ALEXA LÄUFT AMOK
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Seit geraumer Zeit macht sich ein gewisser Trend bemerkbar. Romantische Cinderella-Geschichten sind mehr und mehr out, komödiantische Hetero-Herzblattshows zumindest im familientauglichen Mainstream-Kino angesichts einer immer liberaleren Beziehungswelt längst nicht mehr der universelle Plot. Da war Die Eiskönigin noch eine Art Relikt, bevor die mutigen Coming-Of-Age Heroen (vorwiegend weiblich) aus Mulan, Raya und der letzte Drache oder Die bunte Seite des Monds nicht um ihre Liebe, sondern um die Familie und überhaupt um den ganzen Erhalt einer harmonisch funktionierenden Gesellschaft kämpfen. Wobei Familie in Hollywood sowieso immer schon wichtig war. Und vor allem auch bei Disney: mal in penetranten Soll-Lettern, und dann wieder auf einer gepflegten Meta-Ebene. Sony findet da auch seinen Weg.
In Die Mitchells gegen die Maschinen ist zumindest keiner der Familienmitglieder – vorzugsweise der Eltern – eines außertürlichen Todes gestorben. Meist ist auch diese Schablone bei Jugendfilmen gern gesehen, um die oder den Protagonisten vom übrigen Co-Cast klarer abzugrenzen. Hier, in der von Sony produzierten und animierten Komödie, die mangels möglicher Kinoauswertung an Netflix verkauft wurde, haben wir es anfangs mit einer Allwerweltsfamilie zu tun, die sich selbst sehr schräg vorkommt – insbesondere Tochter Katie, die ihre Leidenschaft für Filme in selbstgemachten Videos zelebriert und kurz davorsteht, in einer Filmschule neu durchzustarten. Zwischen Vater und Tochter hängt da leider der Haussegen schief, und um die Beziehung wieder in richtige Bahnen zu lenken, entscheidet sich Papa Rick, seine Tochter höchstpersönlich an den neuen Schulort zu geleiten – per Automobil und der ganzen Familie, versteht sich. Das kann ja heiter werden. Und wird es auch, da ziemlich zeitgleich eine künstliche Smartphone-Intelligenz a la Alexa die Weltherrschaft an sich reißen will und dafür ganze Roboterarmeen aussendet, um Homo sapiens einzufangen. Dieser böse Plan geht auch auf – nur hat die K.I. nicht mit der Schlagfertigkeit der letzten freien Familie gerechnet, die ihre Diskrepanzen überwindet, um den Planeten zu retten.
Da ein Szenario wie in H.G. Wells Krieg der Welten wohl fürs Familienpublikum undenkbar wäre, werden wir, die Menschen, kurzerhand einfach nur eingesammelt. Das funktioniert und schafft damit dennoch eine wohlig beklemmende Endzeitstimmung, die auch den jüngst geeigneten Nachwuchs nicht dazu nötigt, bei den Eltern einzuschauen. Abgesehen davon ist diese schrille, vierköpfige Familie samt Hund viel zu situationskomisch, um hier die positiven Vibes nicht abzukriegen. Die Mitchells gegen die Maschinen fühlt sich an wie Pixars Die Unglaublichen – nur ohne Superhelden-Attitüde und statt Baby gibt’s den Mops, der für die meisten Lacher sorgt, nebst des grobschlächtigen Vaters, dessen Charakter am schönsten beschrieben wird. Klar, es gibt jede Mange hyperaktives Chaos, Geplärre und Hektik – das hätte Pixar womöglich um einige Dezibel runtergeschraubt. Allerdings nimmt sich das von Chris Lord und Christopher Miller (Oscar für Spider-Man: A New Universe) produzierte Abenteuer gerade anfangs erstaunlich viel Zeit, um die liebe Familie mit all ihren Eigenheiten und eingebettet in ihren Alltagsrhythmus vorzustellen. So macht man das, bei Endzeit- oder Katastrophenfilmen, auch wenn sie animiert und kindertauglich sind.
Den völlig aus dem Ruder laufenden Overkill hätte es am Ende zwar nicht gebraucht, aber dennoch: dieser Genremix unterhält. Dank der kleinen, originellen Details, die geschickt in die Handlung eingeflochten sind – und diese auch vorantreiben. Denn wer hätte gedacht, dass es mal gut sein kann, einen Vierkant-Schraubenzieher mit rutschfestem Griff dabeizuhaben. Ja, gut, MacGyver vielleicht…
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