MÄDCHEN FÜR ALLES
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Ein ganz normaler Tag im Büro. Möchte man meinen. Zumindest meint man das fast den ganzen Film lang, welcher sich The Assistant nennt und in dem es natürlich um eine Assistentin – oder Sekretärin oder generische Bürokraft geht, deren Tagesablauf Regisseurin Kitty Green penibel verfolgt. Green scheint zu hospitieren, gleicht einer Schülerin, die Arbeitsluft schnuppert. Den Tippenden und Kopierenden und Kaffeemachenden über die Schulter blickt. Und jedesmal, wenn das Personal spontan den gewählten Platz verlässt, erschrocken zurückfährt, um nicht im Weg zu stehen. Sobald es keiner mehr merkt, rückt die Schülerin wieder näher. Schielt um die Ecke, äugt verstohlen ins Chefbüro. Bekommt den Oberboss aber nie zu Gesicht.
Stimmt – der Firmenfürst stolziert kein einziges Mal durchs Bild. Er ist die große Unbekannte, der Kastellan auf Franz Kafkas Schloss, eine metaphysische, gesichtslose Figur des Schreckens und der uneingeschränkten Macht, die mit Zuckerbrot und Peitsche ihren buckelnden Untertanen noch das letzte Bisschen an Selbstachtung nimmt. Warum sich Menschen so etwas antun, nur um irgendwann groß rauszukommen, ist mir schleierhaft. Ein Karrieremensch müsste ich sein, dann würde ich das vielleicht verstehen. Bin ich aber nicht. Und damit hat mein Mitlgefühl ob des öden Jobs von Assistentin Jane (Julia Garner) natürlich seine Grenzen. Jane ist Mädchen für Alles, kommt als erste, geht als letzte, dazwischen widerfährt ihr soziale Kälte, Diskriminierung und Unhöflichkeit. Kein Bitte, kein Danke, kein Lächeln. Diese Filmfirma ist die Antithese von Teamgeist. Ein Ort, der frösteln lässt. Und von welchem ich so schnell wie möglich würde fort wollen. Jane macht das nicht, sie lässt sich erniedrigen und ausnutzen. Aber auch das hat scheinber seine Grenzen, denn als sie merkt, dass der Boss junge Frauen zum intimen Gespräch nicht nur ins Hotelzimmer bestellt, sondern auch nach Büroschluss sexuell belästigt, fasst sie ihren Mut zusammen und wendet sich an die firmeninterne Personalstelle.
Kitty Green lässt sich, wie gesagt, wahnsinnig viel Zeit, um überhaupt eine Geschichte ins Rollen zu bringen. Irgendwann ist man dann froh, dass Green zumindest auf irgend etwas hinauswill, egal was, nur weg von der Sondierung eines Umstands hin zu einer Art Handlung. Doch viel mehr als die No Comment-Analyse eines triesten Bürotages mit auffallend wenig Dialogzeilen wird The Assistant dann trotzdem nicht. Dort, wo thematisch ähnlich gelagerte Filme wie Bombshell erst anfangen, hört dieser Film auch schon wieder auf.
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