Die hilfreichsten KritikenNeueste KritikenUser mit den meisten KritikenUser mit den meisten Followern
Filtern nach:
Alle
Thomas Z.
115 Follower
537 Kritiken
User folgen
4,5
Veröffentlicht am 14. Mai 2017
Wo soll man da anfangen? Ich versuche es mit "Respekt". Zum einen. Respekt gegenüber der fragmentarischen Romanvorlage von Franz Kafka, sicher eine DER literarischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts; zum anderen. Respekt gegenüber der Arbeit von Orson Welles, der diesen Film für seinen besten hielt. Welles gelingt es, durch Kameraführung und Lichttechnik eine surrealistische Optik zu kreieren, die die klaustrophobische Beklemmung der Romanvorlage eindrucksvoll zum Zuschauer transportiert. Anthony Perkins, meines Erachtens die Idealbesetzung für Josef K., arbeitet die innere Zerrissenheit des Hauptprotagonisten nuanciert heraus. Das Schuldprinzip und die deterministische Ausweglosigkeit, die sich durch Kafkas Gesamtwerk ziehen, werden in brutalen Kontrasten vor Augen geführt. Einen Punktabzug für die erheblichen inhaltlichen Abweichungen von der Romanvorlage, die ich in diesem Fall (ausnahmsweise) für unangebracht halte.
Vorab die Information, dass ich Kafkas "Der Prozess" bislang noch nicht gelesen habe. Ich habe vorher gehört, dass man, wenn man den Film als Verfilmung eines Werkes bewertet, wenn man also mit dem Buch vertraut ist, den Film negativer bewertet. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, denn an einigen Stellen unterscheidet sich der Film von der Vorlage sehr wohl.
Trotzdem: Als Film überzeugt mich "Der Prozess". Besonders hervorheben möchte ich das Spiel von Anthony Perkins, die Kulissen, die aus meiner Sicht die gesamte Handlung wie einen Traum erscheinen lassen sowie die Kameraarbeit von Edmond Richard.
Orson Welles gelang eine in allen Punkten würdige Umsetzung des Kafka-Romans, der in manchen Punkten leicht variiert wurde, dem der Regisseur im Gesamten aber sehr treu blieb. Die expressionistische, überspitzte Noir-Kameraarbeit und die alptraumhaften Kulissen passen perfekt zur Story des zwischen Hochhäusern und Absteigen umherirrenden Protagonisten. Stilsicher und atmosphärisch entwirft der Film einerseits eine krasse Kafka-Dystopie und behält als eigenes Filmwerk durch die kreative Umsetzung Charakter. Die Szenen sind nicht alle im selben Maß präzise ausgetüftelt, aber Kafka-Freunde werden irhe Freude haben.
Orsen Welles ist einer der genialsten Regisseure. Doch dieser Film zählt ledier nicht zu seinen vielen Meisterwerken. Der Proceß ist ein schwieriger Roman, die Handlung ist hier teilweise abgeändert was insoweit noch normal ist für Roman Adaptionen, schauspielerisch sicher sehr gut gespielt der Josef K. Aber die Handlung wird viel zu schnell und hektisch abgehalten, beispielsweise im Untersuchungsraum. Speziell K ist etwas anders dargestellt als im Roman, sehr arrogant, zwar ängstlich, nimmt nichts ernst, aber auch irgendwie machtbesessen , sodass er am Ende durchdreht und die beiden Wächter beleidigt, und dies ist für mich das ärgerlichste und am wenigsten nachvollziehbare warum die beiden statt ihn wie im Buch zu erstechen eine Bombe werfen. Das als Symbol für den Weltkrieg zu sehen wie ich es einmal gehört habe, ist zu weit hergeholt, das zerstört etwas die Aura dieses Films. Jedoch wirken zumindest die meisten Szenen durchaus solide inszeniert, aber das Flair des Buches kann der Film bei weitem nicht erreichen. Einfach nur ein Durchschnittsfilm.