Als Mann, der „Batman“ ruinierte, ging Joel Schumacher in die Filmgeschichte ein. Sein Ruf als Oberflächenfilmer machte ihm scheinbar schwer zu schaffen. Schlimmer noch: Schumacher drehte fünf kommerzielle Flops in Serie („Batman & Robin“, „8mm", „Makellos“, „Tigerland“, „Bad Company"). Jetzt zog er die Notbremse und schlägt andere Wege ein. Mit dem dramatischen Thriller „Nicht auflegen!“ versucht er sich an einer innovativen Idee, die Handlung auf lediglich einen Ort zu konzentrieren – und Schumacher fällt genug ein, um die Zuschauer 80 Minuten zu beschäftigen. Zudem kann Colin Farrell beweisen, dass er „The Next Big Thing“ in Hollywood ist, auch wenn das Ganze moralisch mehr als fragwürdig ist.
Der arrogante New Yorker Medienagent Stu Shepard (Farrell) ist wichtig. Zumindest tut er so. Ohne Mobiltelefon am Ohr ist er kein Mensch, verhandelt am liebsten mit fünf Leuten gleichzeitig in der Leitung. Dazu ist der Unsympath noch drauf und dran, seine Frau Kelly (Radha Mitchell, „Johnny English") mit der Schauspielerin Pamela McFadden (Katie Holmes, „The Wonder Boys") zu betrügen. Doch dann stellt ein einziger Telefonanruf sein Leben komplett auf den Kopf. Nachdem er einen Pizzajungen (Dell Yount), der ihm etwas in die Telefonzelle, in der Stu gerade einen Anruf angenommen hat, liefern will, rüde abgewiesen hat, bekommt Shepard einen mysteriösen Anruf. Ein Unbekannter, der ihn aus einem der umliegenden Bürogebäude beobachtet, droht, ihn zu erschießen, wenn er die Zelle wieder verlässt. Stu weiß nicht so recht, ob er dem Mann glauben soll. Als der Anrufer einen Passanten erschießt, ist sich Stu dem Ernst der Lage bewusst. Die Situation spitzt sich zu. Er soll seine Frau anrufen und ihr von seiner Untreue berichten und die Polizei ist auch schon mit Scharfschützen vor Ort, weil sie glaubt, Stu habe den Passanten erschossen. Er sitzt in der Falle...
Joel Schumacher, der Anfang bis Mitte der 90er Jahre mit Filmen wie „Flatliners“, „Falling Down“, „Der Klient“ und „Die Jury“ eine Reihe von Hits hatte, ist seit seinen beiden verkorksten „Batman“-Filmen ein beliebtes Hassobjekt der Kritikerzunft. Im Fall von „Batman“ vollkommen zu Recht, und auch sein letzter Output „Bad Company" hat die Prügel sicher verdient. Doch davor war ja noch das Low-Budget-Drama „Tigerland“, das den Iren Colin Farrell erstmals ins Licht der Öffentlichkeit rückte. In diesem Geist der Reduzierung - und mit einem knappen Budget von 15 Millionen Dollar - versucht Schumacher, nun wieder ein Bein in Hollywood auf den Boden zu bekommen. Und siehe da, das Comeback gelingt sogar. Mit einer bei Altmeister Alfred Hitchcock entliehenen Idee („Das Fenster zum Hof“ lässt grüßen) reduziert Schumacher die Handlung auf einen einzigen Ort - der letzten abschließbaren Telefonzelle in den Straßenschluchten von Manhattan.
Das Spiel ist nicht ungefährlich, schließlich muss Schumacher sein Publikum knapp anderthalb Stunden bei Laune halten. Doch das gelingt dem Regisseur relativ souverän. B-Movie-Ikone Larren Cohen ließ sich für das Skript einiges einfallen, um die Ausgangssituation mit Spannung zu versehen. Dazu ist Schumacher in der technischen Umsetzung keineswegs auf Zurückhaltung aus. Er zieht alle Register der modernen Schnitttechnik - Splitscreen-Aufnahmen, eingeklinkte Bilder, Parallelmontagen, Bild- und Toncollagen sorgen dafür, dass trotz eines eingeengten Spielraums einiges passiert. Das größte Vergnügen an „Phone Booth“ ist der gut konstruierte Spannungsbogen, den Schumacher bis zum Schluss halten kann. Dabei kommt ihm sehr zu Gute, dass er mit seinem Schützling Colin Farrell („The Recruit", „Minority Report", „Daredevil") einen erstklassigen Protagonisten aufbieten kann, der sein ernormes Potenzial voll entfaltet. Auch wenn sein Stu Shepard ohne Zweifel arrogant und unsympathisch ist, schafft er es, die Zuschauer auf seine Seite zu ziehen. Der von Kiefer Sutherland („Die Jury“, „Flatliners“) gespielte Killer ist fast den gesamten Film nicht zu sehen, sondern lediglich zu hören. Sutherland erzeugt eine beachtliche Präsenz und gibt einen guten Gegenpart zu Farrell ab.
Dass „Phone Booth“ am Ende doch „nur“ ein guter Film und nicht mehr ist, liegt an den moralischen Fallstricken, in denen sich Schumacher zunehmend verheddert. Dem Thriller, der in den USA nach den tragischen Sniper-Attacken rund um Washington D.C. verschoben wurde, ist ein gewisser Grad an Perversion nicht abzusprechen. Aber wenn man sich klar macht, dass es sich um Unterhaltung handelt, um einen Film, dann ist dies zu verschmerzen. Weniger zu verzeihen ist aber die überzogene Moral in Gestalt des Killers, der einen Mann wieder auf den richtigen Weg bringen will und somit seine Brutalität und seinen Sadismus rechtfertigt. Das hinterlässt ein wenig Unbehagen. An der US-Kinokasse hat sich Schumachers Experiment jedenfalls bezahlt gemacht. Nach drei Tagen waren die Produktionskosten bereits wieder eingespielt - am Ende langte es zu einem respektablen Einspiel von 45 Millionen Dollar...