Auf der Spur des Falken vom Weg abgekommen
Von Lutz Granert„Die Spur des Falken“ (1941) mit Humphrey Bogart als knallharter Privatdetektiv gilt nicht von ungefähr als einer der einflussreichsten Klassiker der Filmgeschichte: Schließlich war John Hustons Meisterwerk mit seiner zynisch-pessimistischen Weltsicht, ikonischen Figuren wie der verführerischen femme fatale und seinem raffiniert verschachtelten Plot ein stilbildender Mitbegründer des Film noir. Mit der endgültigen Durchsetzung des Farbfilms Ende der Fünfzigerjahre machte sich dieser Filmstil zunehmend rar. Mit „The Poison Rose – Dunkle Vergangenheit“ versucht das Regiegespann aus Francesco Cinquemani („Jenseits der Realität“) und „Bad Boys“-Autor George Gallo nun, direkt an John Hustons Kultfilm anzuknüpfen, der hier – als ehrerbietende Referenz – gleich in der allerersten Szene deutlich sichtbar auf dem aktuellen Spielplan eines Kinos steht. Doch trotz einer hochkarätigen Besetzung bleiben in dem weichgespülten und überkonstruierten Neo-Noir sowohl Tempo als auch Spannung komplett auf der Strecke.
Los Angeles, 1978: Der ehemalige Highschool-Footballstar Carson Philips (John Travolta) arbeitet inzwischen als Privatdetektiv. Als er damit beauftragt wird, in Texas nach einer Vermissten namens Barbara Van Poole zu suchen, die dort in einem Sanatorium leben soll, holt ihn jedoch seine eigene Vergangenheit wieder ein. Er kehrt in seine Heimatstadt aus Jugendtagen zurück und trifft dort mit dem zwielichtigen Geschäftsmann Doc (Morgan Freeman), dem Sheriff Bing Walsh (Robert Patrick) und seiner vermögenden Ex-Freundin Jayne Hunt (Famke Janssen) alte Bekannte wieder. Carson kommt bei seinen Nachforschungen nicht voran, bis der aufstrebende Football-Star Happy (Devin Ellery) während eines Spiels auf rätselhafte Weise verstirbt – und Jaynes Tochter Becky (Ella Bleu Travolta), die mit Happy liiert war, plötzlich ganz oben auf der Liste der Verdächtigen steht...
Auf dem Poster mutet das Duell zwischen John Travolta und Morgan Freeman noch sehr viel spannender an als im Film.
Samtweiche Überblendungen bei Szenenwechseln, Interieurs unter milchigen Nebelschleiern, hin und wieder melancholischer Jazz als Musikuntermalung: An aufdringlich eingesetzten Stilmitteln, die in ihrer Antiquiertheit an eine längst untergegangenes Epoche Hollywoods erinnern, mangelt es „The Poison Rose – Dunkle Vergangenheit“ wahrlich nicht. Doch anders als etwa Curtis Hanson, dessen hochspannender Neo-Noir-Thriller „L.A. Confidential“ (1997) abgründige Figuren und bis zum Ende überraschende Wendungen bereithielt, wollen sich hier nie wirklich filmnostalgische Gefühle einstellen. Denn dem lahmen Thriller fehlt trotz szenischer Reminiszenzen an die Filme der „Schwarzen Serie“ und einer betonten Coolness, etwa wenn Carson zu seiner zynischen Voice-Over-Erzählstimme mit seinem Chevrolet durch die Nacht braust, am Ende doch jeglicher Drive.
Dem Drehbuch vom Dreigespann Francesco Cinquemani, Luca Giliberto und Richard Salvatore ist zwar deutlich das Bemühen anzumerken, den überladenen Plot um Wettbetrug, Drogenhandel und Korruption clever zu verdichten – doch es ist ihnen leider nicht gelungen, die einzelnen, nur lose nebeneinanderstehenden Storyfäden zu einem kongruenten Ganzen zusammenzuflechten. Carsons ohnehin zähen Ermittlungen werden immer wieder von unnötigen und wenig ergiebigen Dialogszenen ausgebremst, die dann auch nur Nice-to-Know-Erkenntnisse, aber kaum nennenswerte Ergebnisse ans Tageslicht befördern. Der Fokus gerät dabei schnell völlig verloren – und so kommt nur selten wirklich Spannung auf.
Diese Lahmarschigkeit färbte auch auf die Spiellaune der (einstigen) Topstars ab: Nachdem von „Criminal Activities“ über „Gotti“ bis „The Fanatic“ in den vergangenen Jahren wirklich jeder seiner Filme bei Kritik und Publikum durchfiel, kommt John Travolta auch in „The Poison Rose“ nicht über ein wandelndes Figurenklischee (versoffener, spielsüchtiger Privatdetektiv) hinaus. Mit Rundrücken schlurft er abseits einiger kurzer Shoot-Outs ebenso schwerfällig wie gelangweilt durch die Szenerie – da erstaunt die Aussage seiner auch mitspielenden Tochter Ella Bleu Travolta, die ihn in einem Interview als „besten Mentor überhaupt“ angepriesen hat.
Morgan Freeman („Das ist erst der Anfang“), der entweder am Pokertisch, beim Essen oder im Freien sitzt und mit latenten Drohgebärden um sich wirft, bleibt ebenso unterfordert wie Famke Janssen (Jean Grey aus den „X-Men“-Filmen). Einzig einem dicklichen Brendan Fraser („Die Mumie“-Trilogie) ist fünf Jahre nach seiner letzten Kinorolle in „Gimme Shelter“ in seiner Rolle als tumb-dubioser Arzt die wiedergewonnene Spielfreude deutlich anzumerken. Aber das reicht neben einigen Stilzitaten und einem mysteriösen Filmtitel, der auch nie wirklich erklärt wird, natürlich längst nicht aus, um dem Film noir zu einem neuerlichen Revival zu verhelfen.
Fazit: Ein zerfasernder Plot mit zu vielen Nebenhandlungen, eine schleppende Inszenierung und ein gelangweilter John Travolta lassen den ohnehin lauen Thriller „The Poison Rose – Dunkle Vergangenheit“ endgültig zu einer zähen Masse gerinnen.