„Some things there's no moving on from. And I think that's a good thing.“
Martin McDonagh entwickelt sich langsam zu einem meiner liebsten Regisseure in Hollywood. Und nicht nur das, er schreibt vor allem auch großartige Drehbücher und Theaterstücke, darunter „Der Krüppel von Inishmaan“, bei dem ich selbst vor ein paar Jahren in einer Inszenierung eine Rolle spielen durfte.
Vor allem sind es aber die großartigen Filme von McDonagh, die ich so wertschätze. 2017 brachte er den großartigen „Three Billboards“ in die Kinos, der mich nach wie vor nicht losgelassen hat. 2022 drehte er nun „The Banshees of Inisherin“ mit Colin Farrell und Brendan Gleeson. Mit beiden hatte er bereits 2008 in „Brügge sehen… und sterben?“ zusammengearbeitet und nun 14 Jahre später kreierte er mit ihnen einen der besten Filme des Jahres. Bei den Oscars konnte der Film zwar neun ganze Nominierungen verbuchen (darunter auch bester Film und vier Nominierungen für vier Darsteller des Films), doch „Everything Everywhere All at Once“ sahnte bei den Oscars 2023 ja fast alle großen Trophäen ab. Es war aber auch eine harte Konkurrenz, immerhin kam 2022 auch „Tár“ heraus. Doch komme wir zu McDonaghs „The Banshees of Inisherin“, einem Drama mit schwarzem Humor und so viel Charme!
Die Geschichte spielt in Irland im Jahre 1923: Auf der einsamen Insel Inisherin will der gemütliche Pádraic wie immer seinen besten Freund Colm abholen, um mit ihm im Pub etwas zu trinken. Doch der spricht plötzlich nicht mehr mit ihm und lässt seinen Freund links liegen. Als Pádraic Colm zur Rede stellt, ändert sich plötzlich das Leben auf der ruhigen Insel und ein Skandal jagt den nächsten…
Das klingt alles sehr plump, aber „The Banshees of Inisherin“ ist alles andere als plump. McDonagh ist ein Meister darin seine Figuren echt und authentisch wirken zu lassen, besonders mit seinen grandiosen Dialogen. Wie kein anderer schafft er es Figuren zu schaffen, die wie aus dem Leben gegriffen sind. Und besonders großartig ist McDonaghs Talent „einfache“ Leute zu schreiben. Das sieht man in seinen Stücken und auch in „Three Billboards“. Der Fokus liegt gerade auf den Charakteren, die im Geist und Kopf sehr naiv unterwegs sind, die Menschen, die sich in Vorstädten und Dörfern die Mäuler über alles und jeden zerreißen. Das Leben des Nachbars ist wichtger als das eigene und wehe einer tanzt aus der Reihe. Wir alle kennen diese Menschen. Und so einfach es ist sich über eben genau diese Figuren lustig zu machen, so schön ist es zu sehen, wie ehrlich und aufrichtig er eben diese Figuren zeichnet. Die Hauptfigur Pádraic ist ein Paradebeispiel dafür. Er will die Trennung zu seinem Freund nicht wahrhaben und zieht dumme Schlüsse. Dennoch ist sein Verhalten nicht nur nachvollziehbar, sondern auch herzergreifend. In anderen Filmen wäre er eine unwichtige Nebenfigur, hier gibt uns McDonagh Einblicke in genau diesen Charakter.
Es sind aber auch die anderen Figuren, die spannend sind. Da wäre natürlich Comb und seine plötzliche Entscheidung mit Padraic zu brechen. Er nennt seine Gründe und diese sind nachvollziehbar. Dennoch geht er immer wieder ins Extrem und immer wieder konnte ich nicht fassen, wie weit er bereit war zu gehen. Schon lange hat mich ein Film nicht mehr so in seinen Bann gezogen. Auch die Nebenfiguren sind allesamt dreidimensionale Charaktere, besonders die Schwester von Pádraic (Siobhán) und der kleine, dümmliche Dominic. McDonagh behandelt all seine Figuren mit Liebe und Ehrlichkeit, selbst diese, die eher als klare Antagonisten gewertet werden könnten. Und das hat mich berührt. Der Film beginnt mit einem sehr humorvollen Ton, wechselt aber immer wieder in sehr dramatische und teils tragische Richtungen. Und das alles mit einer recht simplen Thematik, das ist wirklich beeindruckend!
Trotzdem bietet McDonaghs Werk immer wieder viele spannende Ebenen, die mal einfacher, mal schwieriger zu greifen sind. Gerade das Auftreten der alten Dame im Film lässt einiges an Spielraum und Interpretationen zum Film offen, was ich sehr schätze.
Was ich besonders schätze, sind die fantastischen Schauspieler. Was für ein grandioser Cast! Colin Farrell spielt hier eine seiner besten Rollen, wie ich finde. Die Art wie er diesen „einfachen“ Mann darstellt, der sein Dasein in diesem wunderschönen, aber verlorenen Dorf fristet, ist so glaubhaft, dass ich irgendwann vergaß, dass er ein Schauspieler ist. Besonders seine aufrichtige Liebe zu seiner Schwester und seinen Tieren (besonders der Esel Jenny) hat mich gerührt. Brendan Gleeson ist ebenso fantastisch, wie auch Kerry Condon und besonders Barry Keoghan als Doiminic. Kein Wunder, dass all diese vier Darsteller eine Nominierung erhielten. Ein wundervoller Cast!
Als messerscharfer Kontrast zur rauen und harten Umgangsweise der Figuren, fängt Kameramann Ben Davis die Schönheit der Küste Irlands ein. Ein wahrlich wunderschöner Film, mit tollem Schnitt von Mikkel E. G. Nielsen und einem tollen Score von Carter Burwell.
Es ist zwar schade, dass Colin Farrells Stammstimme (Florian Halm) ihn hier nicht sprach, aber Alexander Doering (er spricht unter anderem Henry Cavill und Ocar Isaac) macht den Job ebenfalls super. Freue mich aber auch den Film im Original zu sehen.
Fazit: „The Banshees of Inisherin“ ist einer meiner Liebelingsfilme von 2022. Ein großartiger, berührender und auch witziger Film, der viele Facetten eindrucksvoll in einer einfachen Geschichte präsentiert. Hinzu kommen wundervolle Darsteller und umwerfende Bilder. Fantastisch!