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    Flitzer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Flitzer
    Von Thomas Vorwerk

    Das „Flitzen“ (englisch: streaking) ist eine Aktivität, die bevorzugt bei sportlichen Großereignissen in Fußballstadien durchgeführt wird, um Aufmerksamkeit zu erregen, auch wenn man selbst bei Oscarverleihungen nicht sicher ist vor den nackten Kurzstreckenläufern. In der nur bedingt exhibitionistischen Schweizer Komödie „Flitzer“ macht Regisseur Peter Luisi („Ein Sommersandtraum“) zusammen mit seinem Hauptdarsteller und Co-Autoren, dem Kabarettisten Beat Schlatter, die textilfreie Kuriosität des Flitzens nun zur veritablen Trendsportart und das damit einhergehende Amüsement überträgt sich auch aufs Kinopublikum.

    Lehrer Sebastian „Balz“ Näf (Beat Schlatter) kämpft seit Jahren für den großen Traum seiner verstorbenen Frau, dem Schweizer Dichter Gottfried Keller („Kleider machen Leute“) ein eigenes Museum zu widmen. Doch das dafür bereits mündlich vom Schulleiter (Dominic Deville) zugesagte Fördergeld wird bei einer finalen Abstimmung im Kollegium spontan lieber einem Sportplatz mit FIFA-zertifizierten Rasen zugesprochen. Nach diversen Verwicklungen, bei denen der auf illegale Sportwetten spezialisierte junge Friseur Kushtrim (Bendrit Bajra) eine wichtige Rolle spielt, setzt Balz einfach die gesamten 741.000 Franken auf ein abgekartetes Fußballspiel, damit doch noch beide Pläne verwirklicht werden können. Der bestochene Torwart der Heimmannschaft gibt sich zwar (un)redlich Mühe, in die falsche Ecke zu springen, aber der Stürmer wird ausgerechnet durch einen Flitzer so aus dem Konzept gebracht, dass schließlich die falsche Mannschaft gewinnt…

    An dieser Stelle geht der Film erst richtig los, denn der in arge Finanznöte geratene Lehrer braucht genauso wie der Buchmacher/Figaro Kushtrim nach der schiefgelaufenen Spielmanipulation eine neue Einnahmequelle und das Erlebnis mit dem Flitzer bringt sie auf die Idee zu einer neuen Art von Sportwetten: Wer mag, kann nun sein Geld bei ihnen darauf setzen, wie lange ein zuvor den Wettgeneigten angekündigter Nackedei in diversen Schweizer Stadien (16 Sportvereine, darunter die Young Boys Bern, unterstützten die Filmaufnahmen) über den Platz laufen kann, bis er von den Sicherheitskräften aufgehalten wird.

    „Flitzer“, der als lockere Schulkomödie beginnt, wird jetzt immer mehr zur absurden Gauner-Geschichte. Besonders amüsant sind die Aktivitäten rund um das heimliche Trainingslager, das Balz organisiert, um geeignete Flitzer zu rekrutieren. Zunächst kommt die Suche nach exhibitionistischen Läufern nicht so recht in Schwung, aber schließlich versammelt der inzwischen überall verlachte Lehrer (die eigene Tochter versucht zu verheimlichen, dass „Herr Näf“ ihr Vater ist) ein beeindruckendes Ensemble verschiedenster Typen um sich, denen jeweils eine eigene kleine Rolle zugewiesen wird: Da gibt es die Schüchterne, den Profi, den Migranten, das Callgirl, den Obdachlosen… Jeder darf seine Marotten in genüsslich zelebrierten Slapstickeinlagen ausspielen, wobei ein Tempo vorgelegt wird, das dem Filmtitel alle Ehre macht.

    Während die Flitzer-Aktionen immer populärer werden und sogar eine ganz eigene Fankultur hervorbringen, verdreifachen die Fußballfunktionäre die Ausgaben für Sicherheitskräfte und die karrierebewusste Polizistin Sandra Strebel (Dorothée Müggler) bekommt ein eigenes Einsatzkommando, um dem Mastermind hinter der neuen Trendsportart auf die Schliche zu kommen. So verwandelt sich der Film im letzten Drittel ein weiteres Mal, wenn hinter der eher harmlosen, trotz einiger Nacktauftritte familienfreundlichen Komödie plötzlich die leichtfüßige Variante eines Copthrillers à la „Departed – Unter Feinden“ hervorlugt.

    Balz versucht der Polizistin in Gesprächen über die schulischen Probleme der Kinder wichtige Strategien zu entlocken, während die eigens einen „Superagenten“ bemüht, der sich als Maulwurf unter die Flitzer mischen soll. Hierbei werden Mittel wie versteckte Kameras oder Handymanipulationen eingesetzt, um die andere Seite zu überlisten. Und bei dem ganzen fröhlichen Spionieren entwickelt sich nebenbei dann auch noch eine Romanze. Die zärtlichen Gefühle nimmt man den doch arg unterschiedlichen Kontrahenten allerdings nicht unbedingt ab, aber das fällt genauso wie einige Holprigkeiten bei den „Actionszenen“, deren Inszenierung dadurch bestimmt zu sein scheint, welcher Schauspieler wieviel Nacktheit zulässt, nicht allzu schwer ins Gewicht.

    Fazit: Eine echte Feelgood-Komödie, die trotz der Untertitel (Schwizerdütsch versteht ja nicht jeder) ein großes Publikum verdient hat: Charmante Darsteller, ein durchdachtes Drehbuch und lauter tolle kleine Ideen machen kleine Schwächen locker wett.

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