf- und Ohrenform des Mannes. Ein Blick auf die Credits im Abspann verrät, dass es sich hier um den Stuntman Stuart F. Wilson handeln muss. Der hält schon seit „Stirb langsam 4.0“ regelmäßig für Willis die Knochen hin – und übernimmt dazu inzwischen eben auch noch alle möglichen weiteren Szenen, in denen man den Star nicht von ganz nah beziehungsweise von vorne zu sehen bekommt. So sitzt Wilson nun eben überall herum oder stapft durch den Wald, während die Filmcrew darauf achtet, dass man möglichst sein Gesicht nicht sieht. Entsprechend kantig und wenig flüssig zusammengeschnitten wirken die Sequenzen dann auch.
Die Handvoll Action-Sequenzen in „Fortress“ sind– auch wenn sie nahezu komplett ohne Willis oder sein Double auskommen – ähnlich ungelenk wie die Dialogszenen inszeniert. Die körperliche Arbeit wird dabei hauptsächlich von Ser'Darius Blain („Jumanji“) als Balzarys Vollstrecker Ulysses sowie Michael Sirow („Primal - Die Jagd ist eröffnet“) in der Rolle eines aufgesetzt coole Sprüche reißenden Bewachers der CIA-Pensionäre erledigt. Wobei auch dann noch vieles im Off passiert. So sieht man mehrfach, wie Blain seine Waffe abfeuert – aber im Gegenschnitt liegen dann einfach nur ein paar sauber platzierte Leichen auf dem Boden. Von Fluss oder gar Dynamik keine Spur.
Auch die von Kelly Greyson („Disturbing The Peace“) verkörperte Resort-Leiterin Kate darf ein wenig mitmischen. Jedoch verliert sie bereits während des ersten Handgemenges mit einem der Angreifer auf wundersam ungeschickte Weise ihr Uniformhemd – weshalb sie den Rest ihres Auftritts in einem Sport-BH plus knappen Lara-Croft-Shorts bewältigen muss. Dazu kommen fast im Minutentakt neue Logiklöcher. Beispiel gefällig? Bitte sehr: Die ganze Wohnanlage ist „total geheim“ und „super beschützt“. Aber wenn eine der Überwachungskameras ausfällt, wird das vom vielköpfigen Security-Personal einfach auf die lokale Fauna geschoben und glatt ignoriert. Oder es merkt erst nach Ewigkeiten jemand, dass ein mannsgroßes Loch in den natürlich sensorfreien Maschendrahtzaun geschnitten wurde.
Sehr viel spannender als der platte Rache-Plot ist da ziemlich schnell die Frage, wer denn nun mehr Screentime hat – Bruce Willis oder sein Double? Auch die letzte Einstellung des Showdowns zwischen Robert und seinem Widersacher wird von Wilson absolviert – gefilmt aus weiter Entfernung. Spätestens damit hat in der Endabrechnung wohl der Stuntman mit dem Ex-Megastar zumindest gleichgezogen. Schön für ihn. Selbst wenn wir bezweifeln, dass er dafür ebenfalls eine siebenstellige Dollar-Summe eingestrichen hat.
Fazit: Ein lustlos und schrecklich hölzern auftretender Bruce Willis, eine lahme Story, maue Action sowie die arg schwache Inszenierung lassen für die bereits angekündigten Teile 2 und 3 der „Fortress“-Trilogie schwarz sehen. Selbst den hartgesottensten Fans dürfte es nach dieser fast schon lachhaft miesen Premiere egal sein, wie es mit ihrem Helden (beziehungsweise dessen Double) weitergeht.