Aneesh Chaganty liefert mit „Searching“ sein Langfilmdebüt ab.
Die 16-jährige Schülerin Margot Kim (Michelle La) ist unerwartet verschwunden. Vater David (John Cho) und Detective Rosemary Vick (Debra Messing) setzen alles daran, die Teenagerin wiederzufinden.
„Searching“ läuft in der Darstellung über FaceTime, Dateiexplorer, Videostreams u.ä. Das heißt, die Leinwand wird zum PC-Bildschirm, welcher u.a. Videobilder mit schwankender Qualität zeigt. Zudem ist einiges Geschriebenes mitzulesen. Das dürfte denjenigen Kinogängern nicht schmecken, die sich gerne durch raffiniert beleuchtete Sets sowie geschickt eingefangene Nahaufnahmen verwöhnen lassen und darauf warten, dass der „richtige“ Film beginnt. Doch Chaganty hat sich etwas dabei gedacht und wird belohnt. Durch Davids Umgang mit den Instrumenten der sozialen Medien lernt das Publikum die Figuren sehr gut kennen und kann sich mit ihnen identifizieren. Der Vater dringt in die Privatsphäre der Tochter ein. Margots Charakter wird dadurch allmählich offengelegt und David erschüttert. Es entsteht eine emotional mitreißende Tiefe. Der viel gebuchte John Cho (u.a. Star Trek) trägt mit einer beeindruckenden Performance zum Gelingen bei. Besonders zu loben ist außerdem, dass die Desktop-Gestaltung in einen ordentlichen Erzählrhythmus eingebettet worden ist.
Aneesh Chaganty, der am Drehbuch mitgewirkt hat, möchte einen tauglichen Thriller zeigen. Er konstruiert die Geschichte zugunsten einer kurz vor dem Ende unerwarteten Wendung leider mit der Brechstange. Wer die Szenen nach der Vorstellung gedanklich nochmals abspult, wird die vielen geschickt gesetzten Hinweise auf die wahre Begebenheit, jedoch auch einige Ungereimtheiten nicht übersehen können. Es gehört viel Mut und Talent dazu, ein Geheimnis frühzeitig zu offenbaren, in der Folge die Protagonisten ihrer Gesinnung nach handeln zu lassen und trotzdem einen packenden Film zu schaffen. Bei „Gone Girl“ von Meisterregisseur David Fincher hat das hervorragend funktioniert.
„Searching“ zeigt die Beeinflussung des Menschen. Wie viele Spuren hinterlässt der User absichtlich und unabsichtlich in den sozialen Netzwerken, inwieweit wird er von ihnen abhängig und verführt, in die Irre gelenkt, wem vertraut er, wem nicht? Mit der Beantwortung dieser Fragen sendet Chaganty Botschaften. Das ist effektiver als seine Krimistory.
Die mittelmäßige Geschichte mit künstlich verblüffendem Finale fruchtet zwar nur teilweise, die interessant vollführte Entblätterung der Charaktere und die Betrachtung der Medienlandschaft lassen dagegen „Searching“ doch noch zu einem ansehnlichen Werk werden.