Was soll man noch tun, wenn doch schon der Vorgänger Perfektion erreicht hat?
Von Björn Becher„Paddington 2“ ist längst nicht mehr nur „einer der besten Familienfilme des Jahres“, wie wir bereits in der FILMSTARTS-Kritik zum Kinostart 2017 schwärmten. Das bezaubernde Wohlfühl-Abenteuer hat sich inzwischen zu einem regelrechten Popkulturphänomen entwickelt, gilt als Musterbeispiel für den perfekten Familienfilm und wird auch von vielen erwachsenen Kinofans (inklusive Nicolas Cage in „Massive Talent“) gar als Meisterwerk verehrt. Dass sich das kaum noch toppen lässt, dachte sich wohl auch Paul King. Der Regisseur der ersten beiden „Paddington“-Filme zog sich beim dritten Teil auf die Rolle als Co-Story-Entwickler sowie Produzent zurück und zog aus, um stattdessen mit „Wonka“ einen neuen Kinoerfolg zu inszenieren. Der bislang als Werbeclip- und Musikvideo-Regisseur tätige Dougal Wilson stand also gleich bei seinem Spielfilmdebüt vor einer wahren Mammutaufgabe.
Wie erwartet zieht „Paddington in Peru“ im Vergleich mit seinem direkten Vorgänger in nahezu jeder Hinsicht den Kürzeren. Aber heißt das auch, dass der dritte Teil deshalb automatisch eine Enttäuschung ist? Und ist es überhaupt fair (oder sinnvoll), „Paddington in Peru“ mit einem solchen Ausnahmefilm wie „Paddington 2“ zu vergleichen? Natürlich nicht! Sicherlich fehlt „Paddington in Peru“ ein so großartiger Bösewicht wie Hugh Grant als Phoenix Buchanan – und auch die inszenatorische Brillanz ist weniger ausgeprägt. Und trotzdem ist auch dieser Teil wieder ein großer Spaß: ein rasantes, plüschiges, oft auch zu Herzen gehendes Wohlfühl-Leinwand-Abenteuer...
Paddington (Stimme im Original: Ben Whishaw / in der deutschen Fassung: Elyas M’Barek) erreicht eine überraschende Nachricht aus Peru: Die Obernonne des Heims für Bären im Ruhestand (Olivia Colman) berichtet ihm vertraulich, dass seine Tante Lucy (Stimme: Imelda Staunton) nicht mehr eine solche gute Laune wie einst versprüht, sondern den ganzen Tag nur Trübsal bläst. Da der beliebte Londoner Bär gerade seinen englischen Reisepass erhalten hat und auch seine Familie, die Browns, dringend gemeinsame Zeit benötigt, entschließt man sich spontan, nach Südamerika zu reisen, um Lucy aufzumuntern.
Doch dort gibt es eine Überraschung: Lucy ist im Dschungel verschwunden! Eine Karte im Zimmer der mehr als 100 Jahre alten Bärin deutet an, dass sie vor ihrer offensichtlich sehr überstürzten Flucht versucht hat, einen Ort namens Rumi Rock zu finden. In ihrer Not heuern Paddington und die Browns Kapitän Hunter Cabot (Antonio Banderas) an, um sie zu der mysteriösen Steinformation zu bringen, um die sich auch allerlei Legenden ranken. Zu spät erkennen sie, dass ihr Bootsführer von der Idee besessen ist, den sagenumwobenen Schatz von Eldorado zu finden. Währenddessen dämmert es Mrs. Bird (Julie Walters), der im Heim zurückgebliebenen Haushälterin der Browns, dass auch dort nicht alles mit rechten Dingen vor sich geht – und die Mutter Oberin wohl ebenfalls ein paar Geheimnisse hat...
„Paddington in Peru“ versucht, die brillant-exaltierte Performance von Hugh Grant direkt mit zwei neuen Stars aufzuwiegen: Aber am Ende können ihm selbst zwei solche schauspielerischen Schwergewichte wie Oscar-Preisträgerin Olivia Colman („The Favourite“) und die spanische Leinwand-Legende Antonia Banderas („Leid und Herrlichkeit“) nicht einmal gemeinsam das Wasser reichen. Das liegt jedoch nicht primär am Können des Duos. Vielmehr fehlt den beiden Fieslingen eine wenig die unheimliche Aura, weil schon früh klar wird, dass sie dem allseits beliebten Bären nicht wirklich in letzter Konsequenz ans Fell wollen.
Spaß macht aber gerade Banderas’ Darstellung als vom Goldrausch seiner Vorfahren angesteckter Vater trotzdem. Der „Indiana Jones 5“-Star darf so richtig schön über die Stränge schlagen, insbesondere in den Zwiegesprächen mit seinen diversen toten Ahnen, die ebenfalls auch alle von Banderas selbst verkörpert werden. Es sind solch überdrehte Momente, die so wunderbar in diese Reihe passen. Schließlich haben die „Paddington“-Filme immer wieder die absurdesten Einschübe. In „Paddington in Peru“ bekommt auch Olivia Colman mit einer an den Klassiker „The Sound Of Music“ angelehnten Musical-Szene solch einen Moment, der nur kurz wie ein Fremdkörper wirkt, sich dann aber doch ganz stimmig in den bärigen Wahnsinn einfügt.
Hier und da hätte es aber ruhig noch mehr inszenatorischer Esprit sein dürfen. Über weite Strecken ist „Paddington in Peru“ einfach nur ein schöner, aber eben nicht brillanter Abenteuerfilm, der gut, aber eben nicht verdammt gut aussieht. Als Pluspunkt erweist es sich hier, dass teilweise wirklich an historischen Stätten in Peru sowie im Nachbarland Kolumbien gedreht wurde. Die animierten Bären integrieren sich nahtlos in die beeindruckende Umgebung – und der bunte, neue Schauplatz bietet eine erfrischende Abwechslung zum oft grau-verregneten London.
Die Umkehrung der gewohnten Rollen – Paddington in seiner natürlichen Umgebung und die Browns in einer fremden Welt – wird allerdings nur für einige vorhersehbare Gags genutzt. Allgemein bleibt die Familie etwas unterbeschäftigt. Einzig Emily Mortimer, die als Nachfolgerin von Sally Hawkins dieses Mal Mutter Mary verkörpert, hat einen emotionaleren Erzählstrang. Sie muss lernen, dass es vielleicht doch nicht der Weltuntergang ist, wenn Tochter Judy (Madeleine Harris) bald fern von zu Hause ans College geht. „Downton Abbey“-Star Hugh Bonneville hat daneben zwar wieder einige witzige Momente. Doch es wirkt schon etwas erzwungen, dass Sicherheitsfanatiker Henry Brown angestachelt von seiner neuen amerikanischen Chefin („Captain America“-Star Hayley Atwell in einer überflüssigen Mini-Rolle) plötzlich lernt, das Risiko zu lieben.
Während es teilweise etwas ungelenk wirkt, wie die Nebenfiguren ihre Relevanz für den Plot behalten, gelingt es den Verantwortlichen mal wieder, eine wunderschöne Geschichte rund um den titelgebenden Bären zu erzählen. Die bereits für die Kinder-Serie „Paddingtons Abenteuer“ verantwortlichen Jon Foster und James Lamont sowie der für „Shaun das Schaf“ oscarnominierte Mark Burton fahren als Nachfolger der nur noch für die Entwicklung der Story verantwortlichen Paul King und Simon Farnaby alles auf, was die Reihe so beliebt macht. Es gibt die obligatorischen Slapstick-Einlagen und vor allem zahlreiche Szenen, die ans Herz gehen. Gekonnt wird dabei sogar die Ursprungsgeschichte von Paddington erzählt. Wir haben uns zwar nie gefragt, woher seine Liebe für Orangenmarmelade kommt und wie er zu Tante Lucy stieß. Doch nach der Auflösung in „Paddington in Peru“ sind wir nun trotzdem froh, es zu wissen.
Zugleich hat das Trio etwas Rücksicht auf jene kleineren Zuschauer*innen genommen, denen die Vorgänger vielleicht doch einen Tick zu bedrohlich waren. Wollte Nicole Kidman im Franchise-Auftakt den Bären noch töten und spielte „Paddington 2“ zeitweise in einem Gefängnis voller (zumindest hart aussehender) Schwerverbrecher, sind nicht nur die Bösewichte dieses Mal nur gerade so überhaupt böse. Abgesehen von einer unfreiwilligen Wildwasserfahrt zu Beginn enthält der Film auch kaum längere, wirklich bedrohliche oder gar furchteinflößende Szenen. Kleinere Schreckmomente werden stattdessen meist umgehend mit einem Witz aufgelöst.
Fazit: „Paddington in Peru“ ist zwar der schwächste Teil der Reihe und wird sicherlich nie den herausragenden Kult-Status von „Paddington 2“ erreichen. Es ist aber ein weiteres vergnügliches und sehenswertes Familienabenteuer für alle (und diesmal vor allem die kleineren) Fans des Bären mit dem dunkelblauen Dufflecoat und dem roten Hut.
P.S.: Unbedingt sitzen bleiben! Es gibt gleich zwei ganz besondere Abspannszenen!