Lange Zeit gehörte „Alice im Wunderland“ zu den unterschätzten Langfilmen aus dem Hause Disney. Die eigenwillige Albernheit des Filmes gefiel nicht allen und machte aus dem Zeichentrick-Nonsens einen kommerziellen Flop. Trotzdem gehört „Alice im Wunderland“ zu den besseren Zeichentrickfilmen Disneys.
Als ihre Schwester der kleinen Alice im Park etwas vorliest, sieht diese ein weißes Kaninchen mit einer großen Uhr. Alice läuft ihm hinterher und fällt in einen Kaninchenbau. So gerät sie in die eigenartige Welt des Wunderlands. Sie trifft ein Witze erzählendes Zwillingspaar, eine Wasserpfeife rauchende Raupe und eine hinterlistige, sich immer wieder unsichtbar machende Tigerkatze. Während sie das Kaninchen sucht, verliert sie sich immer mehr im Wunderland und erlebt allerlei seltsame Abenteuer. So gelangt sie auf eine Nicht-Geburtstagsparty eines verrückten Hutmachers und zieht durch die Intrigen der Tigerkatze den Wut der Herzkönigin auf sich. Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit ihrer Spielkartenarmee. Nun will sie nur noch nach Hause, doch den Heimweg findet sie nicht mehr.
Disneys „Alice im Wunderland“ ist eine Kombination aus Lewis Carrolls Erzählungen „Alice im Wunderland“ und „Durch den Spiegel und was Alice dort fand“. Der Film bemüht sich um Werkstreue, ohne sich sklavisch daran zu halten, was ohnehin sehr schwierig geworden wäre. Der ursprüngliche Gedanke, die Original-Illustrationen der Bücher zu animieren, wurde auch deshalb aufgegeben und die Zeichner kreierten eine eigene Welt. Der sprechende Türknopf ist allerdings der einzige Charakter, der nicht in Carroll’s Geschichten auftaucht. Fünf Jahre lang wurde am Film gearbeitet, dem bereits zehn Jahre Planung vorausgegangen waren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, wurde aber nichtsdestotrotz ein großer Misserfolg. Erst später, im Laufe der Jahre, kam „Alice im Wunderland“ die Anerkennung zu, die das Werk verdient hätte.
Der tricktechnisch perfekt durchkomponierte Film zeigt eine visuelle Extravaganz, die in Disneyfilmen selten zu finden ist. Was an schrägem und albernem Humor in "Dumbo" nur eine Szene lang anzufinden war, zelebriert „Alice im Wunderland“ den ganzen lieben Film hindurch. Die gezeichnete Musicalkomödie kommt fast gänzlich ohne Disneys bekannter Süßlichkeit aus und wird lediglich gegen Ende hin ein wenig sentimental. Diese Sentimentalität schließt den schrägen Nonsens aber nicht aus und ist von solcher Melancholie, dass sie kaum als typische Wohlfühl-Disney-Attitüde bezeichnet werden kann. Bis zuletzt hält „Alice im Wunderland“ den chaotischen, meist völlig sinnfreien Humor von Carrolls Vorlagen aufrecht.
Die Konsequenz des Filmes ist beachtlich und lobenswert. Nebst dem beständigen Nonsens-Humor sprudelt der Film (auch dank Carrolls Geschichten) geradezu vor verrückten Ideen und einfallsreichen optischen Spielereien. Passend untermalt wird das Ganze von Oliver Wallace’ Oscar-nominierten Soundtrack, der einige sehr gute Songs auf Lager hat. Ein musikalischer, optischer und humoristischer Höhepunkt ist dabei sicherlich die verrückte Teeparty mit dem verrückten Hutmacher.
Der eigenwillige Humor fernab jedweder Logik oder Gesetzmäßigkeit wird auch heute noch nicht jedermanns Geschmack sein. Wer bei „Alice im Wunderland“ nicht gleich zu Beginn lachen kann, wird sich bis zuletzt langweilen und möglicherweise auch noch vom Film genervt werden. Wer die moralisierende Süßlichkeit und Kindertauglichkeit der Disneyfilme schätzt, mag sich bei „Alice im Wunderland“ im falschen Film wähnen, der genauso auf ein moralisches Endfazit als auch auf Kitsch verzichtet. Daher kann „Alice im Wunderland“ gerade denjenigen empfohlen werden, die mit der Harmlosigkeit Disney’scher Filme nicht viel anfangen können. Kleinstkinder dürfte der Film gelegentlich verwirren, für gewollten Humbug gegenüber offenen Betrachtern kann die virtuos gezeichnete Komödie aber eine Mordsgaudi sein. Manchmal ist es auch nur eine Frage der aktuellen Stimmung, der Gesellschaft oder des Getränks.