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    Battle Royale - Nur einer kann überleben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Battle Royale - Nur einer kann überleben
    Von Andreas R. Becker

    Kinder können grausam sein. Im dystopischen Japan-Szenario von Kinji Fukasakus umstrittenem „Battle Royale“ bekommen das vor allem die Erwachsenen deutlich zu spüren. 15 Prozent Arbeitslosigkeit herrschen vor, 800.000 Schüler boykottieren die Schule. Sie verlieren erst das Vertrauen in, dann den Respekt vor Erwachsenen, die daraufhin panische Angst vor der Jugend des Landes entwickeln. Resultat ist die Verabschiedung eines Gesetzes, das beweist, dass Kinder zwar grausam, es meistens aber doch die Erwachsenen sind, die noch eine Schippe drauflegen: Der „Millennium Educational Reform Act“ oder auch „Battle Royale Act“ sorgt dafür, dass pro Jahr willkürlich eine Schulklasse „eingezogen“ wird, deren Mitglieder sich in drei Tagen auf einer isolierten Insel gegenseitig abschlachten müssen. Wer versucht, sich zu weigern, wird von seinem mit Sprengstoff versehenen Metallhalsband blutreich per Fernsteuerung ins Jenseits geschickt. Strafe muss sein. Der Oberfolterer vom Dienst ist dabei mit Takeshi Kitano prominent besetzt und trug seinen Teil zur Popularität des Films bei. Der ist entgegen vieler gegenläufiger Gerüchte in den USA übrigens nicht verboten worden, sondern aufgrund einer verfahrenen Rechtelage nicht auf den Markt gekommen: Während sich die großen Verleiher nicht trauten, konnten die kleineren die horrenden Forderungen der Produzenten nicht erfüllen. Dass der Stoff für Warner & Co. trotz des Kultfaktors, der den Film teilweise umweht, zu heiß war, ist nicht verwunderlich. Mit expliziten Grausamkeiten und Perversionen hat Fukasaku nicht gegeizt.

    Letztlich ist es deshalb vor allem die notwendige Entscheidung für eine Herangehensweise an den Film, die ein Werturteil überhaupt ermöglicht: Betrachtet man „Battle Royale“ lediglich als (Splatter-)Actionfilm, der auf Lust an Gewalt setzt, bleibt nicht viel mehr als ein menschenverachtender und nicht sonderlich innovativer Streifen, dem auch die letzte Grausamkeit nicht zu schade ist, um einen voyeuristischen Effekt zu generieren. Zwar ist die Freude am Brutalen natürlich auch im Modus für Fortgeschrittene nicht ganz von der Hand zu weisen. Dennoch ist es wohl letztlich der Subtext, der „Battle Royale“ dann doch vom hirnfreien Blutfilm trennt: Fukasaku bezeichnete den Film selbst als Fabel, was eine tiefergehende Lesart bereits nahe legt. Der Regisseur verarbeitete darin Erfahrungen, die er als Fünfzehnjähriger während des Zweiten Weltkriegs in einer Munitionsfabrik machen musste. Ähnlich wie im Film wurden damals Schulklassen gezogen, um für die japanische Kriegsführung zu produzieren. Als ein Angriff der Alliierten auf die Fabrik erfolgte, in der der junge Fukasaku arbeitete, konnten sich die wehrlosen Kinder nur helfen, indem sie sich übereinander warfen und einander als Schutzschild dienten. Solange, bis der Angriff vorüber war und sich die untersten Überlebenden aus dem Leichenberg befreien mussten.

    Auch, wenn man diese Hintergrundinformation nicht hat, wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass „Battle Royale“ sich mit existenziellen Fragen auseinandersetzt und Antworten zum Teil subtil kommentiert. Dabei spielen unter anderem auch die Untermalung mit überwiegend europäischer Klassik und die immer wiederkehrenden Natur-Panoramen eine Rolle. Während Kitano (Takeshi Kitano, Hana-bi, Sonatine, Kikujiros Sommer) scheinbar völlig emotionslos töten lässt und Listen bereits Abgetretener verliest, ertönt ein liebliches „An der schönen blauen Donau“ und die Wellen zerschellen kunstvoll an den felsigen Ufern der Insel. In Ausnahmesituationen, und wenn sie gelassen wird, zeigt sich die Triebhaftigkeit des Menschen, der sich in der zivilisierten Gesellschaft eigentlich längst darüber hinweggesetzt glaubt.

    So stellt der Film indirekt auch die berühmte Frage: „Was würdest du tun, wenn du weißt, dass du bald sterben wirst?“ Auf die gibt fast jeder Schüler eine andere Antwort, in der sich auch der Charakter offenbart: Von verzweifelter Fassungslosigkeit und Selbstaufgabe, ungezügelter Kampflust und Brutalität bis hin zu im doppelten Sinne ultimativen Liebesgeständnissen reicht die Bandbreite der Reaktionen. Den jungen Darstellern, die alle ohne Stuntdoubles arbeiteten, kauft man ihr Verhalten in der perversen Lage überwiegend ab. Stellen- und charakterweise wird es auch mal so überzeichnet, dass es im wörtlichen Sinne irr-witzig erscheint und einen Unterhaltungswert hinzufügt. Die Bilder, in denen der brutale Todeskampf von Kameramann Toshihiro Isomi festgehalten wird, hinterlassen keine sonderlichen Erinnerungen, sind aber meist dicht am blutigen Geschehen. Die zurückhaltend komponierte Optik mag zum Teil dem geringen Budget von 4,5 Millionen Dollar zuzuschreiben sein. Dadurch verlagert sich der Fokus aber automatisch auf die Handlung, so dass es sich auch um eine bewusste Entscheidung handeln kann.

    Im Zusammenhang mit seiner Beschreibung des Films als Parabel auf seine Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg bezeichnete Kinji Fukasaku das Ende als einen Ratschlag für zukünftige Situationen: lauft weg! Sieht man in „Battle Royale“ eine Art Verhaltensstudie über Menschen, mag der Ratschlag aber auch lauten: Geschichte kann sich eben doch wiederholen. Passt gut auf euch auf!

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