Otto und das Duell der Instagram-Filter
Von Jochen WernerOtto Waalkes ist ein echtes Phänomen! Seit fast einem halben Jahrhundert ist er auf den Bühnen und Fernsehschirmen nun schon präsent - und seine klassischen Routinen scheinen dabei selbst nach unendlichen Wiederholungen nie an Wirkung zu verlieren, sondern bringen immer wieder neue Generationen zum Lachen, während selbst gemeinsam mit Otto alt gewordenen Fans ihrer niemals überdrüssig werden. Gleich mit seinem Leinwanddebüt „Otto – Der Film“ gelang dem Komiker 1985 der bis dahin erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten. Es folgten bis zur Jahrtausendwende noch vier qualitativ immer zweifelhaftere Sequels, wobei „Otto – Der Katastrofenfilm“ dem Publikum allerdings schon wie ein etwas verzweifelter Versuch erschien, noch einmal an alte Erfolge anzuknüpfen.
Nach diesem unschönen Schlusspunkt für Ottos Kino-Solokarriere dauerte es allerdings nur wenige Jahre bis zum ersten großen Leinwandcomeback im Jahr 2004, diesmal als Kopf eines Komikerensembles, in dem wirklich jedes halbwegs prominente Gesicht der deutschen TV-Comedy zumindest einen Gastauftritt absolvieren durfte: „7 Zwerge – Männer allein im Wald“ hieß das Ergebnis, das zwar nicht sonderlich lustig war, aber trotzdem fast sieben Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Eine weitere Erfolgsformel war entdeckt – und mit dem Sequel „7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug“ (2006) sowie dem animierten Spin-off mit der rätselhaften Titelschreibweise „Der 7bte Zwerg“ (2014) wurde die Kuh weiter gemolken.
"Catweazle" ist der erste Kinofilm, in dem Otto Waalkes mal nicht einfach (nur) Otto spielt.
Seither sind nun einige Jahre ins Land gezogen, in denen Otto zwar in den Kinderfilmen seines Stammregisseurs Sven Unterwaldt in kleineren Rollen etwa als Schulgeist in „Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“ zu sehen war, jedoch nicht mehr als Headliner eines Kinofilms auftrat. Aber das ändert sich jetzt: Schon seit Monaten wird die Familien-Fantasy-Komödie „Catweazle“ überall mit dem Slogan „Läuft, wenn’s wieder läuft“ als erster großer Kinostart nach dem Corona-Lockdown angekündigt. Kann der inzwischen 72-jährige Otto also noch mal ein vergleichbares Kunststück wie 1985 und 2004 vollbringen und die postpandemische Kino-Ära mit einem Knall kickstarten? Dass die kontemporäre Kinoadaption der britischen TV-Kultserie von 1970 nicht sonderlich lustig geraten ist, muss ja erst mal nichts heißen, das hat ja bei den „7 Zwergen“ auch nicht weiter geschadet.
Dabei ist zuerst einmal erfreulich, dass sich Otto Waalkes als titelgebender Zauberer aus dem 11. Jahrhundert, den es per Zufall und Magie in die Gegenwart verschlägt, im Gegensatz zu eigentlich all seinen früheren Kinoauftritten auf wohltuende Weise zurücknimmt. Bisher galt eigentlich stets: Wo Otto draufsteht, ist auch zu 100 Prozent Otto drin – inklusive all der Kalauer und Routinen, nach denen das Publikum zwar immer wieder aufs Neue verlangt, die aber, wenn man einmal ehrlich ist, spätestens in den Neunzigern schon einen zunehmend langen Bart hatten. Otto war eben immer seine eigene Marke und wenig anderes, was auch seine Synchronarbeit für die „Ice Age“-Filme prägte – in den deutschen Sprachfassungen erwiesen sich alle fünf Teile nicht zuletzt immer auch als neue Episode der seit Jahrzehnten laufenden Otto-Show. „Catweazle“ ist nun, obgleich das Plakat anderes verspricht, bedeutend weniger auf Ottos Bühnen-Persona zugeschnitten. Gelungen ist er aber leider trotzdem nicht.
Denn leider fällt Sven Unterwaldt, der von kleineren positiven Überraschungen wie dem erstaunlich liebevollen Atze-Schröder-Kinofilm „U-900“ abgesehen, Kinoklamauk in Massenfabrikation abliefert, nicht viel Neues oder gar Originelles ein, was man denn nun mit diesem neuen, sich selbst deutlich mehr zurücknehmenden Otto alles auf der Leinwand anfangen könnte. Stattdessen inszeniert er „Catweazle“ als völlig überraschungsfreien Kinderfilm nach Schema F. Den jungen Sidekick mimt der durchaus begabte Julius Weckauf, der als junger Hape Kerkeling in „Der Junge muss an die frische Luft“ beträchtliches Talent bewies. Hier gibt es aber auch für ihn wenig mehr zu tun, als ohne viel Esprit eine Reihe von generischen Standardsituationen abzuhaken. Als Halbwaise Benny Lenz lebt er nach dem Tod der Mutter allein mit seinem knurrigen Vater Robert (Henning Baum) in einem Tierpark, was ihn aus irgendwelchen Gründen nicht zum coolsten Kid in der Klasse, sondern zum auch von seinem heimlichen Schwarm Lisa (Gloria Terzic) bespotteten Außenseiter macht.
Bei der Suche nach einer ausgerissenen Ziege findet Benny Anawandur, den Zauberstab des just in der Zukunft gelandeten Catweazle. Allerdings fällt der Druidenstab schon bald in die Hände der raffgierigen Kunsthändlerin Katharina Metzler (Katja Riemann), die sich angesichts der antiken Reliquie ein lukratives Geschäft verspricht und hierfür zu allen Schandtaten bereit ist. Nach einigen mal mehr, meist minder lustigen Irrungen tun sich Benny und Lisa zusammen, um Catweazle dabei zu helfen, Anawandur zurückzubekommen und so in seine eigene Zeit zurückzukehren. Zugleich schreibt der Zauberer die gesamte Stadtgeschichte um, während er auch noch einen historischen Großbrand verhindert und sich dabei keinen Deut um all die universumsbedrohenden Zeitreiseparadoxa schert, die wir damals alle von Doc Brown in „Zurück in die Zukunft“ gelernt haben…
Katja Riemann hat sichtlich Spaß am Bösesein!
Auch visuell erfüllt „Catweazle“ auf fast schon manische Art etablierte Schemata. Am deutlichsten fällt das in Katja Riemanns ersten Szenen ins Auge, wenn wir der skrupellosen Geschäftsfrau in ihrem natürlichen Habitat begegnen. Cremeweiß-applefarben ist da das ganze Ambiente in diesem inneren Zirkel des Kapitalismus, ganz im Gegensatz zu den warmen Erdtönen des heimischen Tierparks der Lenzens. Zumindest optisch ist „Catweazle“ im Grunde der uralte Konflikt zwischen zwei Instagram-Filtern, den Sven Unterwaldt hier verfilmt hat.
Über weite Strecken plätschert „Catweazle“ ziemlich überraschungs- und höhepunktarm vor sich hin. Das Vater-Sohn-Verhältnis, das noch am meisten Potenzial für eine gewisse dramatische Vertiefung aufweist, löst sich am Ende in Harmonie und Wohlgefallen auf, und Katja Riemann macht die Schurkinnenrolle zwar sichtlich Vergnügen, aber auch sie bekommt einfach zu wenig verwertbares Material an die Hand, um eine auch für die Zuschauer*innen vergnügliche Performance daraus zu kreieren.
Otto selbst lässt zwar erfreulicherweise die meisten allzu abgehangenen Sketchroutinen weg, hat aber auch nicht allzu viel anderes zu bieten, um die so entstehende Leere zu füllen. Zu lachen gibt es nicht viel, einen echten Spannungsbogen gibt es ebensowenig wie Figuren, für die man sich über ihre bloße Funktion, den Plot von A nach B zu bringen, hinaus interessieren könnte. Was Waalkes und Unterwaldt hier bieten, ist schlichtweg in jeder Hinsicht zu wenig. So läuft's nicht, auch wenn's jetzt wieder läuft…
Fazit: Ist man anfangs noch erleichtert, dass sich Otto seine (zu) oft gesehenen Blödelroutinen diesmal weitestgehend verkneift, stellt sich angesichts eines weitgehend ohne Höhepunkte und Ideen vor sich hinplätschernden Standard-Kinderfilms schon bald Ernüchterung ein. Weder der neugierige Nachwuchs noch nostalgische Eltern, die damals jeder neuen Folge der Kultserie entgegengefiebert haben, werden hier sonderlich viel Unterhaltsames entdecken.