Ein sympathisch-sehenswerter Werbefilm
Von Carsten Baumgardt30 Jahre sind schon ein Grund zum Feiern – erst recht für eine populäre Band! Schließlich gelingt es den wenigsten, über eine solch gigantische Zeitspanne überhaupt zusammenzubleiben, geschweige denn so erfolgreich zu sein wie Die Fantastischen Vier. Thomas Schwendemann („Schmucklos“) huldigt der bekanntesten deutschen Hip-Hop-Band nun pünktlich zu diesem Jubiläum in seinem Dokumentarfilm „Wer 4 sind“: Mit den Vorbereitungen zu ihrer 2018er Tour als losem roten Faden erweist sich das gut eineinhalbstündige Porträt der Bandmitglieder Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon als exklusiver Fanservice. Aber auch als neutraler Betrachter bekommt man einen guten Eindruck davon, wie das Uhrwerk Die Fantastischen Vier funktioniert. „Wer 4 sind“ ist eine konventionell gefilmte Musiker-Doku, die vor allem von ihren starken Charakteren lebt. Ihnen sieht man gern dabei zu, wie sie sich nach so langer Zeit immer noch mit Spaß und Engagement durchs Musikgeschäft bewegen. Die richtig kritischen Fragen müssen dann eben andere stellen.
Der Beginn von „Wer 4 sind“ wirkt tatsächlich wie ein RTL-Charts-Special à la „Die 30 besten Jahre der Fantastischen Vier“. Da schwärmen dann Promis und Weggefährten in typischer TV-Show-Manier ausschließlich in Schlagworten, wie fabulös die Fantas doch seien. Aber ganz so konsequent an der Oberfläche verhaftet bleibt Schwendemann dann zum Glück doch nicht. Eine der interessantesten Einsichten kommt dabei schon relativ früh im Film: Da bezeichnen sich die Fantastischen Vier nämlich selbst als Popstars – ohne jede falsche Bescheidenheit. Wer gleich fünf Nummer-1-Alben in Deutschland hatte, muss damit nicht hinter dem Berg halten. Die Fantastischen Vier sind Mainstream, ein Drumherumreden wäre albern. Die Bandmitglieder sind inzwischen so bekannt, dass sie längst von der deutschen Fernsehlandschaft vereinnahmt wurden und dort im Promi-Karussell der TV-Shows omnipräsent und unermüdlich mitlaufen. Diese Prominenz ist für den Verkauf von Platten sicherlich nicht hinderlich. Und trotzdem sind sie coole Typen geblieben, die ihr Ding machen.
Ein Song entsteht: Smudo, And.Ypsilon, Thomas D und Michi Beck (von links).
Bemerkenswert ist dieses Bekennen zum Popstarsein aber dahingehend, dass Die Fantastischen Vier gar keine klassische Popmusik machen, sondern eben Hip Hop, den sie ja selbst vor knapp 30 Jahren überhaupt erst in Deutschland salonfähig und massentauglich gemacht haben. Die Fantastischen Vier sind Vorreiter. Rapper, die so ganz anders sind, als man sich das nach dem amerikanischen Gangster-Style-Klischee vorstellt. Drei der vier sind in Stuttgart geboren (nur Smudo kommt auf dem hessischen Offenbach) und sie singen weder über das harte Leben auf den Straßen der spießigen Schwabenmetropole noch dissen sie irgendwelche verfeindeten Rap-Kollegen. Von diesem Widerspruch handelt „Wer 4 sind“ … nicht! Auch nicht davon, dass Die Fantastischen Vier besonders zu Beginn ihrer Karriere wegen ihres Durchbruch-Songs „Die da?!“ (Nummer 2 in den deutschen Chart) noch als Leichtgewichte abgetan wurden und als Hip-Hopper umstritten waren. Mit ihrem flapsigen Sprechgesang hätten sie die Branche vermeintlich in Verruf gebracht, so zumindest die Anklage der deutsch-rappenden Konkurrenz. (Nach sprachlich brillanten Hits wie „MFG – Mit freundlichen Grüßen“, dem coolen Nummer-1-Hits „Sie ist weg“ oder dem atmosphärisch innovativen 2000er MTV-Unplugged-Höhlen-Album ist in der Rückschau natürlich klar, dass die Vorwürfe damals ziemlicher Unfug waren.)
Solche wichtigen Karriereschritte werden in der Doku ab und an nebenbei angeschnitten, sind aber nie zentrales Thema. Im Kern geht es darum, die heutigen Band-Charaktere für die Fans greif- und erlebbarer zu machen. Und das ist Regisseur Schwendemann gut gelungen. Die vier leben schon seit langem nicht mehr gemeinsam in einer Region, sondern verteilt über die Republik in Berlin (Michi Beck), Hamburg (Smudo), Stuttgart (And.Ypsilon) und der schwäbischen Provinz (Thomas D). Die räumliche Trennung ist Teil des Erfolgsrezepts und hilft dabei, dass man sich auch 30 Jahre nach der Geburtsstunde der Band nicht zu sehr auf den Wecker geht. Doch wenn man für die Produktion eines Albums oder die Vorbereitung einer Tour zusammenkommt, treffen sich dort vier Freunde, die Musik machen, trinken, Spaß haben. Diese Dynamik der Band macht der Film deutlich: Wer bringt sich wie ein? Und als letztes zufrieden ist sowieso immer der kritische Michi Beck!
Videodreh von "Zusammen": Smudo, Thomas D, Clueso und Michi Beck (von links).
Dennoch muss, so zumindest der Tenor des Films, unbedingt frischer Wind her. Die Botschaft: Man hat es nach 30 Jahren schwer, noch kreativ zu sein. Und was will man überhaupt noch erreichen und warum? Co-Produzenten und Co-Schreiber wie Samy Deluxe wurden an Bord geholt, die nun ebenso zu Wort kommen wie Manager Andreas „Bär“ Läsker, der die Band seit der Gründung begleitet. Und auch der Coup, bei der 2018er Single „Zusammen“ Clueso den zuckersüßen Refrain einsingen zu lassen, hat sich bezahlt gemacht. Der Track erreichte Platz 2 der deutschen Charts und die Fantastischen Vier präsentieren sich in der Gegenwart immer noch auf der Höhe der Zeit.
Fazit: Zum 30-jährigen Bandjubiläum der Fantastischen Vier zeichnet Thomas Schwendemann in seiner Fanservice-Doku „Wer 4 sind“ nicht nur ein sympathisches Bild der deutschen Hip-Hopper, sondern liefert auch durchaus interessante Einblicke in die Dynamik der Band und die Herausforderungen, vor denen Fanta Vier heutzutage steht.