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Johannes G.
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1,0
Veröffentlicht am 22. Juli 2017
Mein Eindruck ist, dass hier ein Stoff, den man angemessen als Kurzfilm von 30 Minuten hätte darstellen können, auf ein fast 2 Stunden dauerndes Kinoformat ausgewalzt werden musste: Eine Länge reiht sich an die nächste, ab und zu unterbrochen von einzelnen (durchaus gelungen) Szenen. Das Stilmittel, die Tristesse der Situation durch Langsamkeit des Erzählung darzustellen, kann in moderater Dosierung durchaus funktionieren und Atmosphäre schaffen, aber es wurde überstrapaziert. Und wenn es eine Romanvorlage gab, worum wurde nicht mehr vom Stoff umgesetzt? Nein, aus meiner Sicht hat diese zähe Langsamkeit jegliches Berührt-Werden verhindert. Man war froh, als es zuende war.
Nach Eugen Ruges Roman, der 2011 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, hat Matti Gschonneck den gleichnamigen Film „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ geschaffen.
Wilhelm Powileit (Bruno Ganz) hat zu seinem 90. Geburtstag Kinder, Enkel und Urenkel eingeladen. Es ist Oktober 1989 in Ost-Berlin. Auch der Parteiapparat erscheint, um das langjährige Mitglied zu ehren. Auf Enkel Sascha (Alexander Fehling) hält der Jubilar besonders viel, da er studiert hat und seine Doktorarbeit vorbereitet. Während der Feier wird bekannt, dass Sascha kurz zuvor in den Westen geflohen ist.
Wer sich als Zuschauer die gesellschaftliche Situation kurz vor der Wende und deren Auswirkung auf die Familie in den Vordergrund wünscht, trifft hier auf das falsche Werk. Politik ist eher subtil untergebracht. Der Titel, der Stalinist im Spätherbst seines Lebens und das Wissen des Zuschauers um den bevorstehenden Mauerfall geben das Ambiente für eine Familiengeschichte mit ihren Saubermännern, Ausreißern, Ecken und Kanten.
Der sehr erfahrene TV-Regisseur Gschonneck durfte sich dieses Stoffs annehmen und hat ihn in ein Kinogewand gekleidet. Eine nicht leicht lösbare Aufgabe. Ruge erzählt im Wissen um die geduldigen Leser die Vergangenheit der Familie erheblich breiter. In den Dialogen des Films, der hauptsächlich die Geburtstagsfeier zeigt, ist diese geschickt eingebettet, ohne dass daran etwas Hölzernes zu finden ist.
Gschonneck hat mit 101 Minuten kaum Zeit. Dennoch bringt er einige kleine humorige Teile ein, die für das Publikum auflockernd wirken. Letztendlich bedeuten diese unübertriebenen und wirklich gelungenen Beilagen eine gewisse Rettung, denn die Figuren erwachen kaum zum Leben. Es sind einfach zu viele mit zu viel gleich verteilter Leinwandpräsenz und damit ohne gebührende Tiefe. Dann reicht es eben nicht, wenn die Vergangenheit, die diese Familie formte, en passant gereicht wird. So kann nicht einmal der meisterliche Bruno Ganz im Trubel der Feier seine Qualitäten zur vollen Entfaltung bringen. Im Ergebnis ist die Familie trotz der für große Familien vorkommenden Unebenheiten wie verlassene Ehefrauen und Alkoholiker zu flach und strandet beinahe in der Banalität. Bruno Ganz freilich und Hildegard Schmahl, welche die Ehefrau von Wilhelm Powileit spielt, strahlen aus der Menge heraus und halten das Projekt Film aufrecht. Und wenn Wilhelm schweigt, kann der strapazierte Zuschauer doch noch einiges an Empfindungen herauslesen und ist wieder beschäftigt.
Mehr Mut zur Reduzierung und mehr Aufwand zur Entblätterung der Charaktere hätten „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ gut getan. Die Symbolik für den Verfall wurde verständlich überbracht. Kein rausgeschmissenes Eintrittsgeld.
"In Zeiten des abnehmenden Lichts" von Matti Geschonneck ist kein einfacher Film, aber mir hat er trotzdem gefallen. Meine beiden Begleiter kämpften indes mit dem Einschlafen und fanden den Film stinklangweilig. Tatsächlich gab es zwischendurch auch sehr viel Schweigen, sehr viele Pausen, die die Geduld des Zuschauers herausfordern. Man könnte sich darauf einigen, dass der Film langwierig ist, vielleicht auch langatmig. Aber langweilig kam mir der Film nicht vor.
Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich Familie in Ost-Berlin habe und als Kind häufiger zu Besuch in der DDR war. Als die Mauer fiel, war ich 7 Jahre alt, und ich kann mich noch gut an die Stimmung, die Atmosphäre in der DDR erinnern. Dieses Grau. Wie unter einem Nebelschleier. Und diese Stimmung hat der Film unheimlich einfühlsam zum Leben erweckt. Ohne zu bewerten, werden hier die Menschen gezeigt, die in diesem untergehenden Staat leben. Ihre Werte, Überzeugungen und Gewissheiten zerbröckeln vor ihren Augen und dennoch versuchen sie, jeder auf seine Weise, an der Illusion festzuhalten, dass alles wieder in Ordnung kommt.
Auf der Geburtstagsfeier von Familienoberhaupt Wilhelm - grandios gespielt von Bruno Ganz in einer Mischung aus unausstehlichem, altersstarrsinnigem Grantler und lebensmüdem, desillusioniertem Patriarchen - schwebt das Unausgesprochene ständig über den Köpfen der Menschen. Es ist wie ein Tanz am Abgrund, alle wissen, dass es vorbei ist, aber keiner sagt es. Daher fand ich das Schweigen, die Pausen zwischen den Gesprächen, passend und wichtig für die Atmosphäre. Zwischendurch blitzt dann in den Dialogen ein Loriotscher Humor auf, sodass der Film nicht vollständig zäh vor sich hin melancholiert und in Schwermut versumpft.
Fazit: Ich fand den Film sehr berührend, kann aber verstehen, wenn man ihn zu lang und anstrengend findet. Ist wahrscheinlich nicht für jeden was ... Jedenfalls habe ich jetzt Lust, das Buch zu lesen.