Hellboy als ausgebrannter Auftragskiller
Von Lucas BarwenczikGeschichten über alternde Kämpfer und Auftragsmörder haben eine lange Tradition. Sie tauchen in der Regel dort auf, wo eine Generation von Actionstars in die Jahre kommt. Das Muster ist dabei oft ähnlich: Ein letzter Auftrag, dann soll Schluss sein, doch die Vergangenheit holt den Helden ein. Es ist schwer, der vertrauten Formel etwas Neues hinzuzufügen. Mit „Asher“ entschließt sich Regisseur Michael Caton-Jones („Der Schakal“, „Rob Roy“) deshalb, einen Genre-Hybrid zu schaffen: Thriller, Romanze und Demenz-Drama in einem. In Interviews beschreiben Regisseur und Hauptdarsteller den Film als Hommage an das düstere, ernste Kino der 1970er-Jahre. Doch diesem Vergleich hält der Thriller leider nicht stand.
Asher (Ron Perlman) ist ein ehemaliger Mossad-Agent und verdient sein Geld mit Auftragsmorden. Früher war er ein besonders guter Schütze, heute machen ihm das Alter und Herzprobleme zu schaffen. Seine Konkurrenten sind jünger und hungriger, privat vereinsamt er zunehmend. Eines Tages bricht er vor der Tür der Ballettlehrerin Sophie (Famke Janssen) zusammen. Sie findet Gefallen an Asher, hat aber eigene Probleme: Ihr Mutter Dora (Jacqueline Bisset) ist an Alzheimer erkrankt. Zuerst ist unklar, ob die zarte Liebe des ungleichen Paars überleben kann. Als eine feindliche Übernahme Ashers Crew bedroht, lautet die Frage dann aber plötzlich eher, ob das Paar selbst überleben wird…
Das Drehbuch zeigt den melancholischen Großstadt-Cowboy als Mann von Routine und Präzision. In der ersten Szene des Films putzt er vor einem Auftrag seine Schuhe, fast wie ein religiöses Ritual. Wenn er mit einer Zigarette einen Feuermelder aktiviert, im richtigen Moment seinen Regenschirm aufspannt und dann sein vom Feueralarm aus der Wohnung getriebene Opfer in den Kopf schießt, wird klar, wie genau er arbeitet.
Ron Perlman („Hellboy“) scheint wenig daran zu liegen, Asher besonders ausdrucksstark zu spielen. Mimik und Gestik bleiben minimalistisch. Viel wichtiger ist seine physische Präsenz: Perlmans massiver Körper lässt ihn fast wie eine Statue oder einen Golem wirken. Eine Aura langsam erstarrender Bedrohlichkeit umgibt ihn. Bei einem Auftrag mit einer Crew fragt ihn ein junger Kollege: „Wie lange machst du das hier schon?“ Lakonisch antwortet er: „Lange.“
In den romantischen Szenen mit Famke Janssen („X-Men“) bemüht sich Perlman sichtlich, das Gletschergesicht ein wenig antauen zu lassen. Beide haben Geheimnisse vor dem anderen, auf beiden lastet der Schatten der Vergangenheit. Vorsichtig öffnen sie sich dem anderen. Doch auch wenn dieser Entwicklung viel Zeit gegeben wird, ist sie kaum spürbar. Die Figuren entwickeln sich in den ruhigen Szenen nicht, sondern immer nur dann, wenn der Plot mit großen Umbrüchen an die Tür klopft. In vereinzelten Momenten ist das vorsichtige Anbandeln zwischen der Schönen und dem Biest charmant. Eine wirkliche Chemie zwischen ihnen lässt sich jedoch höchstens erahnen.
Michael Caton-Jones‘ Inszenierung wirkt so routiniert und unaufgeregt wie seine Hauptfigur. Er filmt die Ereignisse bedächtig, ohne rasante Zooms, Schwenks oder komplizierte Kamerafahrten. Diesen Stil behält er auch in den wenigen Actionsequenzen bei – die Schnittfrequenz erhöht sich ein wenig, die Herzfrequenz des Zuschauers eher nicht. Lediglich die westernmäßigen Slide-Gitarren weichen in solchen Szenen pulsierenden Elektrobeats. Die Kämpfe treten nur sehr vereinzelt auf und werden äußerst kurz gehalten. Für langwierige Scharmützel fehlt Asher die jugendliche Energie. Die Nahkampf-Choreographien sind grob, in der Regel übertrumpft Asher seine geschickteren, schnelleren Gegner mit reiner Stärke.
Wirklich in Bedrängnis kommt er dabei nie. Manchmal wirkt der Film wie ein Videospiel, gespielt auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad. Wenn Spannung aufkommen soll, erinnert sich das Drehbuch genau im richtigen Moment wieder an seine Herzprobleme. Ein etwas albernes und sehr durchsichtiges Instrument, ein „Herzanfall ex Machina“.
Für eine Mischung aus Auftragskiller- und Demenz-Drama ist „Asher“ außerdem merkwürdig klinisch und aufgeräumt. Wenn es Sophies Mutter nicht zur Toilette geschafft hat, dann zeigt die Kamera nur die Gesichter. Ein Mann wird von Asher in einem Badezimmer erstochen, aber abseits des Bildes. Bei der einzigen Sex-Szene des Films kommt die Schwarzblende, bevor auch nur ein Kleidungsstück ausgezogen wurde. Blut, Schweiß und Tränen fließen nur spärlich. Bei Schießereien werden fast nur Menschen getroffen, die Umwelt bleibt gänzlich intakt. Was ist eine Schlägerei wert, nach der noch alle Möbel stehen? Das alles wäre im Einzelnen natürlich kein Problem, schafft in der Summe aber eine seltsame Grundstimmung. Die Darsteller wirken wie Touristen auf den Sets, nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut. Die Ereignisse erscheinen unwirklich und künstlich, kein Set wirkt wie ein Teil einer größeren Welt.
Dazu passen auch die vielen Konzepte und Handlungsstränge, die nur angerissen werden. „Asher“ ist ein Flickenteppich. Mehrfach wird auf den jüdischen Glauben von Asher und seinen Kollegen verwiesen, ohne dass die Figuren dadurch tiefer oder reichhaltiger würden. Richard Dreyfuss („Der weiße Hai“) als Auftraggeber Avi kann in zwei kurzen Auftritten kaum Akzente setzen. Auch Marta Milans als Femme fatale Marina verschwindet überraschend plötzlich aus dem Film. Sophies demente Mutter wird als reines Instrument der Manipulation eingesetzt: Die tragische Krankheit soll Pathos erzeugen und den Ereignissen mehr Gewicht verleihen. Die eingespielte Kitschmusik will um jeden Preis ergreifen, man ist allerdings nur peinlich berührt. Aus dem Kontrast zwischen Sophies und Ashers Erfahrungswelten wird wenig gemacht. Michael Caton-Jones übernimmt von seinen Vorbildern aus der Ära des New Hollywood in den 1970er-Jahren die Ernsthaftigkeit, ohne sich an ihrer Energie, Aufbruchsstimmung und Experimentierfreude zu orientieren.
Fazit: „Asher“ ist kein guter Actionfilm, kein wirklich guter Thriller und ein höchstens annehmbares Drama. Die grundsätzliche Kompetenz aller Beteiligten verhindert eine wirkliche Katastrophe, trotzdem ist der Film träge, ermüdend und in letzter Konsequenz unbefriedigend.