Phantastische Geistwesen und wo sie jetzt auch noch überall zu finden sind
Von Sidney Schering16 Jahre ist es bereits her, dass „Hui Buh – Das Schlossgespenst“ in die Kinos kam. Die Realfilmadaption der populären Hörspielreihe rund um den nicht gerade schrecklichen Geist Hui Buh brachte es in Deutschland auf zwei Millionen verkaufte Kinokarten. Dass sich Hui-Buh-Darsteller Michael „Bully“ Herbig 2006 noch immer auf der gigantischen „Bullyparade“-Erfolgswelle von „Der Schuh des Manitu“ und „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ befand, dürfte damals auch viele Erwachsene in den Saal gelockt haben, die sonst zweimal über einen Besuch einer kinderorientierten Komödie nachgedacht hätten.
Herbig ist abseits seiner Rolle als „LOL: Last One Laughing“-Gastgeber mittlerweile primär hinter der Kamera anzutreffen und steht dort nach dem DDR-Flucht-Thriller „Ballon“ und der Presseskandal-Satire „Tausend Zeilen“ vermehrt für ernste(re) Stoffe. Trotzdem kehrt er nun für „Hui Buh und das Hexenschloss“ zurück – ebenso wie seine Co-Stars Christoph Maria Herbst und Rick Kavanian sowie Regisseur Sebastian Niemann und sein Co-Autor Dirk Ahner. Und doch ist „Hui Buh und das Hexenschloss“ ziemlich anders als sein Vorgänger: Auf die schrullig-zahme Kinderkomödie folgt nun ein humorvoll angehauchtes Fantasy-Abenteuer, das fast mehr auf die Wizarding World rund um Harry Potter als auf die eigene Hörspiel-Vorlage schielt.
Zumindest die CGI-Qualität von Hui Buh (Michael Herbig) hat 16 Jahre nach seinem ersten Kinoauftritt ganz schön zugelegt.
Schon vor über einem Jahrzehnt ist König Julius (Christoph Maria Herbst) ins Schloss Burgeck gezogen, wo das Gespenst Hui Buh (Michael Bully Herbig) sein harmloses Unwesen treibt. Als die kleine Hexe Ophelia (Nelly Hoffmann) vor der Tür steht und ihren Onkel Hui Buh um Hilfe bittet, wittert der fröhliche Geist Aussicht auf Änderung, denn Ophelia hat das Necronomicon (Stimme: Manou Lubowski), das mächtigste Zauberbuch der Welt, in ihrem Besitz. Während einer gemeinsamen Mission, um Ophelias Mutter Maria (Mina Tander) aus den Klauen der bösen Hexe Erla (Charlotte Schwab) zu retten, erhofft sich Hui Buh deshalb eine Gelegenheit, um ins Necronomicon zu schauen und zu lernen, wie man wirklich schaurig wird…
Während Teil eins zum Auftakt zeigt, was für ein munterer Chaot Hui Buh zu Lebzeiten war, erinnert der zweite Film zunächst frappierend an die „Phantastische Tierwesen“-Reihe. Wir sehen das nächtliche Paris im frühen 20. Jahrhundert, durch das Mina Tander in einem Kostüm stromert, das genauso Katherine Waterston als Tina Goldstein tragen würde. Wie Tander sowie ihre Filmtochter Nelly Hoffmann alias Ophelia vor der bösen Erla fliehen, inszeniert Niemann in einer gedrosselten „Phantastische Tierwesen“-Ästhetik: Grau-blaue Farbgebung, eine etwas matschige Lichtsetzung und eine schummerige, wenngleich kinderfreundliche Fantasy-Unterwelt-Atmosphäre bestimmen den Filmbeginn, bevor sich das Geschehen gen Schloss Burgeck orientiert.
Dort wird die zuvor aufgebaute Fallhöhe direkt durch den üblichen Hui-Buh-Schabernack gedrosselt, wobei die Gagdichte allerdings zu wünschen übriglässt: Hui Buhs Slapstick-Spuk bräuchte mehr Tempo und Pepp, um sich so richtig zu entfalten. Dennoch sind diese Passagen dank der im Vergleich zum Vorgänger deutlich ausdrucksstärker geratenen CG-Animationen auch in kleinerer Dosis kurzweilig. Herbigs komödiantisches Timing in Sachen Wortwitz kommt hingegen kaum zum Tragen. Stattdessen muss er sich durch einen halbseidenen Plot spielen, laut dem Hui Buh der größte Fan des Necronomicons ist und das Zauberbuch ihn dazu verführen möchte, boshaft zu werden. Dieses Tauziehen zwischen Hui Buhs harmlosem Naturell und dem für mehr Grauen argumentierenden Buch behauptet das Skript allerdings bloß: Das Titelgespenst rudert ständig sofort zurück, wann immer es damit liebäugelt, furchteinflößend zu werden – und selbst wenn es kurz über Gemeinheiten nachdenkt, lässt Herbigs Spiel keinerlei Zweifel an Hui Buhs gutherzigem Charakter aufkommen.
Der arg pädagogische Einschub darüber, wie man schlechten Einflüssen widerstehen kann, entwickelt sich immer mehr zum zahnlosen Hauptkonflikt des Films, während Ophelias Sorgen an den Rand gedrängt werden und lediglich sporadische Anflüge von Spannung oder Gruselspaß liefern. Das steht symptomatisch für „Hui Buh und das Hexenschloss“: Die Fantasy-Komödie wird in einer seicht-tröpfelnden, episodenhaften Dramaturgie erzählt, ohne länger anhaltende Konflikte zwischen den Sympathiefiguren. Allerdings ist auch das gespenstische Comedy-Chaos spärlich über die Gesamtlaufzeit des Films verteilt, ebenso wie Rick Kavanians karikaturesken Butler-Eskapaden.
Mit Christoph Maria Herbst als König und Rick Kavanian als Butler gibt es ein Wiedersehen mit noch weiteren alten Bekannten.
Die schrullige Geisterwelt des Erstlings macht derweil Platz für große, leere, finstere Schauplätze, an denen ständig Gefahr lauern soll – was sich zumindest manchmal auch tatsächlich bewahrheitet. Daher landet „Hui Buh und das Hexenschloss“ in einer freudlosen Grauzone zwischen harmlos plätschernder Dramaturgie und einer aufreibenden Machart der „Gruselspitzen“. Was zudem einen markanten Schönheitsfehler für die Älteren im Publikum darstellt: Den Verantwortlichen ist es nicht gelungen, eine klanglich nahtlose Interaktion zwischen den Hauptfiguren und den Nebenfiguren herbeizuzaubern:
Die Randfiguren wurden mit unbekannten Schauspieler*innen besetzt und mit bekannten Synchronstimmen nachvertont. Jedoch bricht die filmische Illusion oft in sich zusammen, weil diese zwei Figurengruppen oftmals mit unterschiedlichem Raumklang abgemischt sind sowie bei den nachvertonten Figuren nicht streng genug auf Lippen-Synchronizität geachtet wurde. Dabei beweisen die punktgenauen Stimmbesetzungen, dass sich das Filmteam durchaus Gedanken gemacht hat.
Beispielsweise wird ein kauziger Wirt, der aussieht wie ein in die Höhe geschossener Zach Galifianakis, tatsächlich ausgerechnet von Galifianakis‘ Synchronstimme Michael Iwannek gesprochen. Ein pfiffiger Einfall – hätte man sich nur bei der Tonabmischung ebenfalls solche Mühen gemacht... Der größte Lichtblick in „Hui Buh und das Hexenschloss“ ist daher Carmen-Maja Antoni („Das weiße Band“) als schlagfertige Knusperhexe: Von ihrem Hunger nach Kindern geläutert und einsam, schließt sie sich Julius und Hui Buh hilfsbereit an – haut ihnen dabei allerdings haufenweise Sprüche um die Ohren. Insbesondere mit dem von Herbst routiniert-gewitzt gespielten Julius ergibt das einen sehr komischen Rapport, bei dem die Hexe die Oberhand behält.
Die familientauglich-vulgäre Art der Knusperhexe ist so kreativ geschrieben und wird von Antoni derart lässig aus dem Ärmel geschüttelt, dass Deadpool und diverse weitere Kino-Rüpel der vergangenen Jahre neben ihr wirken wie auf den Mund gefallene Schulkinder. Wir wetten, dass dank dieser Hexe bald zahlreiche Kinder frech grinsend „Leck mich doch das Eichhörnchen“ in die Welt hinaus brüllen werden – ein Preis, den Eltern wohl beim „Hui Buh und das Hexenschloss“-Besuch in Kauf nehmen müssen. Ebenso wie einen gewissen Hang zur Langeweile.
Fazit: Eine plätschernde Dramaturgie prallt auf wenig Witz und rare „Gruselspitzen“, die gerade jenes ganz junge Publikum überfordern dürften, für das an anderer Stelle jeglicher erzählerischer Biss geopfert wurde: „Hui Buh und das Hexenschloss“ ist ein Film, der nicht so recht weiß, wie sehr er das – schon etwas ältere – „Phantastische Tierwesen“-Publikum wirklich mit ins Visier nehmen will oder nicht.