Trotz Zauberei und Magie ein sehr gewöhnlicher Möchtegern-Ghibli-Film
Yoshiaki Nishimura hatte bis 2015 erfolgreich an mehreren Ghibli-Filmen mitgearbeitet (darunter „Prinzessin Kaguya“ und „Erinnerungen an Marnie“). Dann entschloss er sich sein eigenes Anime-Studio zu gründen: Studio Ponoc. Und zwei Jahre später, 2017, kam der erste Film von Ponoc heraus: „Mary und die Blume der Hexen“. Das Ganze basiert auf einem Kinderbuch mit dem Namen „Der verhexte Besen“, doch man merkt zu jeder Zeit, dass man sich hier vor allem an großen Ghibli-Werken orientierte. Kein Wunder, da viele Mitarbeiter des berühmten Anime-Studios von Ghibli zu Ponoc mit wechselten. Und die Anlehnungen sind sehr deutlich: Da wäre „Kikis kleiner Lieferservice“ und auch „Chihiros Reise ins Zauberland“, die einem sicherlich sofort in den Kopf kommen beim Schauen. Das ist auch alles nicht schlimm, immerhin will der Film eine ganz eigenen Geschichte kreieren. Doch hier liegt leider der Knackpunkt des Films… Die Geschichte ist leider sehr schwach und gibt wenig her.
Die kleine Mary Smith lebt bei ihrer Großmutter in einem hübschen Anwesen. Doch das Leben dort langweilt das kleine Mädchen. Als Mary eines Tages jedoch ein paar magische Blumen entdeckt und später einen fliegenden Besen findet, beginnt ein turbulentes Abenteuer…
Was als eine süße Geschichte über Hexen und Magie beginnt, entwickelt sich schnell zu einem wirren Konstrukt an (zugegeben) kreativen Ideen, die aber keinen roten Faden haben. Da ist zum Beispiel eine Zauberschule, aber Mary belügt die Direktorin dieser Schule, indem sie vorgibt sehr talentiert zu sein. Wieso? Warum will Mary nicht auf diese Zauberschule? Immerhin war ihr Leben doch so langweilig, was gibt es also Besseres als eine bunte Zauberschule?
Dann gibt es zwei Antagonisten, die plumper kaum sein könnten. Und statt die Bösewichte mit der Zeit zu etablieren, ist recht früh eigentlich klar, wer hier der Gute und wer der Böse ist. Für Kinder ist das sicherlich ganz nett, aber viele der Ghibli-Filme zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, dass sie eben nicht nur Kinder begeistern können, sondern auch ältere Zuschauer. Wirklich erwachsene und komplexe Themen werden hier nicht angesprochen und das ist auch nicht automatisch schlimm. Doch die Inszenierung des Ganzen ist leider sehr zäh und enttäuschend. Eine Welt voller Magie, voller Hexen, Tieren und anderen fantastischen Dingen, wirkt in diesem Film tatsächlich erschreckend begrenzt und klein. Dabei fing der Film schön rasant und spektakulär an...
Die Figuren sind allesamt recht blass, außer die Katze Tib, die tatsächlich das Beste am Film war mit ihrem dauer-genervten Blick. Mary, die Titelfigur, ist hingegen leider sehr uninteressant. Sie soll zwar die ideale Protagonistin im Stile alter Ghibli-Klassiker darstellen (ein kleines, freches, aber gutherziges Mädchen), wirkte aber die meiste Zeit wie eine nervige Göre, die völlig ohne Grund einen Jungen, den sie vorher ätzend fand, plötzlich beweint, weil dieser gekidnappt wurde.
Was der Film aber definitiv richtig macht, ist die Optik: „Mary und die Blume der Hexen“ ist erstaunlich aufwendig, detailreich und atemberaubend animiert. Hier sieht man ganz klar die Qualität der alten Ghibli-Mitarbeiter, der Film sieht fantastisch aus! Die Musik von Takatsugu Muramatsu ist solide, aber leider kein Vergleich zu einem Joe Hisaishi zum Beispiel, dessen Scores die Filme noch mal auf ein anderes Level gehoben haben.
Fazit: „Mary und die Blume der Hexen“ ist optisch herausragend und besonders für kleinere Kinder ein kurzweiliges und lustiges, magisches Abenteuer. Mir aber fehlen leider Substanz, das Reale an der Geschichte und die erwachsenen, leisen Untertöne. Ein netter Anime-Film, der trotz seiner ganzen Magie leider sehr gewöhnlich daherkommt...