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    Dragonkeeper
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Dragonkeeper

    Pünktlich zum Jahr des Drachen in den Kinos

    Von Michael Meyns

    Wir befinden uns gerade im Jahr des Drachen, zumindest wenn es nach den Chinesischen Tierkreiszeichen geht. Das in dem traditionellen Monatskalender neben real existierenden Tieren wie dem Pferd, dem Tiger oder dem Affen auch ein mythologisches Wesen wie der Drache vorkommt, deutet bereits auf die besondere Bedeutung des Fabeltieres für die Kultur des Landes hin. Aber auch internationale Autor*innen wurden von der fernöstlichen Mythologie inspiriert, so zum Beispiel die Australierin Carole Wilkinson, die vor gut 20 Jahren den Fantasy-Roman „Hüterin des Drachens“ veröffentlichte, in dem sie chinesische Geschichte mit westlichen Erzähltraditionen vermischte. Da passt es also, dass die animierte Verfilmung des Romans nun als spanisch-chinesische Co-Produktion ins Kino kommt: In manchen Momenten wirkt „Dragonkeeper“ wie ein chinesischer Disney-Film, in anderen wie eine liebevolle Hommage an chinesische Tuschezeichnungen.

    Nichts möchte das Waisenmädchen Ping lieber, als den „ehrenwerten Gästen“ Essen zu bringen. Doch bislang wird die ehrenvolle Aufgabe noch von der alten Lao Ma ausgeführt, die Ping einst unter mysteriösen Umständen gefunden und bei sich aufgenommen hat. Welches Geheimnis Ping in sich trägt, zeigt sich, als sie endlich doch noch mit einer schweren Schale Früchte hinauf zum Palast gehen darf. Denn dort erfährt sie, dass die ehrenwerten Gäste in Wahrheit Drachen sind, die in einem Verlies gefangen gehalten werden. Als ihre kleine Ratte Hua in das Verlies fällt, klettert Ping mutig hinterher – und wird vom Drachen Danzi als eine Drachenhüterin erkannt. Doch es steht schlecht um die Drachen, denn der finstere Krieger Diao hat es fast geschafft, auch den letzten ihrer Art zu töten. Nur ein einziges Ei gibt es noch, das Ping zu einem magischen Gewässer bringen soll. Denn nur mit dem Wasser des Teiches ist es möglich, einen neuen Drachen aus dem Ei schlüpfen zu lassen…

    LEONINE
    Ping und ihre Sidekick-Ratte könnten ohne weiteres auch als Disney-Duo durchgehen.

    Muss man hier von kultureller Aneignung sprechen oder sollte man „Dragonkeeper“ nicht eher als kulturelle Zusammenarbeit bezeichnen? Als Carole Wilkinson 2003 den ersten Roman ihrer inzwischen zur Trilogie angewachsenen Reihe veröffentlichte, stellte sich diese Frage noch nicht. Inzwischen ist die westliche Öffentlichkeit jedoch sensibler, wenn es um die Verwendung von Mythen und Traditionen aus fremden Kulturen geht. Man denke nur an die Kommentare, die die Besetzung von Scarlett Johansson im Realfilm-Remake von „Ghost In The Shell“ ausgelöst hat. Ob in China selbst irgendjemand ein Problem mit den „Kung Fu Panda“-Filmen hat, darf zwar bezweifelt werden. Aber der spanische Autor und Regisseur Salvador Simó ging bei seiner Verfilmung trotzdem auf Nummer sicher und holte sich mit Li Jianping einen erfahrenen chinesischen Animationsfilm-Regisseur an die Seite.

    Eine ungewöhnliche Kombination, die auch erklären mag, warum das Endergebnis nie so ganz wie aus einem Guss wirkt. Mal fühlt sich „Dragonkeeper“ wie ein westliches Fantasy-Abenteuer, dann wieder wie ein östliches Mythologie-Epos an. Ein Bruch, der sich auch in der Animation selbst offenbart: Die Figuren, vor allem die kleine Ping und ihre kleine Ratte Hua, die im besten Disney-Stil für mehr oder weniger lustige Gags zuständig ist, sind mit groben, klaren Linien gezeichnet. So wirken die beiden ebenso wie die fast wie Karikaturen aussehenden Antagonisten oft grobschlächtig. Ganz anders dagegen die Darstellungen der Landschaften und Paläste: Über weite Felder und schneebedeckte Berge, die wie grandiose Gemälde im Stile der chinesischen Tusche-Malerei wirken, führt Pings Reise, bisweilen auch auf dem Rücken des Drachen Danzi.

    LEONINE
    Speziell die Hintergründe und Landschaften sind in „Dragonkeeper“ besonders liebevoll gestaltet.

    Schließlich erreicht Ping auch noch den Palast des Kaisers, der wie eine noch mal größer dargestellte Version der Verbotenen Stadt in Peking, jenem Jahrhunderte für Zivilisten nicht zugänglichen Ort, an dem die Kaiser lebten und herrschten, anmutet. Bis ins kleinste Detail sind die Räume des Palastes dargestellt: ausladende Treppen, riesige Hallen, breite Plätze, auf denen auch Hundertschaften Platz finden, so wie man es beispielsweise aus Zhang Yimous „Hero“ kennt. Und auch inhaltlich scheint „Dragonkeeper“ immer wieder zwischen den Stühlen zu sitzen: Einerseits wird eine klassische Heldengeschichte erzählt, in der ein kleines Mädchen über sich hinauswächst. Dass sie dabei von einem Disney-haften Sidekick begleitet wird und auch noch gegen Nekromanten genannte Wesen der Finsternis kämpft, lässt ihr Abenteuer ausgesprochen westlich erscheinen.

    Dann jedoch dockt „Dragonkeeper“ ganz im chinesischen Mythenkosmos an, wenn plötzlich vom magisch-mysteriösen Shi die Rede ist, einer alle Wesen und Objekte beseelenden Kraft, die auch Ping in sich trägt und im Laufe des Films langsam immer besser zu beherrschen lernt. Zugleich muss man hier fast unweigerlich an das Konzept der Macht aus den „Star Wars“-Filme speziell mit Daisy Ridley als Rey denken, was das Shi, von dem „Dragonkeeper“ erzählt, ein wenig austauschbar und beliebig wirken lässt. So bleibt die spanisch-chinesische Zusammenarbeit am Ende ein wenig zwischen westlichen und östlichen Mythen hängen, ohne das eine noch das andere gänzlich überzeugend zu bedienen.

    Fazit: Eine ungewöhnliche und deshalb spannende, selbst wenn am Ende nur bedingt gelungene interkulturelle Zusammenarbeit zwischen einem chinesischen und einem spanischen Regisseur, basierend auf einer australischen Romanvorlage. Ein phasenweise bildgewaltiges Fantasy-Abenteuer, das sich etwas holprig zwischen westlichen und östlichen Erzählmustern bewegt.

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