Eines der vielleicht ehrlichsten Feelgood-Movies seit Anbruch des Millennium brachte Cameron Crowe („Vanilla Sky“, Singles) 2001 mit „Almost Famous“ in die Kinos. Weniger als reinrassiger Musikstreifen denn als warmherziges und authentisches Coming-of-Age-Drama intendiert, entführt uns der Film nicht nur auf eine nostalgische Zeitreise in die wilden Siebziger, wo die Musik noch handgemacht und MTV in weiter Ferne war, sondern erzählt auch auf einfühlsame Weise vom Traum vieler Teenager, ihre Idole einmal hautnah erleben zu dürfen.
Ein solcher Teenager ist William Miller (Patrick Fugit), der mit seinen gerade mal 15 Jahren geistig schon viel reifer ist als seine Altersgenossen und in seiner Freizeit Artikel für den angesehenen Musikjournalisten Lester Bangs (Philip Seymour Hoffman) schreibt. Als das ehrwürdige Rolling Stone-Magazin auf Williams Talent aufmerksam wird, beauftragt es den Rock`n`Roll-begeisterten Jungen, die aufstrebende Newcomer-Band „Stillwater“ auf ihrer Konzerttournee zu begleiten, um Interviews mit den Mitgliedern (u.a. Jason Lee) durchzuführen und die gesammelten Eindrücke später in einer intimen Reportage zusammenzutragen. Zwar ist die strenge und überaus besorgte Mutter des Knaben, Elaine (Frances McDormand), alles andere als „amused“ über das Angebot, zumal sie Bedenken hat, ihr Sohn könne in die falschen Hände geraten und zu unmoralischen Dingen wie z. B. dem Konsum von Haschisch verführt werden. Schlussendlich hat sie aber keine andere Wahl, als den Jungen in die weite Welt hinausziehen zu lassen. Auf seinem abenteuerlichen Streifzug durch die aufregende Welt von Sex, Drugs & Rock`n`Roll knüpft William nicht nur Kontakte zu vielen Stars und Möchtegern-Stars, er verliebt sich auch heimlich in das bezaubernde Edelgroupie Penny Lane (Kate Hudson, Wie werde ich ihn los - in 10 Tagen), das seinerseits für den verheirateten „Stillwater“-Leadgitarristen Russell Hammond (Billy Crudup) schwärmt. Unterdessen neigt sich die Ära des Rock`n`Roll langsam aber sicher ihrem Ende zu…
„Almost Famous“ ist Cameron Crowes am meisten autobiografisches Werk. Der Regisseur rekapituliert hier im Groben seine eigenen Erfahrungen als rasender Jungreporter, als er mit gestandenen Größen des Rock- und Popbusiness wie Led Zeppelin, den Eagles, Bob Dylan oder auch der Allman Brothers Band für journalistische Zwecke im Tourbus umherkurvte. Durch die Augen von Crowes 15-jährigen alter ego William sieht, fühlt der Zuschauer jene letzten Tage der Post- „Love & Peace“-Ära, die die sexuelle Revolution und die Proteste gegen Vietnam & Co. schon längst hinter sich gelassen hat und sich gerade noch im „Todesröcheln“ befindet, wie Lester Bangs es auszudrücken pflegt. Und auch wenn die rührende Liebesgeschichte zwischen William und Penny Lane (der Name ist einem „Beatles“-Song entliehen) und einige andere Plotpunkte teilweise durchaus märchenhafter Natur sind, ist „Almost Famous“ kein fern der Realität angelegter Film. Der fast schon verbissene Wunsch nach Authentizität, der in Crowes Liebeserklärung an die gute alte Rockmusik und die Zeit, in der sie florierte, steckt, spiegelt sich in den detailgetreuen Settings, den Kostümen, aber auch in dem wirklich umwerfenden Soundtrack wider. Die Songs – von Elton Johns Tiny Dancer über Stairway to heaven bis hin zu Skynyrds Simple Man – sind nicht nur hervorragend ausgesucht, sie ergänzen sich auch optimal mit der Handlung des Films. Die Band „Stillwater“ ist übrigens fiktiv, deren Sound eine Kreation von keinem geringeren als Rock-Guru Peter Frampton.
Großartig auch das Schauspielerensemble, angeführt vom erstaunlich talentierten Youngster Patrick Fugit. Sein William Miller ist ein Außenseiter, wie er im Buche steht, den man von der ersten Sekunde an lieb gewonnen hat. Der pubertierende Hochbegabte hat gleich mehrere Klassen übersprungen und wird von seiner Mutter noch immer behandelt wie ein Kind. Seinen Auftrag, die Tour dokumentarisch festzuhalten, erledigt er gewissenhaft – so gewissenhaft, dass er sich mit Notizzetteln in der Badewanne des Hotels vergräbt, während sich ein paar Groupies (Pardon: Band-Aides!) über ihn hermachen wollen. Und auch wenn Penny Lane ihm an einer Stelle des Films sagt, er sei „zu lieb für den Rock`n`Roll“, sind die Redakteure des Rolling Stone sehr angetan von Williams Berichterstattung, so dass die betreffende Band „Stillwater“ trotz interner Streitigkeiten am Schluss gar auf der Titelseite des Magazins landet. Dem scheuen William, der mit großen, staunenden Augen dem chaotischen Rock`n`Roll-Mikrokosmos folgt, gegenüber steht Russell Hammond, der „geheimnisvolle Gitarrist“, der das Rampenlicht sucht und vom Ruhm zehrt. Billy Crudup verleiht diesem Charakter ungeachtet seines Größenwahns und Egoismus zutiefst menschliche Züge.
Buchstäblich zwischen diesen beiden Figuren steht Penny Lane, die sich am liebsten in der Nähe von Berühmtheiten herumtreibt, weil sie sich dadurch privilegiert fühlt. In Wirklichkeit wird sie aber nur ausgenutzt und es bedarf erst eines vermeintlich unerfahrenen und weltfremden Dreikäsehochs wie William, um ihr die Augen zu öffnen. Der Golden Globe, den Kate Hudson für ihre Rolle erhielt, war nur die logische Konsequenz angesichts der wahrhaft unwiderstehlichen und zuckersüßen Performance, die die hübsche Tochter von Goldie Hawn hier hinlegte. Respekt verdient auch Frances McDormand, die einige der lustigsten Momente des Films auf ihre Seite zieht und deren Kontrollzwänge im Verlauf des Films sogar liebenswürdig sind: schließlich hat die alleinerziehende Mutter Elaine bereits den „Verlust“ der flügge gewordenen Tochter Anita (klasse: Zooey Deschanel) zu verarbeiten, die ihrem kleinen Bruder William zum Abschied noch ihre gesamte Schallplattensammlung vermacht hat. Komplettiert wird das Feld von Ausnahme-Mime Philip Seymour Hoffman, dessen Lebensweisheiten nicht nur in den Ohren seines „Schülers“ William nachklingen dürften…
„The only true currency in this bankrupt world… is what you share with someone else when you`re uncool!” (Lester Bangs zu William Miller)
Klischees? Fehlanzeige! Kitsch? Ach was… Cameron Crowes bittersüßes, funkelndes Filmjuwel über einen Jungen, der auf dem Wege zur Erfüllung seines ganz persönlichen Traums zu sich selbst findet und „erwachsen wird“, ist genauso ehrlich und bodenständig wie sein Held an sich, der in einer nach außen hin beschönigten Gesellschaft, die sich mit aufgesetzter Coolness tarnt, als einziger auf dem Teppich bleibt und die wahren Tugenden zu schätzen lernt. Das wunderbar versöhnliche Ende, das nichts mit abgegriffenen Hollywood-Sentimentalitäten zu tun hat (wenn der Film auch manchmal leicht in diese Richtung tendiert), rundet den gelungenen Film großartig ab, auch wenn es an dieser Stelle freilich nicht verraten werden soll. „Almost Famous“ ist Kino-Unterhaltung auf hohem Niveau, wie man sie sich nur wünschen kann – und dazu eine inbrünstige Hommage an das Feeling und die Musik der „Golden Seventies“, die durch diesen Film unsterblich werden: Rock`n`Roll never dies!