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    Feierabendbier
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Feierabendbier
    Von Lars-Christian Daniels

    IST DER GEIL?!“ – Schon im legendären Prolog zu Peter Thorwarths Ruhrpott-Komödie „Bang Boom Bang“ geriet der zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte Bankräuber Kalle Grabowski (Ralf Richter) beim Gedanken an einen goldenen Mercedes 560 SEC heftig ins Schwärmen – und musste nach seinem Ausbruch aus dem Knast zu seinem großen Ärger feststellen, dass sein kiffender Komplize Keek (Oliver Korittke) die gemeinsam ergaunerte Kohle, von der er sich sein Traumauto hätte kaufen wollen, in der Zwischenzeit fast restlos durchgebracht hat. Der Traum vom Fahrzeug mit dem Stern drohte zu platzen und in Ben Brummers Buddykomödie „Feierabendbier“ liegt der Fall nun ganz ähnlich: Hier wird ein Münchner Barkeeper ebenfalls um seinen heiß geliebten Mercedes SEC gebracht und setzt alle Hebel in Bewegung, um seine begehrte Karre wiederzubekommen. Ansonsten spielt Brummers Langfilmdebüt aber selten in derselben Liga wie Thorwarths Kultfilm oder andere herausragende deutsche Komödien: Trotz einiger guter Ansätze mangelt es „Feierabendbier“ vor allem am nötigen Schwung und echten Überraschungen im Drehbuch.

    So richtig rund läuft es bei Barkeeper Magnus (Tilmann Strauss) nicht. Seine Ex-Freundin Svenja (Korinna Krauss) zieht den gemeinsamen Sohn mit ihrem neuen Lebensgefährten Christoph (Manuel Rubey) groß und in seine Kneipe verirren sich immer nur dieselben Gäste: sein bester Kumpel Dimi (Johann Jürgens), der in der Werkstatt des schwulen Autohausbesitzers Patrick (Jonathan Berlin) arbeitet und nebenbei Philosophie studiert, Dimis aktuelle Flamme Tini (Sophia Schober) und sein Stammgast Manfred (Christian Tramitz), der sich mit Astrologie auskennt und bei jeder Gelegenheit seine Karten auf dem Tresen legt. Als Magnus eines Tages sein dunkelbrauner Mercedes geklaut wird, fällt der Verdacht sofort auf den aufbrausenden Bene (James Newton): Der war am Tag zuvor in die Kneipe gestürmt und hatte Magnus vergeblich zum Verkauf seines Youngtimers überreden wollen. Der Zufall will es, dass sich die Wege von Magnus und Bene bald wieder kreuzen – und mit der Hilfe der gerade erst aus New York zurückgekehrten Künstlerin Vivian (Julia Dietze) findet der Barkeeper schnell die Kontaktdaten des vermeintlichen Autodiebes heraus…

    „Feierabendbier“ – so lautet nicht nur der Name von Ben Brummers Spielfilmdebüt, sondern auch der Name von Magnus‘ Kneipe, dessen an- bzw. ausgeknipste Leuchtreklame häufig das Ende und den Anfang eines neuen Kapitels markiert. Würde die Geschichte, die Brummer gemeinsam mit Adrian Mikkat geschrieben hat, nicht in München, sondern in Springfield spielen, wäre sie eindeutig in der Kaschemme von „Simpsons“-Barkeeper Moe Szyslak angesiedelt: Wie in Homers Stammkneipe „Moe’s“ treffen wir auch in „Feierabendbier“ regelmäßig auf die gleiche Handvoll Charaktere, die sich abends in der schummerigen (und ähnlich spärlich besuchten) Kneipe einfinden und gemeinsam das titelgebende Getränk genießen – mit „Schuss“, also einem darin versenkten Schnaps. Der Barney Gumble im schrägen Figurenensemble ist zweifellos Manfred (Christian Tramitz, „Bullyparade: Der Film“): Zwar ist der fluchende Hobby-Mystiker („Saturn ist ein Arschlochplanet!“) nicht ganz so trinkfreudig wie sein gelbes Trickfilm-Pendant, scheint am Tresen aber ein zweites Zuhause gefunden zu haben. Einer der besten Running Gags im Film sind Manfreds täglich wechselnde, wahnsinnig scheußliche Pullover, die er mit einer unerhörten Selbstverständlichkeit trägt: Von kitschigen Katzenbabys über braune Bären bis hin zu verpixelten Videospiel-Icons wird hier motivisch alles geboten.

    Während Manfred trotz eher geringer Kamerapräsenz das Potenzial zum heimlichen Publikumsliebling mitbringt, fehlt „Feierabendbier“ ansonsten die Identifikationsfigur: Magnus (Tilman Strauss, „Wir waren Könige“) bringt ein paar Ecken und Kanten zu viel mit, als dass dem aufbrausenden Barkeeper und Rabenvater wirklich Sympathien zufliegen würden. Sein bester Kumpel Dimi (Johann Jürgens, „Babylon Berlin“) und dessen vorübergehendes Herzblatt Tini (Sophia Schober, „Dieses bescheuerte Herz“) sind hingegen als Karikaturen angelegt – so kennt Dimi bei einer köstlichen Stippvisite im Swingerclub natürlich alle Damen persönlich. Hier spielt Brummer aber gekonnt mit den Klischees: Während der Handwerker nebenbei Philosophie studiert und später noch ein Überraschungsmoment für sich verbucht, korrigiert die nicht gerade blickdichte Tops tragende Blondine Tini schon mal spontan die Grammatik des schnöseligen Autohauschefs Patrick (Jonathan Berlin, „Tannbach“). Dessen Traum von einer Mittelmeer-Insel allein für Homosexuelle wirkt allerdings so bemüht wie die ganze Figur, und auch das hysterische Poltern von Autonarr Bene (Debütant James Newton) klingt bereits in der Eröffnungssequenz sehr aufgesetzt.

    Überzeichnete Einlagen wie diese verhindern immer wieder, dass die 113 Minuten dauernde Komödie so etwas wie Tiefgang entwickelt: Die deutsche „Ey Mann, wo is‘ mein Auto?“-Variation ließe sich locker auf schlanke eineinhalb Stunden eindampfen, wird durch die Hintergründe um Magnus‘ Vaterschaft und die Liaison mit der umtriebigen US-Rückkehrerin Vivian (Julia Dietze, „Beck Is back!“) aber erheblich aufgebläht. Diese Längen kann der staubtrockene Dialogwitz („Ich wollte immer schon mal Sex mit jemandem haben, der am nächsten Tag tot ist.“ – „Probier‘s doch mal im Altenheim!“) nicht immer aufwiegen. Auch die Ästhetik wirkt blass bis gewöhnungsbedürftig: Während Brummer die Kneipenszenen kammerspielartig inszeniert und die Geräuschkulisse bis ins Theaterhafte reduziert, wummern bei Autofahrten schonmal die monotonen Synthie-Beats von Pollyesters „Catrina“ aus den Boxen. Dieses akustische Kontrastprogramm ist anstrengend, denn natürliche Dynamik entwickelt sich in „Feierabendbier“ nur selten. Oder anders formuliert: Wenn das Bierchen auf dem Tresen schon abgestanden ist, schmeckt es auch nicht besser, wenn man noch fix einen Schnaps drin versenkt.

    Fazit: Ben Brummers Komödie „Feierabendbier“ liefert sympathische Nebenfiguren und ein paar gelungene Gags, wirkt aber oft sehr bemüht und ist zudem eine ganze Ecke zu lang geraten.

    Wir haben „Feierabendbier“ bei der Berlinale 2018 gesehen, wo der Film in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ gezeigt wurde.

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