Mein Konto
    Unknown User 2: Dark Web
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Unknown User 2: Dark Web

    Der nächste sehenswerte Desktop-Horror-Thriller

    Von Tobias Tissen

    2015 erwies sich der Horrorfilm „Unknown User“ als Publikumshit. Bei einem Produktionsbudget von nur rund einer Million Dollar wurde an den weltweiten Kinokassen ein Umsatz von 64 Millionen Dollar generiert. Einer der Gründe für diesen Überraschungserfolg: Der Film findet – von wenigen Sekunden am Ende abgesehen – konsequent auf dem Desktop der Protagonistin statt. Die Dialoge mit anderen Figuren werden über einen Skype-Videochat geführt. Ein Inszenierungsansatz, der 2015 – zumindest für einen Mainstream-Kinofilm – nicht nur ein völliges Novum darstellte, sondern offenbar auch den aktuellen Zeitgeist und damit bei vielen mit dem Internet aufgewachsenen Zuschauern einen Nerv traf.

    Mit „Unknown User 2: Dark Web“ liefert Regisseur und Drehbuchautor Stephen Susco („The Grudge“) nun eine Fortsetzung, die zumindest inhaltlich rein gar nichts mit dem Vorgänger zu tun hat, aber dafür nahtlos an dessen formales Konzept anknüpft. Deshalb wirkt das Sequel logischerweise auch nicht mehr so innovativ und unverbraucht wie noch „Unknown User“ drei Jahre zuvor (immerhin startete mit „Searching“ erst kürzlich ein weiterer Desktop-Thriller in den deutschen Kinos). Trotzdem ist „Unknown User 2: Dark Web“ die meiste Zeit über kurzweilig und stellenweise sogar richtig packend. Das liegt vor allem daran, dass das Erzählen nur über Fenster auf einem Desktop keine rein technische Spielerei bleibt. Vielmehr wird der Film so glaubhaft in unserem durchdigitalisieren Alltag verankert, wodurch er – trotz eines eigentlich völlig hanebüchenen Plots – ein erstaunlich hohes Maß an Authentizität erreicht.

    Programmierer Matias (Colin Woodell) feilt an einer Übersetzungssoftware für Zeichensprache, um endlich besser mit seiner gehörlosen Freundin Amaya (Stephanie Nogueras) kommunizieren zu können. Weil er dafür einen sehr leistungsstarken Computer benötigt, dafür allerdings nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, hat er sich diesen kurzerhand von einem ihm unbekannten Vorbesitzer „besorgt“. Beim Skype-Spieleabend mit seinen Freunden Nari (Betty Gabriel), Serena (Rebecca Rittenhouse), Damon (Andrew Lees), Aj (Connor Del Rio) und Dj Lexx (Savira Windyani) entdeckt Matias plötzlich eine riesige Menge versteckter Daten auf seinem neuen Laptop. Neugierig wirft er einen Blick in die Videodateien – und entdeckt dabei unfassbar Grausames. Aber damit noch nicht genug: Offenbar wird das Gerät noch immer vom Vorbesitzer kontrolliert – und der würde offenbar wirklich alles tun, nur um den Laptop wieder in seinen Besitz zu bringen…

    Vermutlich werden sich nicht wenige selbst in Protagonist Matias wiedererkennen, der über die gesamte Laufzeit hinweg parallel durch verschiedenste Programme und Internetseiten wie Google, Facebook, Skype, Spotify oder Bitcoin.com navigiert. Nebenbei unterhält er sich zudem noch mit Freunden und Partnerin via Skype-Call oder Facebook-Chat. Mit seiner Implementierung all dieser real existierender Marken wirkt „Unknown User 2: Dark Web“ wie ein authentischer Blick über die Schulter des WG-Kumpels. Und das ist zugleich auch eine der gefälligsten Änderungen im Vergleich zu „Unknown User“: Während man dort noch mit einer Gruppe nervtötender und selbstsüchtiger Teenies mitfiebern sollte, sind Matias und seine Online-Clique im Studentenalter und wirken durchweg sympathisch – wenn auch teilweise, wie etwa beim für Verschwörungstheorien anfälligen YouTube-Star A.J., auf eine betont spleenige Art.

    Das schlägt sich auch in den Dialogen nieder, in denen neben flapsigen Frotzeleien, wie sie in einer geselligen „Cards Against Humanity“-Spielrunde unter Freunden nun mal stattfinden, auch immer wieder bedeutendere Themen angeschnitten werden. So spielt zum Beispiel das Aufrechterhalten von alten Freundschaften nach der gemeinsamen Schulzeit eine Rolle – eine Herausforderung, die wohl jeder jenseits der 20 kennt. Noch positiver fällt jedoch der überraschend sensible Umgang mit der Liebe zwischen Matias und seiner gehörlosen Partnerin Amaya auf. Den Problemen einer solchen Beziehung in Zeiten einer immer schneller werdenden Digitalisierung, die mit ihrer allgegenwärtigen, oft parallelen Online-Kommunikation Missverständnissen eh schon Tür und Tor öffnet, wird angenehm viel Zeit eingeräumt. So entwickelt man schnell Sympathien für das Paar, was sich auch im gnadenlosen Finale auszahlt.

    Einen großen Teil zur gelungenen Figurenzeichnung tragen die durchweg überzeugenden Jungdarsteller bei. Trotz ihres enorm begrenzten Aktionsradius (man sieht sie schließlich fast ausschließlich in kleinen Videochat-Fenstern) gelingt es ihnen, ihre Rollen mit Leben zu füllen, ihnen Profil und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Zu keinem Zeitpunkt würde man anzweifeln, dass sie sich auch im wahren Leben in genau dieser Konstellation regelmäßig zur gemeinsamen Skype-Runde verabreden.

    Aber wo „Unknown User 2: Dark Web“ in puncto Inszenierung, Figuren und Darsteller auf ganzer Linie überzeugt, schwächelt der Horror-Thriller ausgerechnet dann, wenn die Spannungsschraube angezogen und zunehmend auf Schockmomente gesetzt wird: Die mit einigen mehr oder weniger logischen Twists gespickte Tech-Detektiv-Geschichte nimmt sich zugunsten der Figurendarstellung zunächst nur langsam Fahrt auf. Das fällt hier auch noch gar nicht negativ ins Gewicht, denn man schaut Matias und seinem langsam hektischer werdenden Desktop-Treiben nur allzu gern zu.

    Zum Problem wird es aber dann, wenn der gesamte Horror-Aspekt in das Schlussdrittel geprügelt wird, sich die Ereignisse immer mehr überschlagen und man als Zuschauer das Gefühl bekommt, die Macher wollten einem noch schnell ein paar Schauwerte vorsetzen, nur um die Nutzung des Etiketts „Horror“ zu rechtfertigen. Mehr als zwei oder drei ordentliche Schocks (neben deutlich mehr lahmen Jump Scares) springen dabei nämlich leider nicht heraus. Auch weil sich nicht wirklich mit den Möglichkeiten und Gefahren des titelgebenden Dark Web auseinandergesetzt wird: Für Regisseur und Autor Stephen Susco ist es anscheinend einfach nur ein Ort, an dem böse Menschen mit ihren Computern wirklich alles (!) machen können.

    Fazit: „Unknown User 2: Dark Web“ ist ein sehenswerter Desktop-Horror-Thriller, dessen Prämisse kein reines Gimmick bleibt, sondern stattdessen für ein großes Maß an Authentizität sorgt. Nach dem wohl glaubhaftesten Online-Spieleabend der Kinogeschichte fällt der Film aber ausgerechnet dann ab, wenn es im finalen Drittel mit dem Schrecken eigentlich so richtig losgehen sollte.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top