das Vergnügen um die Lügen
Eine britische und eine US-amerikanische Familie, die derzeit in London lebt, lernen sich in Italien kennen. Nicht lange nach dem Urlaub folgt die versprochene Einladung. Das Großstadttreiben für ein paar Tage mit einem Bauernhof auf dem Lande einzutauschen, ist keine schwere Entscheidung. Kaum eingetroffen, treten erste Anzeichen der Ernüchterung ein.
„Speak no Evil“ habe ich als Opener auf dem 38. Fantasy Filmfest in München gesehen.
Nicht mal 1 Jahr nach dem Start des dänischen Films „Gæsterne“ läuft das US-amerikanische Remake in den deutschen Kinos an. Ein Vergleich ist quasi unvermeidlich. Vorab: Die letzte halbe Stunde des Originals hat einen entscheidend anderen Plot.
Die großen Hollywood-Studios verfügen über ein größeres Budget, was dem jüngeren Film deutlich anzusehen ist. Das Farbschema kleidet die Leinwand etwas satter ein, wodurch Italien und der Südwesten Großbritanniens gleich noch urlaubshafter aussehen (Drehort: Kroatien). Die US-Version ist 12 Minuten länger und wartet mit ausgefeilteren Kameraperspektiven und eindrucksvollen Nahaufnahmen auf (vielleicht sogar zum selben Ticketpreis). Einige Szenen sind länger erzählt, weitere wurden bereits vor dem Showdown hinzugefügt. Während zu Beginn der Story die Dialoge nahezu identisch gesprochen werden, legt Regisseur James Watkins mehr Wert auf subtile Alltagsflunkereien, die viele Erwachsene verwenden. Es ist unterhaltsam, der Besucherfamilie zuzusehen, wie sie dabei ertappt werden. Von wem? Gastgeber Paddy (James McAvoy) hat eine sehr direkte Art.
James McAvoy gehört als Schauspieler zu den ganz Großen, was er in „Speak no Evil“ wiederum unter Beweis stellt. Dass der Schotte auf Durchgeknallte kann, wissen die Fans von „Drecksau“ (2013 von Jon S. Baird) und „Split“ (2016 von M. Night Shyamalan). Seine Rolle wirkt aber von Beginn an etwas zu sehr aufgeschnitten ruppig bis exzentrisch, wobei der nicht zu tadelnde McAvoy zweifellos der Anleitung des Filmemachers gefolgt ist.
Mit Ausnahme von Paddy treffen nur mehr oder weniger problembehaftete Normalos aufeinander. Das sehr gute Spiel des Casts wird durch die technische Dominanz aus Übersee einfach treffend eingefangen. Die Gemengelage Wirte-Gäste sowie die damit verbundenen, mehr werdenden Konfliktsituationen kommen im skandinavischen Produkt jedoch natürlicher rüber. Oder anders ausgedrückt: Es bleibt nicht nur der grausame Hintergrund besser verborgen, auch der Schlussakt ist bitterböser konsequenter Horror und folgt nicht einem Masterplot, der nach Leitmotiven von Walt Disney den US-Nachfolger beendet. Nun denn, unglaublich fesselnd sind beide Versionen.
„Speak no Evil“ von James Watson besticht durch ein stimmiges Konzept, ergänzt durch starke schauspielerische Leistungen. Einem Großteil des Publikums wird der Ausgang der Geschichte gefälliger sein. Die individuelle Kraft des dänischen Originals sucht man leider vergebens.