"Ghostbusters"-Regisseur Paul Feig zeigt es seinen Kritikern
Von Carsten BaumgardtSieht man vielleicht mal von „Star Wars: Die letzten Jedi“-Regisseur Rian Johnson ab, ist kein Filmemacher in den vergangenen Jahren härter von den Internet-Trollen angegangen worden als Paul Feig („Brautalarm“). Nach den bösen Anfeindungen für sein vermeintlich begangenes Sakrileg, „Ghostbusters“ mit weiblichen Stars neu zu verfilmen, kübelten Online-Kommentatoren Feig regelrecht mit Hass zu. Der Mann aus Michigan hielt tapfer dagegen. Aber die stärkste Antwort, die er geben kann, ist natürlich sein nächster Film: „Nur ein kleiner Gefallen“ ist eine schwarzhumorig-satirische Noir-Thriller-Komödie, die erneut Frauen-Power ohne Ende ausstrahlt. Diesmal schickt der Filmemacher Anna Kendrick („Pitch Perfect“) und Blake Lively („The Shallows“) in einen elegant-verführerischen Strudel aus Storytwists und falschen Fährten.
Warfield, ein kleines Städtchen bei New York: Die Turbo-Mom Stephanie Smothers (Anna Kendrick), die ihren Sohn nach dem Tod ihres Mannes als Alleinerziehende auf das Allerbeste behütet und umsorgt, freundet sich mit der supertoughen Karrierefrau und nicht wirklich motivierten Mutter Emily Nelson (Blake Lively) an. Durch die gemeinsamen Treffen mit der PR-Chefin eines Mode-Konzerns bekommt die einen Koch-Videokanal betreibende Stephanie neues Selbstbewusstsein. Aber als sie eines Tages nach der Schule auf Emilys Sohn aufpasst, nimmt das Unheil seinen Lauf: Emily verschwindet spurlos von der Bildfläche. Detective Summerville (Bashir Salahuddin) nimmt zunächst Emilys Schriftsteller-Ehemann Sean Townsend (Henry Golding) ins Visier. Unterdessen kommen sich Stephanie und Sean während der aufreibenden Suche nach Emily immer näher…
Darcey Bells Roman „Nur ein kleiner Gefallen – A Simple Favor“ aus dem Jahr 2017 steht ganz in der Tradition solcher Frauen-Power-Thriller wie „Gone Girl“ (von Gillian Flynn) oder „Girl On The Train“ (von Paula Hawkins), die – mit qualitativ sehr unterschiedlichem Ergebnis – ebenfalls schon verfilmt worden sind. Und Paul Feig ist schließlich so etwas wie ein Spezialist in diesem Metier, denn auch seine vorherigen Filme „Ghostbusters“, „Spy: Susan Cooper undercover“, „Taffe Mädels“ und vor allem „Brautalarm“ wurden von weiblichen Protagonisten mit Leben und Energie befeuert. Feig hat offensichtlich einen Heidenspaß daran, Rollenklischees auf links zu drehen – und im Fall von „Nur ein kleiner Gefallen“ verbreitet er zudem auch noch den Vibe eines Hitchcocks-Thrillers, wobei er den nostalgischen Technicolor-Look des Master Of Suspense sogar direkt übernimmt.
Dabei beginnt der für ein schmales Budget von nur 20 Millionen Dollar gedrehte „Nur ein kleiner Gefallen“ im vertraut-gewohnten Setting, wenn sich ihre Umwelt halb despektierlich, halb neidisch-bewundernd über die perfekte Mom und Vloggerin Stephanie lustig macht. Doch nach dem rätselhaften Verschwinden der undurchsichtigen Emily dreht Stephanie erst richtig auf: Sie schnappt sich nicht nur Emilys Mann, sie treibt die Ermittlungen auch wie eine moderne Miss Marple voran. Als roter Faden dienen immer wieder die amüsanten Vlog-Beiträge, in denen es zunehmend immer weniger ums Kochen und dafür immer mehr um den schon bald landesweit bekannten Vermisstenfall geht. Dass sich der Perfekte-Hausfrau-Küchenhintergrund der Vlogs dabei mit den abgründigen Spekulationen über Emilys Verschwinden beißt, ist natürlich volle Absicht und elegant biestig.
Es wäre eine Schande, die weiteren Entwicklungen auch nur anzudeuten. Denn der Plot schlägt nach den zu Beginn ausgestreuten Brotkrumen schon bald immer wildere Haken. In hoher Frequenz dreht sich das Geschehen immer wieder in neue Richtungen. Wenn der Zuschauer gerade alles für sich geordnet hat, wird die Geschichte durch eine neuerliche Wende wieder auf den Kopf gestellt – wobei man jede gegebene Information grundsätzlich mit Vorsicht genießen sollte. Menschliche Abgründe tun sich auf: Wer ist hier wirklich der pathologische Lügner? Diese Frage treibt den Film im Mittelteil um und bietet gleich mehrere Kandidaten – dazu rüttelt der zentrale Plottwist ordentlich am Handlungsgerüst. Irgendwann leidet nahezu zwangsläufig die Glaubwürdigkeit unter all den Wendungen. Aber „Nur ein kleiner Gefallen“ soll eben in erster Linie vor allem Spaß machen – und zwar auf eine möglichst böse Weise.
Anna Kendrick ist für die emsige Stephanie eine gute, wenn auch erwartbare Wahl. Ihr gelingt es mühelos, diese Mutter-Streberin sympathisch wirken zu lassen. Noch offensichtlicher, aber trotzdem brillant ist allerdings Blake Lively als knallharter Mama-Vamp besetzt. Porsche vor der Tür des Designerhauses, 500-Dollar-Schuhe, mysteriöses Tattoos und Gin Tonic am Nachmittag, das ist ihre Welt. Eine Rolle, die Lively im Schlaf spielt und mit ihrer 1,78-Meter-Präsenz ausfüllt. Kendrick und Lively entwickelt beim Culture Clash der Frauentypen eine stimmige Chemie. Wie ernst es Emily mit ihrer neuen besten Freundin Stephanie wirklich meint, darüber darf den Rest des Films gerätselt werden.
Neben den beiden dominierenden Figuren ist auch noch Platz für Henry Golding als Emilys Mann Sean. Und das mit dem Platz meinen wir durchaus buchstäblich: Nachdem der britisch-malaysische Schauspieler seinen großen Durchbruch erst jüngst mit dem US-Überraschungshit „Crazy Rich“ feierte, wurde er nämlich erst in letzter Sekunde noch zwischen die beiden Frauen mit aufs Poster gequetscht. Ist Sean nun wirklich creepy und potenziell gefährlich? Oder der perfekte neue Freund für Stephanie? Sean ist fast noch undurchschaubarer als seine Frau Emily – hier ist der Ausgang wirklich offen. Der charismatische Newcomer Golding ist jedenfalls eine spannende Ergänzung für die beiden Leading Ladys.
Fazit: Frisch, originell, unterhaltsam und zutiefst boshaft! „Nur ein kleiner Gefallen“ ist eine betont elegante Kombination aus Komödie, Psycho-Thriller und Satire – und bei „Brautalarm“-Regisseur Paul Feig in guten Händen.