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    Blutmond
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Blutmond
    Von Carsten Baumgardt

    Fünf Jahre bevor Anthony Hopkins und Jodie Foster 1991 unter der Regie von Jonathan Demme in „Das Schweigen der Lämmer“ einen beispiellosen Hype um den kannibalischen Massenmörder Hannibal Lector auslösten und ganz nebenbei den Horrorfilm salonfähig machten, startete der erste Hannibal-Film nach einer Roman-Vorlage von Thomas Harris von der Öffentlichkeit kaum beachtet in den Kinos. Unter dem Titel „Blutmond“ („Manhunter“) inszenierte „Insider"-Regisseur Michael Mann ein psychologisches Thriller-Glanzstück. Brett Ratners kommerzielles Remake >„Roter Drache" läuft am 31. Oktober in den deutschen Lichtspielhäusern an.

    Die Polizei steht vor einem Rätsel. Ein wahnsinniger Killer löscht das Lebenslicht von zwei kompletten Familien aus. Er schlägt eiskalt zu - und stets bei Vollmond. Als das FBI bei seiner Arbeit nicht vorankommt, zieht es den ehemaligen Top-Profiler Will Graham (William L. Petersen) hinzu. Nachdem er vor drei Jahren den brutalen Psychopathen Hannibal Lector (Brian Cox) hinter Gitter gebracht hatte, erlitt er einen Nervenzusammenbruch und hat sich nie wieder davon erholt. Seine Fähigkeit, sich in kranke Psychen zu versetzen, hat ihn seelisch ruiniert. Doch das FBI sieht in Graham, die einzige Chance, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Er soll sich mit Lectors Hilfe in die Psyche des Vollmond-Schlächters versetzen. Ein gefährliches Spiel. Und er hat nur einen Monat Zeit - bis zum nächsten Vollmond.

    Bereits im Jahr 1981 schrieb Bestseller-Autor die Vorlage „Red Dragon“ (die deutsche Version „Roter Drache" erschien erst 1988). Der damalige TV-Regisseur Michael Mann, der gerade mit „Miami Vice“ die Fernseh-Ästhetik revolutionierte und als Vorbote der MTV-Optik gilt, nahm sich der Verfilmung des starken Stoffes ein. Obwohl der Thriller ein unbestrittenes Meisterwerk ist, fand er weder in den USA noch in Deutschland Beachtung und ging völlig unter. Auch eine Wiederaufführung im Jahre 1992 (nach dem phänomenalen Erfolg von „Das Schweigen der Lämmer“) brachte keine Besserung. Stilistisch unterscheiden sich „Blutmond“ und „Das Schweigen...“ wie Tag und Nacht. In der Blütezeit der 80er-Jahre-Optik entstanden, ist „Blutmond“ sehr stark von seiner Epoche geprägt und markierte zugleich den Beginn der Entwicklung des urtypischen Stils von Michael Mann. Sein psychologisch ausgefeiltes, extrem spannendes Katz- und Mausspiel packt Mann in eiskalte blaustichige Bilder, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Diese Optik findet sich bis auf den Historienstoff „Der letzte Mohikaner“ in allen seinen weiteren Filmen („Heat“, „The Insider", „Ali") wieder und ist neben seiner virtuosen Montagetechnik sowas wie ein Markenzeichen geworden.

    Schauspielerisch hat „Manhunter“ Höchstleistungen zu bieten. Brian Cox legt seine Rolle, die im Gegensatz zu „Das Schweigen der Lämmer“ nur sehr klein ausfällt, zurückhaltender an als sein oscarprämierter Nachfolger Anthony Hopkins. Auch wenn er nicht ganz dessen Präsenz erreichen kann, überzeugt er dennoch mit unterkühlter Diabolik. Das größte Argument für „Blutmond“ ist jedoch Hauptdarsteller William L. Petersen („Leben und sterben in L.A.“), der seinen psychisch gebrochenen Profiler Will Graham mit so einer beängstigenden Intensität auf die Leinwand bringt, dass die Linie von Gut und Böse zu verschwimmen droht. Objektiv betrachtet, ist die Darstellung Petersens die mit Abstand beste aller vier Hannibal-Filme und ragt sogar noch über die von Hopkins und Foster in „Das Schweigen der Lämmer“ hinaus. Doch damals wurde das kaum registriert. Der krankhaft ehrgeizige Graham ist genauso getrieben wie die von Brian Cox und Tom Noonan gespielten Psychopathen – nur mit dem Unterschied, dass er auf der Seite des Gesetzes steht. Diese psychologische Grundkonstellation verarbeitete Mann übrigens meisterhaft in dem Cop/Bankräuber-Duell von Al Pacino und Robert DeNiro in „Heat“.

    Visuell präsentiert sich „Blutmond“ - wie bei Mann üblich - auf brillantem Niveau und erzielt eine große atmosphärische Dichte, die teilweise die von „Das Schweigen der Lämmer“ übertrifft. Kamera-Ass Dante Spinotti war übrigens auch für das aktuelle Remake „Roter Drache" verantwortlich. Der wahre Horror entsteht hier nicht auf der Leinwand, denn dort ist kaum Blut zu sehen, sondern in den Köpfen.

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