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    Darkland
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Darkland
    Von Gregor Torinus

    Etwas ist faul im Staate Dänemark!“ Inzwischen ist der berühmte Ausspruch aus William Shakespeares „Hamlet“ zwar zu einer allgemeinen Redensart geworden und wird nur noch in den seltensten Fällen tatsächlich mit Bezug auf das skandinavische Land verwendet. Aber in seinem Action-Drama „Darkland“ zeigt Fenar Ahmad trotzdem sehr deutlich, dass auch in dem vermeintlich so idyllischen nordischen Sozialstaat einiges im Argen liegt. In seinem „Ein Mann sieht rot“-artigen Film verhandelt der Regisseur anhand zweier grundverschiedener Brüder die brandaktuellen Themen Integration und Parallelgesellschaften – der eine ist nämlich ein Musterbeispiel für den geglückten sozialen Aufstieg in einem fremden Land, während der andere in der Fremde komplett unter die Räder gerät. Allerdings geschieht dies eben nicht in Form eines moralinsauren Dramas, stattdessen erweist sich „Darkland“ als ein ebenso spannender wie ambivalenter Rache-Thriller, bei dem Gut und Böse allein im Auge des Zuschauers liegt. Dabei kommt ein hoher Grad an Realismus sowohl den thematischen Ambitionen als auch dem Grad an Intensität extrem zugute.

    Der im Irak geborene Zaid (Dar Salim) hat es in seiner neuen dänischen Heimat als erfolgreicher Chirurg bis in die Kopenhagener Oberschicht geschafft. Er wohnt mit seiner dänischen Frau Stine (Stine Fischer Christensen) in einem schicken Appartement in einem der markantesten Luxus-Hochhäuser der Stadt. Sein Leben besteht aus gemütlichen Abendessen mit Freunden und Sektempfängen bei Kunstvernissagen. Zudem wird Zaid in Kürze Vater. Sein Glück könnte somit perfekt sein, wäre da nicht sein krimineller jüngerer Bruder Yasin (Anis Alobaidi). Der steckt nach einem verpatzten Banküberfall mal wieder mächtig in Schwierigkeiten. Doch diesmal hat Zaid keine Lust, Yasin ein weiteres Mal aus der Patsche zu helfen, indem er dessen Schulden begleicht. Das wird Zaid jedoch sehr bald bereuen, als Yasin so übel zugerichtet in seinem Krankenhaus eingeliefert wird, dass er kurz darauf seinen Verletzungen erliegt. Da die Kopenhagener Polizei sich nicht sehr engagiert zeigt, die Schuldigen am Tode eines kriminellen Immigranten zu ermitteln, nimmt Zaid das Gesetz in die eigene Hand. Er startet einen blutigen Rachefeldzug in der Unterwelt der Stadt, der aber auch sein eigenes Leben und das seiner Familie in höchste Gefahr bringt...

    In „Darkland“ herrscht vom ersten Augenblick an eine intensive Spannung. Der Film beginnt mit einem schlecht geplanten Banküberfall mitten in der Innenstadt, bei dem der unsichere Yasin von seinen Gangsterbossen ausgerechnet ein langsames Mofa als Fluchtfahrzeug erhält. Ein treibender Elektroscore und die unablässig kreisende Kamera machen die innere Anspannung Yasins praktisch greifbar. Zugleich verzichtet Kameramann Kasper Tuxen („The Sea Of Trees“) jedoch auf das in solchen Sequenzen oftmals übliche Schnittgewitter und bleibt stattdessen einfach ganz nah an seinem Protagonisten dran. Statt in inszenatorische Action-Klischees abzugleiten, setzten die Macher so von Anfang an konsequent auf einen realistischen Anstrich.

    In „Darkland“ verschmelzen ein hohes Tempo und eine fast schon stoische Ruhe zu einem brandgefährlichen Amalgam, das sich - einmal in Gang gesetzt - unerbittlich durch die Straßen Kopenhagens walzt. Diese konträren Eigenschaften fließen in der Figur des rächenden Chirurgen Zaid zusammen, dem Dar Salim („A War“) eine beängstigende Präsenz verleiht. Der selbst in Bagdad geborene und mit seiner dänischen Freundin in Kopenhagen lebende Salim ist die absolute Idealbesetzung für die Hauptfigur in „Darkland“. Der irakstämmige Mime verleiht dem rächenden Chirurgen ein Maximum an Authentizität, die zum betont realistischen Gesamteindruck des Films entscheidend beiträgt.

    Die widersprüchliche Figur des modernden Lebensretters, der an einer Stelle des Films sogar erst einen Schergen niederschießt, um ihm anschließend im Krankenhaus wieder das Leben zu retten, ist das größte Plus des Rache-Thrillers, der ansonsten meist auf die aus „Ein Mann sieht Rot“ bis „96 Hours – Taken“ bekannten Genrestandards setzt. Dar Salim macht Zaids innere Kämpfe ohne große Worte alleine erfahrbar. Die extreme innere Anspannung des zwischen dem Operationssaal, seiner schwangeren Frau und seinem geheimen Zweitleben als Racheengel pendelnden Rächers ist für den Zuschauer derart greifbar, dass selbst die ruhigeren Szenen des Films vor emotionaler Anspannung vibrieren. Dar Salim sorgt so fast schon im Alleingang dafür, dass das schnörkellose Skript von Fenar Ahmad und Adam August trotz mancher Klischees und einigen Unglaubwürdigkeiten seinen vollen Punch entfaltet. Dank ihm wandelt sich die vermeintliche Schlichtheit der Story zu einer gnadenlosen Konsequenz, die durch einige fiese Gewaltspitzen zusätzlich akzentuiert wird. Weniger ist in „Darkland“ also tatsächlich mehr.

    Fazit: Der dänische Rache-Thriller „Darkland“ ist so schlicht wie konsequent – hier kommen starke Charaktere, konsequente Spannung und eine überraschende Härte stimmig zusammen.

    Wir haben „Darkland“ auf dem Fantasy Filmfest 2017 gesehen, wo er im offiziellen Programm gezeigt wird.

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