Im queeren Berlin aus Yony Leysers Milieustudie „Desire Will Set You Free“ gibt es diejenigen, die sich selbst schon gefunden haben und ihre Freiheit im Nachtleben voll ausleben, und es gibt die immer noch Suchenden und Kämpfenden: Der amerikanisch-palästinensische Wahlberliner und schwule Buchautor Ezra (verkörpert von Regisseur Leyser) ist schon längst kein Widerständler mehr, sondern hat sich mit seinen Freunden in einem Leben zwischen kalkulierter Provokation - die in einer offenen lesbischen Beziehung lebende Bisexuelle Cathrine (Chloe Griffin) läuft gern im SS-Outfit rum – und hedonistischer Ausschweifung eingerichtet. Trotzdem sehnt er sich nach einem echten Rebellen, nach einem, „der bei einer Demo den Molotow-Cocktail schmeißt“. Auf der anderen Seite steht der erst kürzlich nach Berlin gekommene Sasha (wunderbar lebensecht: Tim Fabian Hoffman), der sich als Stricher in Charlottenburger Schwulenbars über Wasser hält und sich wundert, dass Ezra und seine Freunde „nicht jeden Tag arbeiten gehen müssen“…
Ein eigentlich spannender Konflikt, auch weil Sasha seine neugefundene Freiheit ganz anders nutzt als erwartet, nachdem Ezra ihn in seine Kreuzberger Clique eingeführt hat. Allerdings bleibt Yony Leyser in den verhältnismäßig rar gesäten klassischen Spielszenen nur an der Oberfläche, zumal seine Dialoge in diesen Momenten oft gestelzt klingen und somit Fremdkörper in dem ansonsten so authentisch wirkenden Berlin-Streifzug bleiben. Und obwohl Sasha in vielen Belangen die spannendere Figur ist, rückt Leyser lieber den schreibblockierten, weil satten Ezra in den Mittelpunkt – eine mitunter selbstverliebte (Selbst-)Inszenierung des eigenen Scheiterns. Abseits der losen Handlung erweist sich „Desire Will Set You Free“ hingegen als randvollgepackte Zeitkapsel, die uns in die hauptstädtische Underground-Szene führt – mit Glitzer-Happenings im Görlitzer Park, Abstechern in vom Aussterben bedrohte Locations, in denen seit 20 Jahren kein Film mehr gedreht wurde, sowie Gastauftritten von Subkultur-Ikonen wie Nina Hagen oder Blixa Bargeld. Und nebenbei bringt Kult-Regisseur Rosa von Praunheim („Die Bettwurst“) als Buch-Agent auf den Punkt, wie man einen queeren Stoff an Hollywood verkauft: „Neulich habe ich eine Geschichte gelesen über ein homosexuelles Pinguinpärchen, das einem Hetero-Pärchen ein Ei klaut. Solche Filme wollen die Leute sehen.“
Fazit: Als faszinierend-flüchtiger Streifzug durch das queere Berliner Nachtleben ist „Desire Will Set You Free“ sehenswert, doch die aufgesetzt wirkende Handlung überzeugt nicht.