Neues Ende, neue Probleme
Von Christoph PetersenObwohl die Komödie „Perfect Strangers“ erst drei Jahre alt ist, wurden in dieser relativ kurzen Zeit bereits elf (!) internationale Remakes von dem italienischen Publikumshit produziert. Nach Griechenland, Spanien, der Türkei, Frankreich (unter dem Titel „Nichts zu verbergen“ auf Netflix), Mexiko, Südkorea, Ungarn, China, Russland und Polen ist mit „Das perfekte Geheimnis“ von „Türkisch für Anfänger“-Mastermind Bora Dagtekin nun also Deutschland an der Reihe. Ein weltweiter Siegeszug, der nicht wirklich überrascht, denn ...
... die Prämisse, dass wir unsere tiefsten Geheimnisse zwar nicht unseren Freunden, sehr wohl aber unseren Mobiltelefonen anvertrauen, trifft schließlich auf so ziemlich jeden Menschen auf diesem Planeten zu. Da muss nur wenig am Skript geändert werden, um den Stoff an den jeweiligen Kulturkreis anzupassen. Außer in Deutschland natürlich, denn hiesige Komödien-Zuschauer müssen offenbar in Watte gebettet werden – und deshalb gibt es in „Das perfekte Geheimnis“ nun ein extra hingebogenes Wohlfühlende, das den ganzen Film auf der Zielgerade regelrecht ad absurdum führt.
Noch haben die Freunde gut Lachen...
Psychotherapeutin Eva (Jessica Schwarz) und Schönheitschirurg Rocco (Wotan Wilke Möhring) laden am Abend einer Mondfinsternis ihre besten Freunde zu einem Abendessen ein. Leo (Elyas M'Barek) hat sich als moderner Vater Elternzeit genommen, während seine Frau Carlotta (Karoline Herfurth) oft bis spät abends in der Werbe-Agentur schuftet. Taxifahrer Simon (Frederick Lau) ist noch immer ganz verknallt in seine Tierärztin Bianca (Jella Haase). Und Lehrer Pepe (Florian David Fitz) ist allein gekommen, weil seine neue Freundin sich was eingefangen hat.
Nach ein wenig typischem Smalltalk entwickelt sich plötzlich die Idee für ein „Spiel“: Alle Anwesenden sollen ihre Handys für den Rest des Abends auf den Tisch legen, jede SMS und WhatsApp-Nachricht wird laut vorgelesen, bei jedem Anruf wird auf Lautsprecher gestellt, ohne dass man den Anrufer vorwarnen darf, dass das Gespräch von der ganzen Gruppe belauscht wird. Nachdem so zunächst noch mehr oder weniger harmlose Geheimnisse ans Mondlicht kommen, geht es mit zunehmendem Weinkonsum auch immer mehr ans Eingemachte...
Die ersten Geheimnisse sind eigentlich nichts anderes als eingeworfene Stichworte, die das (oft erstaunlich spießige) Gruppengespräch auf ein bestimmtes Thema lenken: Eva will sich etwa die Brüste vergrößern lassen, dabei müsste doch gerade sie als Psychotherapeutin ihren Patienten beibringen, mit dem eigenen Körper zufrieden zu sein. Die sich daraus entspinnende Diskussion wirkt allerdings arg didaktisch, als würde jeder am Tisch einfach nur wie in einer TV-Talkshow seine vorgefertigten „Talking Points“ vortragen. Anders als in Talkshows redet die Gruppe übrigens an dem ganzen Abend kaum einmal durcheinander, was die Künstlichkeit und Statik des Settings noch verstärkt – das ist vergangenes Jahr im ähnlich angelegten „Der Vorname“ noch deutlich besser gelungen.
Dass man sich das trotzdem noch ganz gut angucken kann, liegt vor allem am hochkarätigen Ensemble, aus dem sich allerdings auch niemand nachhaltig herausspielt. Gerade bei Elyas M’Barek und Karoline Herfurth, die Bora Dagtekin ja aus ihrer gemeinsamen „Fack Ju Göhte“-Zeit in- und auswendig kennen müsste, hätte man eigentlich erwartet, dass er ihre speziellen Stärken noch besser einzusetzen versteht. Der einzige wirklich grandiose Schauspielmoment bleibt so jener, der auch in mehreren der Vorlagen besonders heraussticht: Wenn Wotan Wilke Möhring („Happy Burnout“) seiner Filmtochter am Telefon Tipps für das Erste Mal gibt, dann geht die Szene wirklich zu Herzen und seine Worte darf man gerne eins-zu-eins auch für die eigenen Kinder übernehmen.
... aber im Laufe des Abends kommen immer intimere Geheimnisse ans Licht!
Je später der Abend, desto prekärer (aber zugleich leider auch umso konstruierter) die Geheimnisse. Daraus resultierenden dann durchaus ein paar ganz gelungen-überhöhte Screwball-Momente, bei denen dann auch mal ein wenig lauter gelacht werden darf. Wobei zumindest in der Berliner Pressevorführung vor allem angesichts der homophoben Entgleisungen einiger Protagonisten am meisten losgeprustet wurde: Das wäre allerdings auch gar kein Problem (weil selbstentlarvend), wenn „Das perfekte Geheimnis“ genau so weitergehen würde wie das italienische Vorbild. Denn dort mündet der Abend, während dem sich die Gäste allesamt als mehr oder weniger arschlochhaft entpuppen, in einem entsprechend ambivalenten Ende.
Nun ist der Autor dieser Kritik jemand, der bei Partygesprächen jeden zurechtweist, der mal wieder mit den alten Kamellen über das ach so unlustige und harmlose deutsche Komödien-Kino ankommt. Aber bei „Das perfekte Geheimnis“ gehen auch mir die Argumente aus. Mit dem hinzugedachten Wohlfühl-Happyend macht Dagtekin aus einer durchaus bissigen Satire ein banales Boulevardstück mit einer ziemlich fragwürdigen Moral: Es ist schon okay, homophob zu sein, solange man jemandem, der noch homophober ist, anschließend die Fresse poliert. Schon schade, dass sich ausgerechnet der Macher von „Fack ju Göhte“ und vor allem der grandiosen Sitcom „Türkisch für Anfänger“ plötzlich als derart zahnlos entpuppt.
Natürlich wäre es auch alles andere als das Gelbe vom Ei gewesen, bei zwölf Verfilmungen in drei Jahren exakt denselben Ablauf beizubehalten. Aber gut abgeschrieben ist immer noch besser als schlecht selbst gemacht. Denn das neue Finale ist ein klassisches Eigentor – wo man doch einfach nur in den leeren gegnerischen Kasten hätte einschieben müssen.
Fazit: Trotz konstruierter Wendungen und wenig natürlicher Dialoge ist „Das perfekte Geheimnis“ dank der namhaften Besetzung lange Zeit zumindest mäßig unterhaltsam. Aber das neue Ende macht das ganze (satirische) Konzept des Films kaputt.