TOCHTER ZU VERSCHENKEN
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Da ist sie wieder, Sasha Baron Cohens Kunstfigur. Der kasachische Reporter, der peinliche Nationalist und der völlig ahnungslose Sexist, dessen Weltbild immer noch das einer Scheibe ist. Borat Sagdiyev ist kein Intellektueller, kein Horizonterweiterer und schon gar kein Humanist. Ein Unterdrücker, der es gut meint. Gibt es sowas? Klar gibt’s das. Man braucht hier nur mit dem Finger über die Weltkarte wandern und auf einzelne Nationen tippen, die genau so sind wie Borat. Die genauso wie dieser Mann keine Ahnung haben von liberalen Ideen, sexueller Gleichberechtigung und Bildung. Ihr Vorteil: eine Bevölkerung, die in diese Art Schlamassel hineingeboren wurde – und es gar nicht anders kennt. Wie Borat eben. Einer, der es nicht besser weiß. Der aber trotz seines verqueren Gedankenguts zumindest jemand ist, der, sobald sein Weltverständnis auf Widerstand stößt, den dazugehörigen Absolutismus hinterfragen könnte.
Der Mann mit buschiger Rotzbremse und grauem Anzug gebärdet sich wie ein reaktionärer Mr. Bean, der im Ausland seine Haut retten muss, um nicht hingerichtet zu werden, falls er seine zweite Mission vermasselt: der lokale Geheimdienst schickt ihn abermals in die US+A, mit einem Geschenk für den Vizepräsidenten Michael Pence, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder aufleben zu lassen. Das Geschenk sollte ein Affe sein – doch der lebt nicht mehr, als die ominöse Holzkiste in Amerika ankommt. Stattdessen hat sich Borats Tochter reingeschmuggelt – verdreckt, verlaust und aufmüpfig (erfrischend extrovertiert und oscarnominiert: Marija Bakalowa). Na gut, wenn schon nicht den Affen, muss Borat wohl seine Tochter verschenken. Vorher allerdings muss die Gute noch „formschön“ verpackt werden, um sie präsentieren zu können. Während dieses Unternehmens allerdings wird Tochter Tutar langsam klar, in welchem gestörten Umfeld sie wohl bisher aufgewachsen war. Da sind die US + A ja Gold dagegen. Bis auf ein einige Ausnahmen – die zumeist im politischen Establishment zu finden sind.
Satire darf zwar nicht alles, aber vieles. Was Jason Woliner seinem Duo aus dem Osten dürfen lässt, ist trotz der üblichen Geschmacklosigkeiten, die aber alle unter einen Nenner zu bringen sind, weil sie alle dasselbe Ziel verfolgen, durchaus akzeptabel. Borat Anschluss Moviefilm (der Originaltitel würde sich über drei Zeilen ziehen) ist eine überraschend unzynische, direkt versöhnliche Satire im klassischen Sinn, die zum Ziel hat, einen überall vor sich hintümpelnden, latenten oder gar militanten Sexismus aufzubrezeln. Das geht von den Grundrechten der Frau bis hin zum Zwang, sich die Brüste vergrößern lassen zu müssen. Das lässt auch kein gutes (Scham)haar an der Tabuisierung der Menstruation oder dem Mythos, Frauen könnten nicht autofahren. In erschreckender Deutlichkeit darf sich die republikanische Witzfigur Rudy Giuliani selbst an den Pranger stellen – wohl das frappanteste Armutszeugnis einer Person in diesem Film, während Tom Hanks (zum Glück) nur Autogramme zu geben braucht und der Rest der amerikanischen Bürger, denen Borat begegnet, sich überraschend wenig über dessen seltsames Verhalten wundern, weil sie mitunter selbst so ein reaktionäres Weltbild wie Borat haben.
Den guten Ton findet Borat Anschluss Moviefilm natürlich absichtlich nicht – da mag man mit den Augen rollen. Allerdings hat der Streifen eine Mission, die er sich zu Herzen nimmt. Diese auf Schiene zivilisierter Norm gebrachten Erkenntnisse mögen dem obszönen Sarkasmus wohl den Wind aus den Segeln nehmen, unter welchem der Erstling aus dem Jahre 2006 noch Fahrt aufnehmen konnte. Dieses Sequel hier ist fast schon zu befriedend für manche, die den bösen, unbelehrbaren Witz des schlaksigen Hampelmanns so nice gefunden hätten. Borats Wanderjahre sind in diesem kaum noch als Mockumentary zu bezeichnendem Roadmovie jedoch längst vorbei.
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