„Im Netz der Leidenschaften“ basiert auf James M. Cains „The Postman Always Rings Twice“. Jener Bestseller war auch schon Grundlage für Pierre Chenals „Le Dernier Tourant“, Luchino Viscontis „Besessenheit“, Billy Wilders „Frau ohne Gewissen“ und Bob Rafelsons „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ mit Jack Nicholson und Jessica Lange. Im Fernsehen lief „Im Netz der Leidenschaften“ auch schon unter dem Titel „Die Rechnung ohne den Wirt“. Welcher der genannten Filme nun die beste Interpretation des bekannten Stoffes ist, das sei einmal dahingestellt. Mit „Im Netz der Leidenschaften“ gelang Regisseur Tay Garnett jedenfalls ein ansprechender Vertreter der Schwarzen Serie Hollywoods und ein atmosphärisches Krimi-Drama.
Der umherwandernde Arbeiter Frank Chambers (John Garfield) findet einen Job in der Tankstelle des Ehepaars Smith. Er beginnt eine Affäre mit Cora Smith (Lana Turner), der Ehefrau von Nick Smith (Cecil Kellaway). Als es ernst zwischen ihnen wird, wollen sie weglaufen, doch Cora möchte die Tankstelle mit Imbiss nicht aufgeben. Nach einiger Zeit reift der Plan, Nick zu töten, in ihnen. Doch als es zur Ausführung der Idee kommt, geht einiges schief...
„Mann gesucht“ heißt es auf einer Tafel an der Tankstelle, als Frank dort auftaucht. Eine zynische Pointe in Hinblick auf den weiteren Verlauf der Geschichte. Frank lernt die sinnliche Cora kennen. Ihre Einführung erfolgt in einer bemerkenswerten Art und Weise. Ein Lippenstift rollt vor Franks Füße, während er in der Tankstelle wartet. Die Kamera folgt den Weg zurück, hin zu einem Paar nackter Frauenbeine. Dann der Schnitt auf Franks beeindruckte Miene. Nun erst darf der Betrachter die von Lana Turner dargestellte Cora sehen. Die Kamera hält auf die hübsche Blondine im Bikini zu. Um den (zumindest männlichen Part der) Zuschauer ist es hiermit auch geschehen. Eindrucksvoller kann kaum eine Femme Fatale in einen Film eingeführt werden. Von da an verfällt nicht nur John Garfield alias Frank Chambers der erotischen Ausstrahlung Lana Turners als Cora Smith. Wann immer möglich positioniert die Kamera Lana Turner in bestem Licht. Kein Wunder also, dass sie Coras Part von all ihren Rollen am meisten mochte.
Für die Zeit von 1946 ist „Im Netz der Leidenschaften“ erstaunlich freizügig. Eine Welle der Entrüstung ging durch das Publikum, als festgestellt wurde, dass John Garfield seine Zunge beim Kuss mit Lana Turner zum Einsatz brachte. Andererseits bedeutet das Alter des Films aber auch, dass es zu viele voyeuristische Details nicht gibt. Über anzügliche Blicke und Küsse geht der Film nicht hinaus. Das gereicht „Im Netz der Leidenschaften“ insoweit zum Vorteil, als dass vordergründige, erotische Effekte ausfallen und der Film ganz auf seine interessante Kriminalhandlung und bedrückende Atmosphäre setzt.
Der Noir-Thriller überzeugt als spannender, finsterer Krimi über eine unheilvolle Affäre, taugt aber nur bedingt zum Drama. Die Tragik der verschiedenen Schicksale, das Verhängnis der Dreiecksbeziehung, sie werden nur zaghaft angeschnitten, auch um psychologische Stimmigkeit kümmert sich der Film nicht zu sehr. Mehr haben sich die Drehbuchautoren Harry Ruskin und Niven Busch wie Regisseur Tay Garnett auf eine reizvolle, fintenreiche Krimihandlung konzentriert, bei der die Affäre nur als Aufhänger für ein düsteres Thrillerambiente dient. Gerade, wenn sich „Im Netz der Leidenschaften“ dem Ende hin neigt, überstürzen sich die Ereignisse, schlägt die Geschichte einige Haken und wird die Glaubwürdigkeit des Ganzen ein wenig außen vor gelassen.
Vor allem aber ist „Im Netz der Leidenschaften“ ein beispielhafter Vertreter des Film Noir. Die Off-Kommentare von Frank tragen ganz im Geiste der Schwarzen Serie zur bedrohlichen Stimmung bei. In Bilder gebannt wird die Geschichte von Kameramann Sidney Wagner. Er gehört nicht zu den großen Expressionisten des Film Noir oder weist nennenswerte Werke jener Stilrichtung in seiner Filmographie vor. Nichtsdestotrotz darf „Im Netz der Leidenschaften“ in Sachen Beleuchtung und Einstellungen zu den besseren Vertretern dieser bekannten Darstellungsweise zählen. Unterstützt vom passenden, etwas stereotypischen Soundtrack des George Bassman (Co-Komponist bei „Der Zauberer von Oz“) trägt er erheblich zur dichten Atmosphäre des Films bei. Am meisten aber begründet die Rolle von Lana Turner die Zugehörigkeit zur Schwarzen Serie Hollywoods. Sie ist eine Femme Fatale, wie sie im Buche steht. Sie weiß genau, wie die weiblichen Reize einzusetzen sind. Der Betrachter ist sich oft nicht darüber im Klaren, ob sie Frank wohlmöglich nur benutzt und was nun genau ihre Motive oder Gedanken sind.
Die guten Darstellerleistungen tragen mit zum Gelingen bei. Ein bisschen Theatralik und der Einsatz von bedeutungsschwangeren Blicken müssen in Kauf genommen werden, beeinträchtigen Filmgenuss oder Qualität der Darbietungen aber nicht. Jeder passt perfekt in seiner Rolle. Grandios ist z. B. die Szene, in der Staatsanwalt Sackett (Leon Ames) Frank im Krankenhaus aufsucht und ihm ein fauler Deal aufschwatzt. Da fließen Schauspiel- und Schreibkunst ausgezeichnet ineinander über. Die Dialoge beweisen Klasse und auch wenn der Film nur an der Oberfläche kratzt, von einer gelungenen Drehbuchadaption profitiert er schon.
Es gibt nicht viel auszusetzen an „Im Netz der Leidenschaften“. Der Noir-Thriller gehört zwar nicht zu den unbestrittenen Meisterwerken des Genres, anfangs gibt es ein paar Längen und die Handlung plätschert ein wenig vor sich hin, auch mangelt es an Tiefe, sodass vorhandenes Potenzial zum Drama verschenkt wird. Nach dem ersten Drittel aber nimmt der Thriller an Spannung und Rasanz zu und beschert dem Zuschauer packende Unterhaltung mitsamt einigen Überraschungen. Dem Genrefan ist dieser atmosphärische Film - trotz genannter, aber nicht zu schwer ins Gewicht fallende Schwächen - auf jeden Fall ohne Abstriche zu empfehlen.