So viel Schönheit! Mit Porto, der an den steilen Ufern des Flusses Douro gelegenen zweitgrößten Stadt Portugals, hat Regisseur Gabe Klinger einen wirklich perfekten Schauplatz für seinen gleichnamigen Spielfilm gefunden. Die Stadt ist mit ihrer melancholisch-dramatischen Atmosphäre die ideale Kulisse für eine Liebesgeschichte, die zu schön beginnt, um wahr zu sein und vielleicht gerade deswegen gar nicht wirklich wahr werden kann. Mit dem amerikanisch-russischen Schauspieler Anton Yelchin (der 2016 durch einen tragischen Unfall ums Leben kam) und der Französin Lucie Lucas hat Klinger zudem zwei überaus attraktive Hauptdarsteller engagiert für sein experimentell angehauchtes Liebesdrama engagiert, die sich in ihrer Gegensätzlichkeit ideal ergänzen. Erlesene Bildkompositionen, ein jazziger Soundtrack und eine schlafwandlerisch-verspielte Erzählweise verbinden sich in „Porto“ zu einer eindrucksvollen Meditation über die Möglichkeit und Unmöglichkeit einer großen Liebe.
In Porto lernt Mati (Lucie Lucas, „Daddy Cool“), eine französische Promotionsstudentin, zufällig Jake (Anton Yelchin, „Star Trek“) kennen, einen jungen Amerikaner, der ohne besonderes Ziel in Portugal lebt, jobbt und vor sich hinträumt. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Er hilft ihr sofort, schwere Umzugskisten aus dem Auto in ihre neue Wohnung zu räumen, sie schlafen miteinander, schließlich gehen sie im einzigen Restaurant der Stadt essen, das nachts offen hat. Sie gestehen sich gegenseitig ihre Liebe. Am nächsten Tag taucht Matis Verlobter auf. Als Jake versucht, Mati wiederzusehen, lässt sie ihm polizeilich verbieten, sich ihr zu nähern. Zehn Jahre später ist Mati von ihrem Mann geschieden und alleinerziehend. Was aus Jake geworden ist, wissen wir nicht.
Es ist eigentlich nicht möglich, diesen Film nachzuerzählen, beziehungsweise: eine simple Nacherzählung entspricht ihm nicht. Das liegt daran, dass Klinger gar nicht auf herkömmliche Weise „erzählt“. Auf eine chronologische Abfolge von Ereignissen verzichtet er zugunsten einer assoziativen Reihung von Impressionen, die sich wie ein narratives Puzzle zu einem doppelten Erinnerungsbild zusammenfügen. Viele der Ereignisse sind zwei Mal zu sehen und zwischendurch wird die Perspektive gewechselt. Jakes Erlebnisse bleiben dabei fragmentarisch. So wenig, wie er versteht, warum die Geliebte, die er doch für eine Nacht hatte, sich gegen ihn entscheidet, so wenig erfahren wir Zuschauer von seinem Leben vor und nach dieser Nacht. Ganz anders Mati: Als der Film noch gleichsam die Jake-Sicht einnimmt am Anfang, scheint sie nur eine umwerfend schöne, darin fast etwas klischeehafte junge Frau zu sein, lebens- und flirtlustig, während Jake uns als der Empfindsame entgegentritt (Anton Yelchin ist hinreißend in seiner zurückhaltend-beharrlichen Annäherung an die schöne Fremde). Wenn Regisseur Gabe Klinger dann jedoch seine Mati-Schleife dreht und ihre Sicht einnimmt, dabei dieselben Szenen um zusätzliches Erinnerungsmaterial anreichert und eine weitere Zeitebene einführt, dreht sich nicht nur die Perspektive um, sondern es lassen sich auch die Gründe für Matis Verhalten erahnen. Sie wird zur kompletten Figur und zur wirklichen Person. Und sie bleibt allein zurück, während Jake nur noch als Erinnerungsbild existiert.
Die eigenwillige Erzählstruktur findet ihre Entsprechung in einer ebenso auffälligen wie ausgeklügelten Inszenierung. Gabe Klinger, der mit „Double Play“ als einzige offizielle Regiearbeit bisher eine Art dokumentarische Doppelbiografie (!) der beiden Filmemacher James Benning („13 Lakes“) und Richard Linklater („Boyhood“) vorgelegt hat, die ihn ganz offensichtlich inspiriert haben, hat auf Zelluloid in drei verschiedenen Formaten gedreht: Durch den Einsatz von 8-, 16- und 35-mm-Material entsteht auch visuell ein ganz offensichtlich mehrschichtiger Film, wobei die Verwendung des Schmalfilmformats, das einst vorwiegend im privaten Rahmen gebraucht wurde, sofort an alte Familienfilme und ähnliches denken lässt. Der Erinnerungscharakter vieler Szenen wird damit förmlich direkt ins Bild geschrieben und die optischen Bruchstellen beim Formatwechsel unterstreichen zudem das Fragmentarische der Geschichte. Die Lücke wird hier zum Erzählprinzip und genau das macht „Porto“ zu einer kostbaren Seltenheit im heutigen Erzählkino, wo häufig auch noch die letzte kleine Unklarheit wegerklärt wird. Klingers Film ist ein „offenes Kunstwerk“ im besten Sinne, seine Auslassungen lassen dem Betrachter viel Platz für eigene Phantasie(n).
Fazit: „Porto“ ist eine toll gespielte, ästhetisch und erzählerisch anspruchsvolle filmische Meditation über eine Amour fou und ihre Unmöglichkeit.