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    Immenhof - Das Abenteuer eines Sommers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Immenhof - Das Abenteuer eines Sommers

    Bodenständige Pferderomantik

    Von Antje Wessels

    Das Pferdekino erlebt in Deutschland seit einigen Jahren eine regelrechte Renaissance: Sei es die bunte, verspielte und selbstironische „Bibi & Tina“-Reihe, die dramatische „Ostwind“-Saga, die kindliche Reiterhof-Welt von „Wendy“ oder der unkonventionelle „Rock My Heart“ – das (vornehmlich) junge Publikum bekommt mittlerweile mit erstaunlicher Regelmäßigkeit neue Kinoabenteuer mit den behuften Vierbeinern präsentiert. Mit „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ reiht sich nun auch noch die Neuauflage eines wahren Klassikers des Pferdekinos in diese aktuelle Welle ein. Basierend auf Ursula Bruns Jugendroman „Dick und Dalli und die Ponies“ feierte 1955 „Die Mädels vom Immenhof“ seine Premiere und war dabei so erfolgreich, dass gleich zwei Fortsetzungen nachfolgten. In den Siebzigern kamen dann noch zwei weitere „Immenhof“-Kinofilme dazu, ehe die Geschichten der pferdevernarrten Familie Jantzen ab 1993 in einer ZDF-Familienserie weitererzählt wurden. Jetzt finden die Jantzens also ins Kino zurück – und dort erleben sie unter der Regie von Sharon von Wietersheims („Workaholic“) ein charmantes, wenngleich alles andere als originelles Abenteuer.

    Die verwaisten Geschwister Charly (Laura Berlin), Lou (Leia Holtwick) und Emmie (Ella Päffgen) schlagen sich recht gut durchs Leben. Zwar hat die 16-jährige Lou den Tod ihres Vaters noch immer nicht verarbeitet, doch mit ihrer außergewöhnlichen Pferde-Expertise hält sie sein beschauliches Gestüt Immenhof weiterhin am Laufen. Es könnte alles so friedlich sein, doch dann entdeckt Lou einen schwarzen Hengst, der im Moor feststeckt. Als sie ihn zusammen mit ihrem Kindheitsfreund Matz (Rafael Gareisen) rettet, wird diese Heldentat jedoch nur mit Ärger entlohnt: Bei dem Hengst handelt es sich um Cagliostro, den neuesten Erwerb des vom eiskalten Geschäftsmann Jochen Mallinckroth (Heiner Lauterbach) geführten Nachbarhofs. Und der wirft den Jantzens vor, durch die „unsachgemäße“ Rettungsaktion sein prächtiges Rennpferd verkorkst zu haben. Friedensgespräche schmettert er ab – und um es den Schwestern so richtig zu zeigen, kündigt er einen alten Kredit, der auf dem Immenhof lastet. Können die Schwestern ihre Heimat noch retten?

    Sharon von Wietersheims Drehbuch weist frappierende Ähnlichkeiten zu „Wendy – Der Film“ auf - und der war ja bereits so etwas wie die Blaupause deutscher Pferdegeschichten. Aber „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ hat dem ersten „Wendy“-Film trotzdem etwas Entscheidendes voraus: Wo „Wendy – Der Film“ aufgrund der gestelzten Mensch-Tier-Szenen und dem ungewohnt hölzernen Spiel der sonst so überzeugenden Jule Hermann enttäuschte, fühlt sich „Immenhof“ deutlich natürlicher und organischer an. Von Wietersheim fängt das Pferdetreiben in schönen und sich gleichzeitig dem Pferdeposter-Kitsch verweigernden Bildern ein und achtet, wann immer die Jantzens mit Pferden interagieren, auf Authentizität. Dass ihr Drehbuch vor allem Lous Umgang mit den Tieren, ähnlich wie bei Mika in den „Ostwind“-Filmen, als Folge eines enormen angeborenen Talents beschreibt, selbst wenn sie bloß das große Einmaleins des Pferdetrainings befolgt, lässt man da gern als dramaturgische Freiheit durchgehen. Letztlich soll ja nur vermittelt werden, dass sie besser auf die Pferde eingeht als die geschäftig-mechanisch vorgehenden Pferdetrainer vom protzigen Nachbarhof.

    Dadurch, dass von Wietersheim den Umgang mit den Pferden so ungehemmt und ungekünstelt vermittelt, stört die unoriginelle Story gleich viel weniger: Die Regisseurin und Autorin erfindet mit „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ das Hufeisen keineswegs neu, aber sie schmiedet es mit spürbar ehrlichem Interesse und bietet der Zielgruppe somit ein liebenswürdiges Kinoerlebnis, das etwa am bemühten „Wendy“-Film locker vorbeizieht. Ebenfalls nicht originell, aber trotzdem gelungen sind die Modernisierungsversuche bei der Story. So bekommen die Jantzens während ihres überaus bewegten Sommers unfreiwillige Hilfe in Form des YouTubers Leon (Moritz Bäckerling), der auf dem Immenhof Sozialstunden ableisten muss. Natürlich ist dieser „Wir packen einfach eine YouTuber-Figur rein“-Kniff längst auf dem besten Weg zum ausgelutschten Klischee, aber zumindest setzt von Wietersheim Webaffinität nur hier und da mal ein, statt das Pferdehof-Ferienflair einem modernen YouTube-Chaos zu opfern.

    Während Moritz Bäckerling als Schnösel aus Berlin, der sich langsam akklimatisiert, eine solide Figur macht, legt Rafael Gareisen seine Rolle etwas zu harsch an. Dass Lous eifersüchtiger bester Freund Matz besitzergreifende Tendenzen hat und sich deshalb immer mal wieder total danebenbenimmt, verzeiht ihm das Skript einfach viel schneller, als es Gareisens intensives Spiel in den dramatischeren Momenten rechtfertigen würde. Generell hat „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ einige erzählerische Fransen: Neben Matz' allzu sprunghaften Persönlichkeitswandel gibt es auch noch einige andere Nebenhandlungsstränge, die halbgar wirken –etwa das Verhältnis zwischen Charly und Viktor (Max von Thun), dem einzigen menschlichen Angestellten auf dem Nachbarhof, das in zwei, drei Sätzen abgehakt wird.

    Der erzählerische Fokus liegt ganz klar auf Lou und ihren Bemühungen, den Immenhof zu retten, die sie mehrmals mit dem grantigen Mallinckroth sowie mit dem traumatisierten Cagliostro interagieren lässt. Hauptdarstellerin Leia Holtwick, die bislang vornehmlich als Model tätig war, erweist sich in ihren Szenen als eine überzeugende Neuentdeckung: Sie ist ausdrucksstark, ohne zu dick aufzutragen, selbst wenn sie einige ihrer Dialoge noch etwas steif aufsagt. Auch im Umgang mit den Pferden wirkt sie absolut souverän.

    Fazit: „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ mag erzählerisch auf ausgetretenen Pfaden wandeln, findet dabei jedoch eine gute Balance zwischen Bodenständigkeit und Pferderomantik, weshalb der Film dann doch sehr viel charmanter und weniger kitschig als viele Genrekonkurrenten wirkt.

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