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    Hidden Away
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hidden Away

    Die tragische Geschichte von Antonio Ligabue

    Von Michael Meyns

    Das Kino liebt seine Außenseiter, seine Exzentriker, Menschen, die irgendwie anders sind, seltsam, die jenseits der Normen existieren. Wenn diese Außenseiter dann durch eine besondere Fähigkeit ihr Anderssein transzendieren, wird das gerne als heroischer Sieg gegen widrige Umstände inszeniert. Nicht so jedoch von Giorgio Diritti in seinem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Hidden Away“. Es ist das Portrait von Antonio Ligabue, einem in der Schweiz geborenen Italiener, der wegen seines seltsamen Äußeren, seiner Verhaltensauffälligkeiten, die ihn unter anderem hypersensibel für Geräusche machten, Zeit seines Lebens gehänselt wurde. Der aber auch ein talentierter Künstler war, dessen später Erfolg ihn aber dennoch nicht aus der Tragik seiner Existenz erlösen konnte.

    Ende 1899 wird Antonio Ligabue als Sohn einer italienischen Mutter in Zürich geboren. Während er in Pflegefamilien aufwächst, zeigt er schon früh psychische Abnormalitäten, die – auch wegen der ständigen Quälereien - zu schweren Verhaltensauffäligkeiten führen. Mit 20 wird Antonio (nun Elio Germano) schließlich aus der Schweiz in das ihm völlig unbekannte Italien ausgewiesen, wo er sich weiter herumtreibt, von Almosen lebt, bis er schließlich im Maler Marino Mazzacurati (Pietro Traldi) einen Freund findet. Dieser gibt ihm Obdach, aber auch Stift und Pinsel, mit denen Ligabue bemerkenswerte Gemälde erschafft, die ihn im Laufe der Zeit zu einer kleinen Berühmtheit werden lassen. Doch auch Erfolg und Geld helfen nicht dabei, die Dämonen aus der Vergangenheit und im eigenen Kopf zum Schweigen zu bringen…

    Mit seinen Tierbildern und Selbstporträts wird Antonio Ligabue weltberühmt.

    Man kann sich leicht vorstellen, was Hollywood aus diesem Stoff gemacht hätte: Die Geschichte eines psychisch kranken Menschen, ein Waise, ein Außenseiter, der Abseits der Gesellschaft existiert, aber ein erstaunliches künstlerisches Talent besitzt. Der Erfolg, den Ligabue speziell in den 50er Jahren erfuhr, Ausstellungen in Rom, Geld, durch das er seiner Leidenschaft für Motorräder frönen konnte, wäre der Höhepunkt eines aufbauenden, ein wenig rührseligen Biopics gewesen. Nicht so bei Giorgio Diritti, der das Schicksal Ligabues auf geradezu penetrant genaue und dabei ungeschönte Weise nachzeichnet. Betont distanziert ist dabei die Inszenierung, nur zu Beginn arbeitet Diritti mit extremen Unschärfen, setzt Fischauge-Linsen ein, die die Bilder verzerren und grotesk erscheinen lassen.

    Erst wenn Ligabue in Italien gelandet ist, das Malen für sich entdeckt hat, beruhigen sich die Bilder langsam, statische Einstellungen ersetzen die Handkamera. Kaum mehr als 30 Minuten ist „Hidden Away“ da alt – doch die Befürchtung, dass sich die Handlung fortan nur noch in konventionellen Bahnen bewegen könnte, erfüllt sich zum Glück nicht. Stattdessen arbeitet sich Diritti penibel an den Stationen von Ligabues Leben ab, zeigt, wie er zum erfolgreichen Künstler wird – einer, über den in Magazinen berichtet wird, der eine Ausstellung in Rom hat, über den Filme gedreht werden. Einer davon, die kurze Dokumentation „Der Spiegel, der Tiger und die Ebene“ von Raffaele Andreassi lief 1961 sogar bei der Berlinale. Doch all der Erfolg, auch der finanzielle Wohlstand, ändern nichts an Ligabues Wesen, an seiner Überzeugung, dass die Menschen ihm Böses wollen.

    Das Böse lässt sich nicht vertreiben

    Immer wieder schlägt er sich den Kopf blutig, damit, wie er es formuliert, mit dem Blut das Böse entweichen kann. Doch das Böse will nicht vergehen, die allermeisten Menschen bleiben ihm fremd. Wurde er früher einfach so gehänselt und wegen seines Äußeren und seiner Eigenart verspottet, ist es nun sein Geld, dass die Menschen anzieht. Etwas besser wird er behandelt, doch wenn Kunsthändler aus Rom ihm für regelmäßige Gemäldelieferungen ein tägliches Essen im Restaurant bezahlen, dann muss Ligabue in einem Nebenraum essen, allein, wie immer.

    Anfangs setzte Diritti noch markante filmische Mittel ein, um Ligabues Wahrnehmung anzudeuten, später hält er sich komplett zurück, verzichtet vollständig darauf, das Leid Ligabues mit sentimentaler Musik oder suggestiven Schnitten zu betonen. Stattdessen ist es das Spiel des Hauptdarstellers Elio Germano, das die Tragik Ligabues vermittelt. Schwer auszuhalten ist es bisweilen, wie Germano die vergeblichen Versuche Ligabues andeutet, ein normales Leben zu führen, sich den ganz wenigen Personen, die ihn ehrlich mögen, anzunähern. Am Ende kann nicht die Kunst diese tragische Gestalt erlösen, sondern einzig der Tod.

    Fazit: Kein gewöhnliches Biopic hat Giorgio Diritti mit „Hidden Away“ gedreht, sondern eine von einem außerordentlichen Hauptdarsteller getragene Tragödie, die seinem Helden keinen Ausweg gönnt.

    Wir haben „Hidden Away“ im Rahmen der Berlinale gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.

     

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