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    Die Agentin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Agentin

    Das Leben als 007 ist ein Drama!

    Von Björn Becher

    Wie in seinem preisgekrönten Debütfilm „Bethlehem“ erzählt Yuval Adler auch in seinem Thriller-Drama „Die Agentin“ von einer Zweier-Beziehung im Umfeld des israelischen Geheimdienstes – und zwar erneut fernab von der üblichen Hollywood-Agenten-Action, die man aus den James-Bond-Filmen gewöhnt ist. Hier gibt es keine technischen Gadgets, keine rasanten Verfolgungsjagden oder wilden Schießereien. Bei seiner Geschichte um eine junge Frau, die im Grunde nirgendwo dazugehört und so eher zufällig zu einer zentralen Mossad-Agentin wird, sowie ihrem Verbindungsoffizier, der mit der Zeit zunehmend seine alten Loyalitäten hinterfragt, konzentriert sich Adler vor allem auf die Frage, was das Leben als Spion mit einem Menschen anstellt. Das mitunter aber auch auf Kosten der Spannung.

    Der inzwischen seinen Ruhestand in Köln genießende Thomas (Martin Freeman), ein in Großbritannien geborener Ex-Agent des israelischen Geheimdienstes, erhält einen ebenso kurzen wie mysteriösen Anruf von Rachel (Diane Kruger), einer Agentin, für die er bis zu seinem Dienstaustritt persönlich verantwortlich war. Von seinen einstigen Mossad-Kollegen erfährt er kurz darauf: Rachel ist abgetaucht! Thomas soll deshalb alles, was er über sie weiß, noch einmal ausführlich erzählen, um so besser verstehen zu können, wie sie tickt: Einige Zeit nach ihrer Anwerbung wurde Thomas zu ihrem Verbindungsmann. Und er war es auch, der sie nach ersten kleineren Aufträgen getarnt als Englischlehrerin in den Iran geschickt hat. Dort wurde sie auf den Geschäftsmann Farhad (Cas Anvar) angesetzt, über den der Mossad dem Iran fehlerhafte Bauteile für das Atomprogramm der Regierung unterjubeln wollte. Aber Thomas musste damals schnell erkennen, dass Rachel zwar eine sehr gute Agentin ist, aber sich nicht so einfach kontrollieren lässt...

    Als Vorlage für „Die Agentin“ diente Yuval Adler der vieldiskutierte Roman „The English Teacher“ von Yiftach Reicher Atir. Der Autor gehörte vor seinem Ruhestand selbst zu den höchstrangigen Militär- und Geheimdienst-Generälen Israels und war unter anderem auch an der berühmten Operation Entebbe beteiligt, bei der 1976 israelische Soldaten eine spektakuläre Geiselbefreiungsaktion im afrikanischen Uganda unternahmen. Auch wenn Atir klarstellte, dass es sich bei seinem Roman um pure Fiktion handele, basierten die beiden Hauptfiguren doch zumindest lose auf realen Vorbildern. Nicht nur deshalb soll der israelische Geheimdienst ziemlich kalte Füße im Vorfeld der Buchveröffentlichung bekommen haben.

    Atirs Roman ist unbequem und dasselbe gilt nun auch für Adlers Adaption. So wird das Wirken des Mossad mehr als nur kritisch betrachtet. Etwa in einer frühen Szene, wenn bei einem von Rachels ersten Aufträgen nicht nur die Zielpersonen, sondern auch eine zufällige Zeugin eiskalt exekutiert wird. Vor allem aber zeigt die Geschichte, wie entbehrlich die eingesetzten Agenten sind – allen voran die beiden Hauptfiguren: Rachel und Thomas handeln nicht aus patriotischer Überzeugung, sie sind nicht einmal Israelis, sprechen kaum oder kein Hebräisch. Sie sind „Außenseiter“ und so werden sie auch von den übrigen Mossad-Agenten behandelt.

    Das daraus resultierende Leben in Angst nicht nur vor den Feinden Israels, sondern auch vor den eigenen Vertrauten, ist aber nur eines der zentralen Themen. Noch viel grundsätzlicher geht es Adler zunächst einmal darum zu zeigen, was das Leben mit verschiedenen Identitäten überhaupt mit einem Menschen anstellt. Gerade Rachel weiß irgendwann selbst nicht mehr: Wer ist die Person, die der Mossad angeheuert hat? Wer ist die Person, die Undercover eingesetzt wird? Und wer ist die echte Frau hinter all dem? Wer so lebt, hat ganz andere Sorgen als die Frage, ob er seine Martinis lieber geschüttelt oder gerührt trinkt.

    Dazu fordern die eigenen Taten ihren Tribut, was das Leben eines Menschen endgültig zerstören kann. Wie stark Adler die daraus resultierende Tragik in den Vordergrund stellt, zeigt sich exemplarisch in einer Sequenz, in der Rachel sich nachts heimlich in den Serverraum einer Firma einschleicht, um dort eine Ausspähsoftware zu installieren. Als plötzlich der Nachtwächter seine Runden macht, ist das eigentlich der perfekte Moment, die Spannungsschraube kräftig anzuziehen. Aber die superkurze Flucht durchs Treppenhaus lädt kaum zum Mitfiebern ein. Adler interessiert sich nämlich für etwas ganz anderes, was erst wenige Minuten später klar wird: Rachel steht nämlich plötzlich vor der Entscheidung, was sie nun mit dem Zeugen machen soll, mit dem sie sich zuvor noch beim gemeinsamen Rauchen angefreundet hatte.

    Adler mutet seiner Protagonistin extrem viel zu und nimmt dabei auch keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner eigenen Landsleute. Da ist es nur konsequent, wenn der israelische Filmemacher zeigt, dass die vom Mossad für Attentate in den Iran geschmuggelten Bomben auch Kinder töten. Stück für Stück wird so Rachels Vertrauen in ihre Arbeit, der Glaube, etwas Gutes zu tun, erschüttert. Allerdings wirft Adler dabei bisweilen so viele neue Steine auf sie, dass in der Erzählung nur wenig Raum bleibt, um die einzelnen Auswirkungen der Schicksalsschläge zu schildern. Die ganze abgründige Tragik greifbar zu machen, bleibt so vor allem der starken Diane Kruger („Inglourious Basterds“) überlassen, die von Minute zu Minute abgekämpfter wirkt. Ihr kann man förmlich ansehen, wie die fehlende eigene Identität die Frau langsam aber sicher von innen heraus zerfrisst.

    Fazit: Ein Thriller-Drama, das zeigt, wie wenig das wahre Agentenleben mit der Welt von James Bond & Co. zu tun hat.

    Wir haben „Die Agentin“ im Rahmen der Berlinale 2019 gesehen, wo er im offiziellen Wettbewerb (außer Konkurrenz) gezeigt wurde.

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