GIB MIR FÜNF MINUTEN!
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Hast du keine – nimm dir eine! Gegen die Langzeitabwesenheit diverses Superkräfte gibt es jetzt die geeignete Pille für jedermann. Vielleicht, so könnte jetzt der eine oder andere Verschwörungstheoretiker aus dem Heldenuniversum vermuten, haben Superman und Co auch nur ihre Skills auf Rezept. Vielleicht ist das ja so, in Filmen sieht man das nie, genauso wenig wie man sieht, dass Superhelden irgendwann auf die kleine Seite müssen. Aber wie auch immer: Superheld kann jetzt jeder sein. Allerdings nur für 5 Minuten. Zwar nicht so prickelnd wie 15 Minuten Ruhm, aber vielleicht ist das ja noch die Testphase. Das Ziel ist: Superheldenskills ein Leben lang.
Mit dieser Zuhaufnahme unkontrollierbarer Kraftmeierei muss sich die Exekutive im neuen Netflix-Release Project Power herumschlagen. Rennen wie der Blitz, Sachen stemmen, die keiner stemmen kann, unsichtbar die Bank ausrauben und so weiter. Um dieses Gefälle etwas einzuebnen, hat sich Polizist Frank (Joseph Gordon-Levitt) dazu entschlossen, ebenfalls von diesen Pillen Gebrauch zu machen, was natürlich nicht sein darf. Und genauso wenig darf sein, dass ein Kerl wie Art (Jamie Foxx) bei den Vertickern dieser Droge ordentlich Stunk macht. Unter sein Radar fällt das Schulmädchen Robin, das ebenfalls versucht, mit diesem Wunderding die Krankenversicherung für ihre Mama zu ersetzen. Letzten Endes aber suchen alle drei auf ihre Art die sogenannte Quelle, den Ursprung dieses medizinischen Phänomens, und müssen dabei alle Arten von feindlich gesinnten Mutationen parieren.
Prinzipiell hat die Basis dieses Science-Fiction-Streifens ja nicht wenig Potenzial. Filme zu Wunderpillen gibt’s aber genug, zum Beispiel Ohne Limit, jenen Thriller mit Bradley Cooper um eine Multitasking-Pille mit eklatanten Nebenwirkungen. Die Idee aber, sich für fünf Minuten das animalische Extra zu geben, ist recht erfrischend. Wenn Jamie Foxx mit einem Fantastic-Four-Trittbrettfahrer, der in Flammen aufgeht, die Feuertreppe runterpurzelt, dann ist das eine der besten, wenn nicht gar die gelungenste Szenen des Films. Und es scheint tatsächlich, als ob die Herren Henry Jost und Ariel Schumann, bekannt für ihre Paranormal Activity-Sequels oder auch den Social Media-Thriller Nerve, relativ bekannte Versatzstücke der Entertainment-Dystopie auf eine andere Schiene heben. Leider gelingt ihnen dieses Kunststück nicht wirklich. Screenwriter Mattson Tomlin, der auch für den neuen Batman den Stift geschwungen hat, orientiert sich zu sehr an bereits vorgefertigten Schablonen, die in diesem Genre bereits in rauen Mengen vorhanden sind. Stereotype Verschwörungen für eine optimierte Menschheit lassen genauso gähnen wie ein ungerechtfertigter Vertrauensvorschuss für Jamie Foxx oder finstere Handlanger ohne Biographie, die sowieso den Kürzeren ziehen werden, so vorhersehbar wie das Ganze bald sein wird. Gegen Ende greifen die Filmemacher für den Showdown nochmal tief in den Zauberkasten aus Farben und Firlefanz – eh ganz nett, eh nur geringfügig dick aufgetragen, was wiederum wenig zur relativ knackigen coolen ersten Halbzeit des Filmes zu passen scheint.
Project Power ist also genauso wenig wie The Old Guard etwas, das nachhaltig in Erinnerung bleibt oder aus der Fülle an aufpolierten High-End-Produktionen, die Netflix aufgekauft hat, heraussticht. Umso mehr vertröste ich mich dann angesichts dieser halbherzig genutzten Chance, Superhelden anders zu sehen, auf die zweite Staffel von The Boys, die diesem erschöpften Genre nochmal so richtig in den Hintern treten werden.
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