Fünf lange Jahre hatten die Bond-Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman die große Fangemeinde auf die Folter gespannt: Wie mag er wohl aussehen, der berüchtigtste aller 007-Gegenspieler? Der Mann, der immer nur geheimnisvoll seine weiße Katze streichelt, dessen Gesicht aber nie im Bild zu sehen ist? Nach den kultverdächtigen Auftritten von Edelschurke Ernst Stavro Blofeld in „James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau" und „James Bond 007 - Feuerball" lüftet Regisseur Lewis Gilbert in Bonds fünftem Kino-Abenteuer „James Bond 007 – Man lebt nur zweimal" endlich das Geheimnis. Neben dem Gesicht wird auch das köstlich-absurde Domizil des PHANTOM-Oberhaupts enthüllt: Blofeld führt seine sinistren Geschäfte aus dem Inneren eines Vulkans heraus und lässt von dort sogar Raketen starten. Eine solche fast comichafte Überzeichnung ist typisch für die Bond-Filme der späten 60er Jahre, in denen sich die Reihe regelrecht zu einem eigenen Genre abseits klassischer Agentengeschichten entwickelte. Dabei dominieren die fantasievoll ausgetüftelten Actionsequenzen, die über weite Strecken auch großen Spaß machen. Die Rahmenhandlung des Films, der mit der Vorlage von Ian Fleming kaum mehr als den Titel gemein hat, lässt dagegen einige Wünsche offen.
Als eine amerikanische Raumkapsel mitten im Kalten Krieg plötzlich vom Radarschirm verschwindet, fällt der Verdacht naturgemäß sofort auf die sowjetische Konkurrenz. Ein Atomkrieg zwischen den USA und der UdSSR steht kurz bevor. Was die Repräsentanten der Großmächte nicht ahnen: Der größenwahnsinnige Halunke Ernst Stavro Blofeld (Donald Pleasance), der sich heimlich auf einer japanischen Insel eingenistet hat, versucht, beide Nationen gegeneinander auszuspielen. Da kann nur einer helfen: James Bond (Sean Connery), Doppel-Null-Agent Ihrer Majestät. Um undercover ermitteln zu können, täuscht 007 seinen eigenen Tod vor und begibt sich nach Fernost. Ausgestattet mit zahlreichen Gadgets von Waffentüftler Q (Desmond Llewelyn) und praktischen Sprachtipps von Miss Moneypenny (Lois Maxwell), stößt er im Land der aufgehenden Sonne schnell auf den zwielichtigen Großindustriellen Osato (Teru Shimada) und dessen kompromisslose Angestellte Helga Brandt (Karin Dor). Unterstützung bei der Suche nach Blofeld erhält Bond, der sich zahlreicher Anschläge auf sein Leben erwehren muss, vom japanischen Geheimdienstchef „Tiger" Tanaka (Tetsuro Tamba), dessen Agentin Aki (Akiko Wakabayashi) und einer schlagkräftigen Ninja-Kampftruppe...
„I have always hated that damn James Bond. I'd like to kill him." – Sean Connery
Aus und vorbei – der fünfte Bond-Film sollte endgültig der letzte für Sean Connery („Marnie", „Der Name der Rose") sein. Der Schotte hatte den Spaß am Agentendasein verloren und wollte sich endlich anderen Filmprojekten widmen. Leider ist dem Hauptdarsteller, der als James Bond zur internationalen Berühmtheit avanciert war und sich in der Rolle zunehmend unterfordert fühlte, die Lustlosigkeit auch deutlich anzumerken: Seine Darstellung wirkt in „Man lebt nur zweimal" so gelangweilt wie in keinem anderen 007-Film. Selbst bei seinem späteren Comeback in „James Bond 007 - Diamantenfieber", das er sich von den Produzenten nach dem kommerziell desaströsen Zwischenspiel mit seinem Nachfolger George Lazenby in „James Bond 007 - Im Geheimdienst Ihrer Majestät" teuer bezahlen ließ, agierte Connery mit mehr Esprit. Dass „Man lebt nur zweimal" im Vergleich trotzdem nur geringfügig abfällt, ist indes kein Widerspruch, denn schauspielerische Fähigkeiten sind im fünften Bond-Abenteuer noch weniger gefragt als in den Vorgängerfilmen: Hier gibt es weniger flotte Sprüche und typisch britischen Charme als sonst, dafür punktet Regisseur Lewis Gilbert („Rita will es endlich wissen") mit fulminanten Actionsequenzen.
„Man lebt nur zweimal" hat mit dem klassischen Agententhriller - einem Muster, dem der vier Jahre zuvor entstandene „Liebesgrüße aus Moskau" noch recht genau entsprach - nicht mehr viel zu tun. Während sich Bond einst beim Kampf gegen Oberst Klebb (Lotte Lenya) und den hünenhaften Red Grant (Robert Shaw) noch mit einem simplen Trick-Koffer zufrieden gab, fliegt der Geheimagent Ihrer Majestät in „Man lebt nur zweimal" seine eigene Ein-Mann-Propeller-Maschine, die sich binnen Minuten zusammenbauen lässt: „Little Nellie", in der sich 007 einen spektakulären Luftkampf liefert, zählt zu den berühmtesten Erfindungen des Tüftlers Q überhaupt. Auch die brillant inszenierte Eröffnungssequenz schrieb Filmgeschichte und wurde später neu interpretiert: Das glänzend arrangierte „Verschlucken" der Raumkapseln im All findet in „James Bond 007 - Der Spion, der mich liebte" auf den Weltmeeren seine Entsprechung. Dort lässt Bösewicht Karl Sigmund Stromberg (Curd Jürgens) U-Boote im gierigen Bug seiner mächtigen „Liparus" verschwinden.
Kinderbuch-Autor und Satiriker Roald Dahl, der unter anderem die Buchvorlagen für „Der fantastische Mr. Fox" sowie für „Charlie und die Schokoladenfabrik" verfasste, setzt bei seinem Drehbuch voll auf den erfolgserprobten Cocktail aus gewagten Stunts, einfallsreichen Gadgets und einem Hauch Erotik. Beim zwischenzeitlichen Versuch dem Mix etwas Neues hinzuzufügen vergreift sich allerdings gehörig: Die schlecht ausgearbeitete Nebenhandlung um 007s Scheinheirat mit Kissy Suzuki (Mie Hama) und die kaum als solche zu bezeichnende Verwandlung Bonds zum asiatischen Fischer taugt allenfalls als verzögerndes Moment vor dem legendären, explosionsreichen Showdown im Vulkan, der in der „Simpsons"-Episode „Das verlockende Angebot" so amüsant persifliert wird.
Überzeugendere Arbeit leisten Dahl und Gilbert im Hinblick auf den Gegenspieler Bonds: Auch in „Man lebt nur zweimal" wird die Spannungsschraube bei der Frage nach Blofelds Identität kontinuierlich angezogen. Lange fängt die Kamera nur die Hände des Schurken und die Katze in seinem Schoß ein, bevor der Bösewicht uns erstmalig sein entstelltes Gesicht offenbart. Die Sequenz, in der wir der späteren Horrorfilm-Ikone Donald Pleasance („Halloween - Die Nacht des Grauens") endlich ins Gesicht blicken dürfen, zählt zu den ganz großen Bond-Momenten. Die übrigen Gegenspieler verblassen angesichts der Blofeldschen Aura doch erheblich: Dem profitgierigem Osato fehlt es vor allem im Vergleich zu denkwürdigen PHANTOM-Handlangern wie Dr. No oder Emilio Largo („Feuerball") an Profil und Klasse, während der Auftritt des deutschen 60er-Jahre-Stars Karin Dor („Winnetou 2", „Topas") als Bond-Girl Helga Brandt vor allem durch deren grausamen Tod im Piranha-Becken in Erinnerung bleibt.
Fazit: Trickreiche Action und asiatische Kampfkunst statt spannender Agentenstory mit Herzblut – „Man lebt nur zweimal" zählt zu den schwächeren 007-Filmen mit Sean Connery, reiht sich beim Blick auf die Gesamtreihe aber dennoch im guten Mittelfeld ein.