Auf dem Poster zu Michael Barretts Horrorfilm „Temple“ wird damit geworben, dass der Film vom Autor von „You’re Next“ und „Blair Witch“ stammt. Das wäre Simon Barrett (nicht verwandt mit dem Regisseur), der insbesondere für seine Kollaborationen mit Adam Wingard („The Guest“, „Death Note“) bekannt ist und bei Horrorfans deshalb inzwischen einen ziemlich guten Ruf genießt. Nun ist „Temple“ ein langsam erzählter mythologischer Horrorfilm – und das würde ja durchaus zum Slowburn-Experten Barrett passen. Allerdings hat der selbst einen ausführlichen Blogbeitrag verfasst, in dem er sich sehr überrascht von dem Projekt zeigt – sein Skript zu „Temple“ hätte er nämlich schon Jahre früher für gerade einmal 2.500 Dollar für seinen Regie-Kumpel JT Petty geschrieben und was davon noch bis zum nun tatsächlich in Produktion gehenden Projekt übriggeblieben wäre, das wisse er auch nicht. Es ist also davon auszugehen, dass im fertigen „Temple“ nicht mehr allzu viel von Barrett drinsteckt – und das merkt man auch: Den erfrischen wagemutigen Esprit von „You’re Next“ oder die ansteckende Genreverliebtheit eines „Frankenfish“ sucht man hier jedenfalls vergebens.
Die Studentin Kate (Natalia Warner) reist mit ihrem Liebhaber James (Brandon Sklenar) ins japanische Hinterland, um dort eine alte buddhistische Tempelanlage zu besuchen. Weil sich die Amerikanerin zwar für religiöse Symbolik und japanische Folklore interessiert, selbst jedoch kein einziges Wort Japanisch spricht, nimmt sie zudem ihren besten Freund Christopher (Logan Huffman) als Übersetzer mit in den Dschungel. Von den Anwohnern erfährt dieser, dass der Tempel von einem Fluch belegt ist und sich niemand auch nur in dessen Nähe wagt. Eine Führung sei damit ausgeschlossen und auch eine Wegbeschreibung wird den Touristen verweigert. Christopher schafft es dennoch, eine Karte zu organisieren - und so bricht das Trio am nächsten Tag entgegen aller Warnungen zu ihrem Ziel auf. An der religiösen Stätte angekommen, bemerken die Amerikaner, dass sie von irgendjemandem – oder irgendetwas – verfolgt werden. Aber das ist nicht das einzige Problem der Reisegruppe: Die Spannung zwischen Christopher und dem zunehmend eifersüchtigen James droht ebenfalls zu eskalieren…
Bei „Temple“ steht lange Zeit allein die Spannung zwischen den Figuren im Zentrum. Der eigentliche Spuk beginnt hingegen erst im letzten Viertel des Films. Trotz der vielen Aufmerksamkeit, die ihnen die Macher entgegenbringen, bleiben die Hauptfiguren James, Kate und Christopher aber von der ersten bis zur letzten Minute vollkommen blass. Das ist zum Teil sicher auch den miesen schauspielerischen Leistungen geschuldet, aber das größte Problem des Films bleiben seine klischeehafte Handlung und die kaum zu ertragenden Protagonisten, mit denen es sich die Macher nur selbst schwermachen: Kate ist ein Dummchen, das es anscheinend kaum erwarten kann, endlich umgebracht zu werden. Ihr Freund James entpuppt sich als klassisches dünnhäutiges Arschloch und Christopher ist ein unangenehmer Schleimer, der seine Freunde heimlich beim Sex filmt. Gemeinsam spazieren die drei Unsympathen also durch die Wälder Japans, wo sie gelegentlich komische Geräusche aus dem Unterholz vernehmen und von Einheimischen (gruselige) Geschichten über ihr Reiseziel erzählt bekommen.
In Bezug auf das Trio gibt es übrigens keinerlei spannende Enthüllungen. Im Verlauf des Films wird zwar immer wieder angedeutet, dass zwischen den Freunden eine problematische Dreiecksbeziehung besteht, am Ende läuft dieser Handlungsstrang jedoch einfach schnurstracks ins Leere. Womöglich soll die Zeichnung der amerikanischen Tempel-Touristen als unbelehrbare, ignorante Trottel, die die fremde Kultur und ihre Menschen offenbar lediglich als Teil der exotischen Dekoration betrachten, als Zivilisationskritik verstanden werden. Aber als solche wäre der Film nicht nur zu oberflächlich, ihm fehlt auch jeder satirische Biss. So hat „Temple“ durch seine Protagonisten-Wahl absolut nichts gewonnen – steht aber trotzdem plötzlich ohne jegliche Sympathieträger dar.
Das wäre ja alles noch irgendwie verzeihbar, wenn der Film stattdessen das unkonventionelle Setting zumindest nutzen würde, um eine gruselige Atmosphäre zu schaffen. Statt auf psychologischen Horror oder eine düstere Mythologie wird hier jedoch fast ausschließlich auf simple Jump Scares gesetzt - und nicht einmal die funktionieren wie erhofft, weil einerseits der Sound zu leise abgemischt ist und der Film es andererseits auch nicht schafft, die dafür erforderliche Grundanspannung beim Publikum aufzubauen. Wenn Christopher beim Stöbern in einem Geschäft plötzlich von einem kleinen Jungen überrascht wird, erschrecken sich nur er selbst und der Soundtrack, der sich plötzlich mit einem unpassenden „Swoosh“-Sound bemerkbar macht, als wäre ihm das Ganze selbst unheimlich peinlich.
Zumindest einige Schauwerte hat „Temple“ zu bieten, allen voran natürlich die großartige Kulisse des ländlichen Japans (und einen extrem kurzen Auftritt eines CGI-Tempelmonsters). Trotzdem sind vor allem die wenigen Actionsequenzen schockierend inkompetent inszeniert, vor allem wenn man bedenkt, dass Regisseur Michael Barrett eigentlich gelernter Kameramann ist („Kiss Kiss Bang Bang“, „Ted 2“). Besonders im Finale, das sich in einer dunklen Höhle abspielt, kann man aufgrund mangelnder Beleuchtung kaum etwas erkennen.
Fazit: Tolle Kulisse, mieser Horrorfilm. Drehbuchautor Simon Barrett hat gut daran getan, sich frühzeitig von dem Projekt zu distanzieren.