Der Bauern-David gegen den Konzern-Goliath
Von Michael MeynsIn manchen Ländern kam „Percy“ mit dem Titel „Percy vs. Goliath“ in die Kinos – und wenn man dazu noch weiß, dass der Film von einem alternden Bauern handelt, der es mit dem Nahrungsmittelgiganten Monsanto aufnimmt, dann weiß man eigentlich auch schon alles. Selbst mit dem etwas zurückhaltenderen Titel „Percy“ ist der von Clark Johnson inszenierte Film alles andere als subtil. Stattdessen wird mit großer Emphase und völlig ironiefrei vom ewigen Kampf des kleinen Mannes gegen große Ungerechtigkeit erzählt. Moralisch kann man da nichts gegen haben, mitreißendes Kino ist es allerdings auch nicht. Allein Hauptdarsteller Christopher Walken als stoisch-sturer Farmer Percy Schmeiser entzieht sich dem Pathos und sorgt so für den einen oder anderen dringend notwendigen Zwischenton.
Kanada, 1998. Der Farmer Percy Schmeiser (Christopher Walken) bekommt Post von einem Anwalt. Ihm wird vorgeworfen, genmanipuliertes Saatgut des Industriekonzerns Monsanto verwendet zu haben. Ob dies absichtlich oder aus Versehen geschah, spielt laut der Klageschrift keine Rolle, der Goliath verlangt jedenfalls eine Entschädigung. Der erste Prozess verläuft enttäuschend und auch die Revision verliert der rührige, aber etwas überforderte Jackson Weaver (Zach Braff), der nicht nur Percy Anwalt, sondern auch sein Sohn ist. Mit Hilfe der NGO-Aktivistin Rebecca Salcau (Christina Ricci) sammeln die Schmeisers Spenden aus aller Welt ein – und erst da verstehen sie, wie viel ihr Kampf auch anderen bedeutet. Denn eine Chance gibt es noch: Den Gang vor das höchste Gericht des Landes, den Supreme Court…
Percy (Christopher Walken) hat eigentlich gar keinen Bock auf das Drama ...
Man muss kein Experte für Patentrecht sein, sich bis ins Detail mit der Debatte um genmanipulierte Lebensmittel auskennen oder auch nur den Namen Monsanto schon mal gehört haben, um bereits nach wenigen Minuten zu wissen, worauf „Percy“ hinausläuft. Wer in dieser David-gegen-Goliath-Geschichte am Ende die Oberhand behält, ist von vorneherein klar – denn wenn der Underdog nicht gewinnt, wäre es schließlich auch keine David-gegen-Goliath-Geschichte. Wie kann ein Film wie „Percy“ also dennoch Spannung erzeugen, interessante Charaktere entwickeln, mehr bieten als nur die hübsch bebilderte Nachstellung eines historischen Ereignisses? Anders gefragt: Was macht etwa Steven Soderberghs „Erin Brockovich“ so mitreißend, auch wenn vom ersten Moment an klar ist, dass Julia Roberts dem finsteren Konzern am Ende die Stirn bieten wird? Natürlich half es damals, dass Roberts so mitreißend spielte wie nie zuvor. Vor allem aber ging es in erster Linie gar nicht um einen – auf dem Papier eher trockenen – Justizfall, sondern um die Emanzipation einer Frau, die vorher niemand für voll genommen hatte.
„Erin Brockovich“ erzählte also von den Menschen hinter der Geschichte, und im Ansatz versucht „Percy“ etwas ähnliches. Christopher Walkens Percy ist kein tollkühner Held, kein empörter Kämpfer, sondern eine zurückhaltende Person, die weiß, dass ihr Unrecht geschieht. Viel engagierter im Kampf um Gerechtigkeit sind die Personen, die Percy umkreisen: Die NGO-Mitarbeiterin Rebecca, die es im Kern gut meint, für die Percys Kampf aber doch nur Teil eines großen Ganzen ist; die Medien, die hier vor allem eine tolle Geschichte sehen; tausende Menschen aus aller Welt, von denen Percy Briefe und Spenden erhält. Im Gegensatz zu ihnen bleibt Percy zurückhaltend, bleibt trotz allem der stoische Farmer, der einfach nur die Traditionen seiner Vorfahren – die übrigens aus Bayern in die USA emigrierten – fortführen will. Eher widerwillig lässt sich Percy zum Posterboy des Widerstand gegen Monsanto machen. Die Aufmerksamkeit, die ihm, seiner Frau Louise (Roberta Maxwell) und ihrer Familie entgegenschlägt, ist ihm sichtlich unangenehm.
... aber für die gute Sache lässt sich der stoische Bauer dann doch in den ganzen Justiz- und Medien-Rummel hineinziehen.
Immer wenn Clark Johnson sich auf diesen Aspekt konzentriert, entwickelt „Percy“ seine Qualitäten, dann wird deutlich, wie leicht ein unbescholtener Mann wie Percy Schmeiser zum Spielball von Interessen werden kann. Und damit ist nicht nur das Gebaren des Konzerns gemeint, sondern auch das der NGO und der Medien. Doch diese Momente sind selten, verlieren sich zwischen dem peniblen Abspulen der David-gegen-Goliath-Geschichte, die angesichts der Relevanz der juristischen Entscheidung und der dahinterstehenden tiefergehenden Thematik zwar definitiv erzählenswert ist, aber eben dramaturgisch nur selten mitreißt. So ist „Percy“ sicherlich nicht der erste Film, bei dem man am Ende festhalten möchte: Ja, nicht schlecht, aber mehr von Christopher Walken hätte sicherlich nicht geschadet...
Fazit: Die alte Weisheit, das eine wichtige Geschichte nicht automatisch auch einen spannenden Film ergibt, trifft auch auf „Percy“ zu, wenn der Kampf eines einfachen Farmers gegen einen profitgeilen Nahrungsmittelkonzern als überraschungsfreie David-gegen-Goliath-Geschichte erzählt wird. Überzeugend ist der Film hingegen immer dann, wenn er sich ganz auf seinen stoischen Titelhelden und Hauptdarsteller Christopher Walken konzentriert.