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    The Kissing Booth 3
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Kissing Booth 3

    #blessed #hygge #yaysomuchfun

    Von Jochen Werner

    The Kissing Booth 2“ endete vor einem Jahr mit etwas, das in der engen Welt der immens populären „The Kissing Booth“-Trilogie offenbar als Cliffhanger durchgeht. Nämlich damit, dass der frühzeitig im Film etablierte Konflikt, wo die Protagonistin denn nun zur Uni gehen soll, auch nach 134 (!!!) schier endlosen Minuten noch immer nicht aufgeklärt wird: Soll Elle (Joey King) nun mit ihrem Boyfriend Noah (Jacob Elordi) in Harvard studieren oder sich doch gemeinsam mit ihrem platonischen Bestie, Noahs kleinem Bruder Lee (Joel Courtney), in Berkeley immatrikulieren? So kann Netflix aus dem dünnen Content nun noch einen dritten Film herauspressen, weshalb Regisseur Vince Marcello sich und uns nun 112 weitere Minuten Zeit nimmt, um dieser für ein Young-Adult-Leben durchaus existenziellen Bildungsfrage auch wirklich mit der nötigen Sorgfalt auf den Grund zu gehen.

    Nun denn, stürzen wir uns also kopfüber hinein in „The Kissing Booth 3“, der die ein Jahr lang aufgeschobene Entscheidung nur noch eine einleitende, aus diversen Freizeitaktivitäten bestehende Montagesequenz hindurch weiterschiebt und die Protagonist*innen dann den gesamten restlichen Film über mit den Konsequenzen ringen lässt. Als Schauplatz dieses Ringens wählt er ein Ferienhaus direkt am Strand – ein Kunstgriff, der die Figuren nicht nur mit der Renovierung beschäftigt hält, sondern ihnen auch Anlass zum Schwelgen in nostalgischen Erinnerungen gibt und auf den – vom melancholischen „Eis am Stiel 8 – Summertime Blues“ bis zum einfach nur die Konflikte des Vorgängers vor neuer Kulisse replizierenden „American Pie 2“ – bereits zahlreiche Teenager-Komödien-Sequels zurückgegriffen haben.

    Entscheidet sich Elle (Joey King) nun für ihren besten Kumpel Lee (Joel Courtney) ...

    Das luxuriöse Setting überdeckt mit großzügiger #hygge-Ästhetik die im zweiten Teil mal kurz angerissene Behauptung, es könnte in der „The Kissing Booth“-Reihe auch Platz für eine Verhandlung der unterschiedlichen ökonomischen Hintergründe geben (dort musste ein finanzielles Ungleichgewicht nämlich erst noch durch einen Geldgewinn bei einem Videospiel-Tanzwettbewerb ausgeglichen werden). In Teil 3 reicht es hingegen nur noch für einen Witz, wenn die ultraprivilegierten OMG-Girls Gastgeberin Elle bei der Beach-House-Party mit einem nonchalanten „Wir dachten immer, du seist arm“ begrüßen. Relevant ist das aber alles weder für den Plot noch seine Konflikte – wie man so etwas auch komplexer erzählen kann, zeigt derzeit etwa das Latino-Kinomusical „In The Heights“, das dafür allerdings auch etwas mehr Klassenbewusstsein auffährt, als es Netflix‘ Businessplan-Diversity erfordert.

    Sämtliche Konflikte, die das dünne, aber breit erzählte Drehbuch für Elle vorsieht, stellen sie ins Verhältnis zu den drei männlichen Protagonisten Noah, Lee sowie dem als Restbestand aus der Dreiecksgeschichte des zweiten Teils auch ins Trilogie-Finale übernommenen Marco (Taylor Zakhar Perez). Während die beiden Brüder auf romantischer respektive freundschaftlicher Ebene und jeweils aus Verlustangst an Elle zerren, hofft Marco einfach nur, als lachender Dritter zur rechten Zeit präsent zu sein, um sie nach der Abfuhr in Teil 2 doch noch für sich zu gewinnen. Der entsprechend fortgeführte Gockelkampf mit dem eifersüchtigen Besitzstandswahrer Noah war ja bereits im Vorgänger angelegt und eigentlich auch bereits auserzählt, eine neue Nuance gewinnt er hier jedenfalls nicht, auch wenn das eskalierende Go-Kart-Rennen in vollem „Mario Kart“-Drag nicht nur als ein Highlight des Films, sondern der gesamten Trilogie durchgeht.

    Eine zweistündige Insta-Story

    Im Kern aber verhandelt „The Kissing Booth 3“ ein für das Genre klassisches Thema in drei Konstellationen – zwei davon romantisch, eine platonisch: Beziehungen, die uns einmal sehr wichtig waren, die nun aber nicht nur angesichts der bevorstehenden räumlichen Trennung, sondern auch wegen des Auseinanderdriftens unterschiedlicher Lebensentwürfe im Prozess des Erwachsenwerdens zu zerbrechen drohen. Egal ob Elle und Noah, Elle und Lee, Lee und seine Freundin Rachel (Meganne Young), die hier deshalb noch keine Erwähnung fand, weil sie ebenso wie alle anderen Nebenfiguren über keinerlei Charakter, sondern bloß über narrative Funktion verfügt: Sie alle handeln aus einer Angst heraus, durch das beginnende Erwachsenenleben voneinander entfremdet zu werden – und am Ende handeln sie allesamt geradezu abstoßend vernünftig, den Kalendersprüchen folgend, die sie sich gegenseitig oder die Elle uns als Off-Kommentar immer wieder um die Ohren haut. Die „Kissing Booth“-Trilogie ist in ihrer Ästhetik wie in ihrer Philosophie letztlich ungemein neoliberal, was spätestens im Epilog überdeutlich wird, der sechs Jahre in die Zukunft springt und sämtliche Protagonist*innen auf Kurs in die vermeintlich sicheren Häfen von Karriere und/oder Ehe setzt.

    Formal setzt Vince Marcello konsequent fort, was die Reihe bereits seit dem ersten Teil entscheidend prägt. Sowohl ungemein kontemporär wie auch irritierend wirkt die erbarmungslos durchgestylte Oberflächenästhetik, die auch „The Kissing Booth 3“ wie eine grotesk überlange Instagram-Story irgendwo zwischen #hygge, #blessed und #nachdenklichesprüchemitbilder wirken lässt. Damit rückt er sie am Ende vielleicht sogar viel näher heran an die Alltagsrealität der im Film porträtierten Protagonist*innen, als es klassischer erzählte Updates der Teenager-RomCom zu erreichen vermögen. Nur sehr schwer erträglich ist „The Kissing Booth 3“ trotzdem, wenngleich seine etwas lockerer arrangierte episodische Struktur dazu verleitet, ihn für den besten Teil der Trilogie zu halten. Aber vielleicht ist das auch nur einer gewissen Abstumpfung zu verdanken.

    ... oder doch ihren festen Freund Noah (Jacob Elordi)?

    Diese gleichermaßen faszinierende wie abstoßende Instagram-Ästhetik verleiht der gesamten Trilogie durchaus einen Hauch von Relevanz – und wenn diese nur darin besteht, eine gewisse Drohkulisse aufzubauen, wie ein Social-Media-informiertes Gegenwartskino eben auch aussehen könnte. Man muss sich dieser eher formalistischen Betrachtungsweise allerdings auch zuwenden, wenn man irgendeinen Gewinn aus der Sichtung dieser Filme ziehen will, denn bei der Figurenzeichnung, die ja im Grunde das Herz einer jeder RomCom ist, gibt es hier so gut wie gar nichts zu holen.

    Lediglich Elle verfügt über so etwas Ähnliches wie einen erinnerungswürdigen Charakter, auch wenn selbst sie in Marcellos Inszenierung und Joey Kings Spiel so wirkt, als würde sie jede emotionale Regung mit der Abgeklärtheit einer Influencerin lediglich vortäuschen. Ihr Nerdtum, das Netflix im konkurrierenden RomCom-Franchise „To All the Boys I've Loved Before" deutlich glaubwürdiger in Szene setzt, bleibt letztlich ebenso Behauptung wie die performte Lebensfreude. Weitere herübergeschleppte Figuren wie Noels platonische Freundin Chloe (Maisie Richardson-Sellers), an der sich im zweiten Teil immerhin noch ein Eifersuchtsplot entspann, verkörpern überhaupt nichts mehr außer einem britischen Akzent.

    Alles Fake

    Eine ganze Welt aus Fake, Plastik und fortwährender, aktionistischer Hyperaktivität tut sich auf, in der auch der über mehrere Filmstunden absehbare Lernprozess – entscheide dich nicht, welchem Mann du folgst, sondern folge dir selbst – sich nicht wirklich ereignet, sondern in einer 30-sekündigen Ansprache von Teeniefilm-Ikone Molly Ringwald („Breakfast Club“) lediglich nachgereicht wird.

    Aber obwohl oder gerade weil „The Kissing Booth 3“ in vielerlei Hinsicht eine Zumutung ist, darf man eigentlich, so man es mit dem kontemporären Kino ernst meint, auch nicht von ihm lassen. Als die bislang radikalste Anwendung von Social-Media-Ästhetik auf den narrativen Spielfilm sieht man ihm, als Drohszenario für eine potenzielle Zukunft des Mediums, mit einer gewissen Angstlust zu; quasi mit derselben Mischung aus Ekel und Faszination, die einen ganz langsam und gebannten Blicks an einem Unfallort vorbeifahren lässt. Auch in der Falschheit kann Schönheit liegen, und in Sachen Falschheit sind die „The Kissing Booth“-Teile im gegenwärtigen Filmschaffen schwerlich zu überbieten.

    Fazit: „The Kissing Booth 3“ ist der adäquate Abschluss einer irritierend interessanten Filmtrilogie, die im Genre der Teenager-RomCom einen verstörenden Einblick in eine mögliche Zukunft des Streaming-Films bietet. Man muss sich dafür wappnen, sollte sich aber dieser aktuell zum Glück noch ziemlich einzigartigen Erfahrung nicht entziehen. Aber sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt.

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