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    Was Wir Wollten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Was Wir Wollten

    Wegen Elyas M’Barek einschalten, wegen der Geschichte dranbleiben

    Von Björn Becher

    Dass „Was wir wollten“ nun fast überall auf der Welt direkt bei Netflix landet, ist wie bei so vielen Filmen in diesem Jahr der Corona-Pandemie geschuldet. Ursprünglich war ein Kinostart nämlich nicht nur für Österreich, wo der Film immer noch auf der großen Leinwand zu sehen sein wird, sondern auch in Deutschland geplant. Aber zumindest für die Reichweite dürfte das neue Zuhause ein Glücksfall sein:

    Denn so werden sicherlich viel mehr Menschen, selbst wenn sie es normalerweise nicht so sehr mit Arthouse-Beziehungskisten haben, einen Blick auf das Regiedebüt der Editorin Ulrike Kofler („Der Boden unter den Füßen“) wagen – und sei es nur, weil sie die Präsenz von „Fack Ju Göhte“-Superstar Elyas M’Barek auf ihrer Netflix-Übersichtsseite anlockt. Diese Extra-Aufmerksamkeit hat der diesjährige österreichische Oscar-Beitrag trotz Schwächen durchaus verdient…

    Elyas M'Barek trägt in "Was wir wollten" Schnauzbart.

    Erneut bleibt der Kinderwunsch von Alice (Lavinia Wilson) und Niklas (Elyas M’Barek) unerfüllt. Auch im vierten Anlauf hat eine künstliche Befruchtung nicht geklappt. Das Dauerthema hat das Paar nicht nur emotional, sondern längst auch finanziell an seine Grenzen gebracht – zumal sie sich nebenher auch noch den Traum vom Eigenheim verwirklicht haben.

    Obwohl das verbliebene Geld eigentlich nicht dafür reicht, gönnen sie sich zum Abschalten einen Urlaub auf Sardinien. Aber auch dort kochen die unausgesprochenen Konflikte schnell wieder hoch – und dann wohnt im Bungalow nebenan mit dem Tiroler Ehepaar Romed (Lukas Spisser) und Christl (Anna Unterberger) sowie ihren Kindern Denise (Iva Höpperger) und David (Fedor Teyml) zudem auch noch eine scheinbar perfekte Familie…

    Die Kommunikation ist längst gescheitert

    Ganz nah ist „Was wir wollten“ an Alice und Niklas – vor allem dann, wenn Ulrike Kofler Bilder statt Worte sprechen lässt. Schließlich schafft es auch das Paar selbst nicht, richtig miteinander zu reden. Immer wieder verlaufen Anfänge einer Unterhaltung im Sand - und so sind es meist die Gesten, die das Wesentliche erzählen. Da bahnt sich etwa ein romantischer Moment an, als er sie nach einem Sonnentag eincremt. Während er die Sonnenmilch auf ihren Brüsten verreibt, fängt er an, ihren Bauch mit Küssen zu liebkosen. Sie rutscht nach oben, bis sein Kopf zwischen ihren Beinen ist. Die Aufforderung scheint eindeutig, doch er steht auf und verlässt das Schlafzimmer…

    Immer wieder zeigen solche Momente den offenen Bruch in der Beziehung. Dass wir als Publikum mitfühlen und der Beziehungsstress nicht dröge wirkt, liegt vor allem am glänzend aufgelegten Schauspielerduo in den Hauptrollen: Lavinia Wilson („Schoßgebete“) und Elyas M’Barek („Der Fall Collini“) tragen diesen Film, gerade weil sie so viel mit Bewegungen und Blicken erzählen. Immer wieder unterstützt die Kamera ihr Spiel, indem die beiden Stars so im Bildausschnitt positioniert werden, dass man meint, allein aus ihren Blicken und den sich eröffnenden Panoramen ihre Gedanken hören zu können.

    Niklas und Alice denken viel nach...

    „Was wir wollten“ ist dagegen meist schwächer, wenn doch einmal mehr geredet wird. Mindestens einmal zu oft sagt Christl in ihrem breiten Tiroler Akzent, dass Alice und Niklas froh sein sollen, dass sie keine Kinder haben, weil sie selbst von ihren eigenen so genervt ist. Die Gegenüberstellung eines Paares, das keine Kinder haben kann, aber unbedingt welche will, und eines Paares, das Sohn und Tochter hat, aber ersten sogar in seiner Anwesenheit als Unfall bezeichnet, wirkt bisweilen ein wenig platt.

    Schon besser (weil subtiler) ist der Vergleich der Beziehungen selbst, denn so sehr sich Romed als cooler Sonnyboy und Christl als verführerische Lebefrau geben, so richtig glücklich scheinen sie nicht miteinander zu sein. Es sind rare Momente, wenn sie mal gemeinsam im Bild zu sehen sind. Als Romed einmal mit Niklas ein Bier trinkt, während Frau und Tochter im Bildhintergrund vom Strand zurückkehren, scheint er sich fast zu verstecken, um weiter seine Ruhe zu haben. Schließlich hat er gerade auch von seinem Man-Cave geschwärmt, in der er zu Hause genau das hat: Ruhe vor der Familie.

    Eindeutig zu wenig zweideutig

    Etwas zu offensichtlich ist die (natürlich nur scheinbar perfekte) Familie nebenan aber vor allem Mittel zum Zweck für die Entwicklung der beiden Hauptfiguren – bis hin zu einem dramatischen Schlussakt, der ein wenig zu deutlich darauf abzielt, den beiden Hauptfiguren einen neuen Blick auf ihr am Ende doch gar nicht so schlechtes Leben zu geben. Aber auch wenn „Was wir wollten“ in einzelnen Momenten dann vielleicht ein wenig zu unzweideutig wird, ist die Verfilmung der Kurzgeschichte „Der Lauf der Dinge“ von Peter Stamm sehenswert – allein schon wegen Lavinia Wilson und Elyas M’Barek.

    Fazit: Ein sehenswertes Beziehungsdrama mit einem glänzenden Hauptdarstellerduo.

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