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    Der Gesang der Flusskrebse
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Gesang der Flusskrebse

    Die Verfilmung wird den Buch-Hype nur noch weiter befeuern

    Von Karin Jirsak

    Die Einsamkeit ist für sie keine Unbekannte: Delia Owens lebte u.a. in der Kalahari Wüste und in der Abgeschiedenheit des Luangwa Nationalparks. Die Zoologin und Naturschützerin weiß also, worin die Schwierigkeiten und die Faszination bestehen, in der Isolation zu (über-)leben. Und genau darum geht es auch im 2018 erschienenen Debütroman der heute 73-jährigen Autorin. Mit einem Mix aus Romantik, Thriller, Coming-of-Age-Außenseitergeschichte und Ode an die Natur avancierte „Der Gesang der Flusskrebse“ zum internationalen Bestseller-Phänomen – eine Verfilmung war daher wohl nur eine Frage der Zeit. Das Ergebnis dürfte Fans des Romans nicht enttäuschen. Aber nicht nur das: Insbesondere der starke Cast, allen voran „Normal People“-Star Daisy Edgar-Jones, steigert die Wahrscheinlichkeit, dass der Film von Olivia Newman den „Flusskrebse“-Hype sogar noch mal auf ein ganz neues Level heben wird...

    Ende der 1960er Jahre, irgendwo im Marschland von North Carolina: Am Fuß des Feuerwachturms wird Chase Andrews (Harris Dickinson), ein junger Mann aus dem nahegelegenen Küstenstädtchen Barkley Cove, tot aufgefunden. Ein Mord? Sofort fällt der Verdacht auf Kya (Daisy Edgar-Jones), die allein in den Sümpfen lebt und eine Beziehung mit Chase gehabt haben soll. Obwohl es keine Beweise gibt, wird das „Marschmädchen“ verhaftet. In ihrer Zelle erzählt sie dem Pflichtverteidiger Tom Milton (David Strathairn) ihre Geschichte: Wie es dazu kam, dass sie ganz allein in der Marsch aufwuchs, wie sie dort ihre große Liebe Tate Walker (Taylor John Smith) fand und wie ihr Weg schließlich den von Chase Andrews kreuzte...

    Kya (Daisy Edgar-Jones) will in ihrem Sumpf bleiben, selbst wenn sie deshalb von allen schief angeschaut wird.

    Die „schöne Wilde“ aus dem Sumpf; der sensible Naturfreund, der sie in die „zivilisierte Welt“ einführt, indem er ihr Lesen und Schreiben beibringt; der verdorbene Quarterback aus der Stadt, der nichts weiter im Sinn hat als die sexuelle Ausbeutung dessen, was ihm als exotisch und deshalb als aufregend erscheint... Das Liebesdreieck im Zentrum der Geschichte ist ebenso klar wie schlicht gezeichnet. Was „Der Gesang der Flusskrebse“ von anderen Erzählungen des Romanzen-Genres abhebt, ist (neben dem Krimi-Anteil) die tatsächlich recht eigensinnige emanzipatorische Note: Die Heldin bewegt sich durch ihre ganz eigene Welt und will da auch nicht weg. Das „Marschmädchen“ ist weder auf Rettung harrende Prinzessin noch Amazone, sondern eine sensible, nachdenkliche und im Kern ziemlich normale Frau, die nicht nach den Sternen greift, sondern nur in Ruhe ihr einfaches Leben führen und die Dinge erforschen will, die sie umgeben.

    Dankenswerterweise gesteht ihr die Geschichte das auch zu und schickt sie nicht auf die übliche Quest, die solche Heldinnen sonst fernab ihrer Komfortzone in der „Zivilisation“ bestehen müssen. Die Welt außerhalb der Sümpfe ist für Kyas Entwicklung nicht viel mehr als eine Randnotiz, Schauplätze wie Schule und die große Stadt spielen nur insofern eine Rolle, als sich die Protagonistin von ihnen abgrenzt. Die Entwicklung von Kya besteht also vornehmlich darin zu lernen, trotz aller Widerstände ihre Lebensweise zu verteidigen und den Mut aufzubringen, sich nicht anzupassen – oder eben nur insoweit, als es dem Ziel dient, die zu bleiben, die sie ist.

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    Allzu viel Realismus ist bei der Darstellung dieser Entwicklung nicht gegeben: Von der Backstory, wie die kleine Kya von ihrer ganzen Familie allein im Sumpf zurückgelassen wurde, bis zur (von Tate katalysierten) Autorinnen-Karriere riecht hier vieles irgendwie nach Märchen (was ja nicht schlecht sein muss). Auch ist es wohl den Genre-Konventionen geschuldet, dass Kya nicht etwa in Cargohosen und Gummistiefeln durch die Sümpfe streift, sondern in modischer, perfekt sitzender und völlig unpraktischer Kleidung.

    All das stört aber nicht groß weiter, denn Amors Pfeil trifft voll ins Schwarze, was vor allem der bis in die Nebenrollen überzeugenden Besetzung zu verdanken ist: Daisy Edgar-Jones besticht mit entwaffnender Verletzlichkeit, im Duett mit Taylor John Smith („Sharp Objects“) verdoppelt sich das Entzücken. Die Sympathien sind klar verteilt, die Chemie zwischen den Liebenden stimmt und springt ohne Energieverluste auf die Zuschauerränge über – genau so muss es sein.

    An der Seite ihres Anwalts Tom Milton (David Strathairn) muss Kya im Gerichtssaal um ihre Freiheit kämpfen.

    Die Liebesgeschichte drängt sich auch nicht zu sehr in den Vordergrund, sondern wird stimmig abgemischt mit der kriminalistischen Rahmenhandlung, sodass man nicht im Romantik-Genre zu Hause sein muss, um hier gut unterhalten zu werden. Nicht-Romankundige werden bis zum Schluss mit der Frage in Atem gehalten: Wer tötete Chase Andrews (schön widerlich: „Triangle Of Sadness“-Star Harris Dickinson)? Die Antwort, so viel sei verraten, ist eine gelungene Überraschung!

    Schweifende, manchmal nah an der Kitschgrenze gefilmte Aufnahmen der Sümpfe und Strände North Carolinas runden das Ganze vollmundig ab und befriedigen den Eskapismus. Und wo Kinogänger*innen vielleicht gern noch etwas mehr darüber erfahren hätten, wie Kya eigentlich lernt, allein in den Sümpfen zu überleben – da gibt es ja immer noch die Buchvorlage von Delia Owens, die inzwischen übrigens am Schauplatz ihres Romans selbst ein neues abgeschiedenes Habitat gefunden hat.

    Fazit: Liebe und Tod im Südstaaten-Sumpf: Malerische Settings, starke Darsteller*innen und eine gute inszenatorische Balance von Love und Crime machen den „Gesang der Flusskrebse“ auch im Kino zu einem sommerlich-süffigen Erlebnis – für Fans des Bestsellers von Delia Owens und für alle, die es vielleicht werden wollen.

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