Ein (gutes) Wortspiel macht noch lange keinen guten Film
Von Karin JirsakJa, es existieren schon so eine ganze Reihe filmischer Adaptionen von Jules Vernes 1873 erschienenem Abenteuerklassiker. Auch die Idee, die Geschichte mit anthropomorphen Tieren zu erzählen, hat eine japanische Anime-Serie bereits 1981 mit einem Löwen als Protagonisten verwirklicht. Auf den naheliegenden (?) Gedanken, den Gentleman-Abenteurer „Phileas Fogg“ einfach in „Phileas Frog“ umzutaufen und ihm folgerichtig die Gestalt eines Frosches zu verpassen, ist bis dato aber noch niemand gekommen. Das holt die französische Kino-Produktion „In 80 Tagen um die Welt“ nun nach. Dabei wird die ursprüngliche Geschichte im Animations-Abenteuer von Samuel Tourneux allerdings so verfremdet, dass das Kernthema – nämlich das Verhältnis von Raum und Zeit – kaum noch eine Rolle spielt.
Äffchen Passepartout fristet auf einer von Shrimps (!) bevölkerten Insel ein eintöniges Dasein und träumt deshalb von einer Reise um die Welt. Da trifft es sich gut, dass Schlitzohr Phileas Frog mit seinem Surfbrett auf der Insel strandet. Der listige Frosch überredet die Insulaner zu einer Wette: In nur 80 Tagen will er die Welt umrunden! In Wahrheit hat Phileas das allerdings gar nicht vor. Stattdessen plant er, sich mit dem Wetteinsatz einfach aus dem Staub zu machen. Doch dann kommt alles ganz anders: Verfolgt von der Polizeiagentin Fix, die Phileas des Bankraubs überführen will, brechen Affe und Frosch auf zu einem großen Abenteuer…
Einfach ein paar Buchstaben umgestellt - und schon wird aus dem Abenteurer Phileas Fogg der Surfer-Frosch Phileas Frog.
Nein, es ist nicht der Globus, den wir kennen, den Phileas Frog und Passepartout bereisen, sondern auf einem Fantasieplaneten – womit schon mal die Schlusspointe des Romans entfällt. Das wäre vielleicht noch zu verschmerzen gewesen und man hätte aus der Idee sicherlich auch eine runde Sache machen können, doch dafür gestaltet Animationskünstler Samuel Tourneux seine Erzählwelt mit zu wenig Sorgfalt. Meer, Wüste, Dschungel und ein paar weitere Schauplätze werden willkürlich aneinandergereiht.
Eine klare Vorstellung davon, wie weit und wie groß diese Welt eigentlich ist, entsteht jedenfalls nicht. So bleibt die Herausforderung, sie in nur 80 Tagen umrunden zu wollen, sehr vage – und damit auch die Spannung auf einem niedrigen Level. Nur hin und wieder erfahren wir mittels Einblendung, an welchem Tag der Reise wir uns gerade befinden. Für Phileas und Passepartout selbst scheint das aber keine große Rolle zu spielen, Zeitdruck macht sich jedenfalls nicht bemerkbar.
Von Anfang an haben Frosch und Äffchen keinen Plan (oder teilen ihn und jedenfalls nicht mit uns...), wie sie die namenlose Welt denn nun umrunden wollen. Die beiden bewegen sich einfach irgendwie voran und stolpern dabei von einer Konfrontation in die nächste. Die Skorpion-Biker-Gang in der Wüste, eine trommelnde Schnecken-Sekte im Dschungel… die Begegnungen mit Einheimischen laufen an jeder Station recht gleichförmig ab. Aus jeder Gefahr befreien sich die Helden in einer kindgerechten Action-Sequenz.
Zumindest erwachsene Zuschauer*innen dürften außerdem bemerken, dass die Hauptfiguren mit den Charakteren der Vorlage kaum noch etwas gemeinsam haben: Phileas ist kein reicher Gentleman mit ausgeprägtem Sinn für Genauigkeit, sondern ein Gauner im Hawaiihemd, dem nichts auf der Welt wichtiger ist als sein Surfbrett. Passepartout ist kein genialer Verkleidungskünstler, sondern ein zwar schlaues, aber auch ängstliches Muttersöhnchen. Aber auch diese abgeänderten Charakterzeichnungen haben, nachdem das ungleiche Duo die Insel erst einmal verlassen hat, allerdings auch kaum noch Einfluss auf die Handlung.
Gerät immer wieder von einem Schlamassel ins nächste - Phileas schlauer Sidekick Passepartout.
Die Animationen von Samuel Tourneux, dessen animierter Kurzfilm „Sogar Tauben kommen in den Himmel“ 2008 für den Oscar nominiert war, sind ganz okay, in ihrer glatten Künstlichkeit aber auch Geschmackssache. Kids dürften an den frechen Sprüchen und der vielen Action trotz allem ihren Spaß haben. Für Ältere mit Fremdscham-Empfindlichkeit stellt sich am Ende allerdings einmal mehr die Frage, warum Regisseur*innen immer wieder meinen, ein aus dem Nichts entstehender Gruppentanz (hier zu „Pump Up The Jam“ von Technotronic) sei ein cooler Abschluss für einen Kinderfilm…
Fazit: Samuel Tourneux entkernt den Jules-Verne-Klassiker, indem er die Handlung in eine wenig durchdachte Fantasiewelt verfrachtet und sie so von Raum und Zeit entbindet. Die Folge: Witz und Spannung der Vorlage sind perdu. Für Kids dank viel Action und Sprüchen vermutlich dennoch ein kurzweiliges Kino-Abenteuer.