Erschreckend plumpe und kitschige Abhandlung eines schwierigen Themas!
Taylor Sheridan ist als Drehbuchautor relativ bekannt, denn er hat die Storys zu „Sicario“ und „Hell or High Water“ geschrieben. Als Regisseur hatte er 2011 bereits einen Film namens „Pain“ gedreht und 2017 gelang ihm sein erster großer Regie-Hit: „Wind River“. Ein Krimi-Drama, das sowohl bei Fans als auch bei Kritikern gut ankam und offenbar auch finanziell überzeugte, denn es ist tatsächlich eine Fortsetzung geplant.
Abseits ihrer Avengers-Rollen spielen hier Elizabeth Olsen (Scarlet Witch) und Jeremy Renner (Hawkeye) die Hauptrollen. Renner hatte sich 2023 erst bei einem Unfall mit einem Schneepflug sehr schwer verletzt und wäre fast gestorben, ist nun aber zum Glück wieder auf der Höhe. Und Höhe und Schnee sind gute Überleitungen zu „Wind River“, der in den eisigen Bergen von Wyoming spielt. Doch sehr der Film auch gute Kritiken einheimste, mir persönlich hat er leider nicht gefallen…
Der Jäger Cory Lambert findet bei einer Jagd in den Bergen eine Leiche einer jungen Frau. Das FBI schickt die junge und noch unerfahrene Jane Banner. Zusammen mit der örtlichen Polizei versuchen die beiden der Sache auf den Grund zu gehen, denn alle sind sich sicher: Die Frau wurde ermordet. Doch der Fall wird immer verworrener und führt in die düstersten Abgründe der Anwohner…
Basierend auf echten Begebenheiten, bietet „Wind River“ die perfekte Ausgangslage für einen emotionalen Thriller. Und es gibt ein paar spannende Momente, besonders in der zweiten Hälfte des Streifens. Hier bekommt die Story endlich mal Zug. Immerhin behandelt der Film ein sensibles und schwieriges Thema. In meinen Augen jedoch nicht sehr gut. Es geht zum großen Teil natürlich um die Ausnutzung der Ureinwohner in dem Reservat, aber auch generell. Und besonders die Frauen werden hier zentral angesprochen. So tragisch die echte Geschichte dahinter ist, so plump wird das Ganze hier verwurstet. Ein aktueller Film, der das Thema deutlich besser angegangen hat, ist „Killers of the Flower Moon“ von Martin Scorsese.
„Wind River“ jedoch ist für mich purer Hollywood-Klischee-Kram. Und das liegt zum großen Teil am Drehbuch von Sheridan selbst. Die Dialoge sind alle extrem bedeutungsschwanger, besonders die von Protagonist Cory. Er redet darüber, wie stark man in den Bergen sein muss, wie wichtig es ist immer wachsam zu sein. Echte Dialoge findet man selten, alle sprechen in dieser künstlichen Filmsprache. Zudem ist die Story sehr löchrig. Da kommt eine Frau vom FBI, erlebt mindestens zwei Morde und einen Angriff auf sie mit und trotzdem kommt keine Verstärkung? Auch später, wenn der Fall langsam aufgeklärt wird, ergeben sich einige Fragen, die unter anderem mit der Vergangenheit von Cory zu tun haben, der seine Tochter verloren hat. Der Film und die Geschichte implizieren ganz klar eine Verbindung zwischen den Todesfällen der jungen Frauen, aber eine Antwort darauf bekommen wir nicht. Auch andere Teile des Falls ergeben bei genauerer Betrachtung nicht ganz Sinn. Ich habe den Film nur einmal gesehen, vielleicht haben wir etwas verpasst, aber meine Frau und ich hatten doch einige verwirrte Fragen am Ende…
Dennoch ist das Hauptproblem für mich die klischeebeladene Umsetzung des Ganzen. Keine Figur wirkte für mich real, sondern wie eine fiktive, erschreckend eindimensionale Figur, die von einem Schauspieler oder einer Schauspielerin gespielt wird. Und die Darsteller hier sind nicht schlecht, aber da merke ich wieder mal, wie wichtig ein gutes Script ist!
Mich stört aber auch die Message des Films: Cory selbst ist kein Polizist oder vom FBI, aber er selbst löst den Fall am Ende praktisch alleine. Olsens Charakter Jane hingegen ist relativ überflüssig und nur als überforderte, gutaussehende Frau dabei. Zumindest hatte sie in meinen Augen keinen großen Einfluss auf die Geschichte, bis auf wenige Ausnahmen, die auch eher forciert als natürlich wirkten. Besonders durch das nicht unproblematische Ende, in dem eine Form von Selbstjustiz quasi zelebriert wird, entsteht dadurch eine krude Botschaft: „Wir Männer hier im Dorf, wir lösen unsere Probleme selbst. Wir brauchen keine Polizei oder FBI, wir haben unsere eigenen Regeln.“
Das Ganze wirkt wie ein feuchter Traum für amerikanische Republikaner, was vielleicht etwas überzogen klingt, aber das Gefühl entstand bei mir.
Die Frauen sind einfach nur da während die Männer alles regeln und das besonders mit Gewalt. Dabei spricht Renners Figur darüber den Schmerz zuzulassen nach einem tragischen Verlust. Er selbst lässt ihn aber praktisch nicht zu, sondern kompensiert das Ganze mit Gewalt. Den Protagonisten des Films einfach mal frei heraus weinen und trauern lassen? Nicht hier!
Ja, der Film wurde von wahren Begebenheiten inspiriert, aber dennoch ist die Geschichte hier relativ frei erfunden. Es wären viele künstlerische Möglichkeiten drin gewesen das Ganze etwas aufzubrechen. Und dabei meine ich nicht nur die Tatsache, dass die Frauen in der Geschichte etwas mehr Bedeutung bekommen könnten, sondern auch die problematische Aussage am Ende. Eine Geschichte über Rache kann cool und unterhaltsam sein, wie etwa in „Kill Bill“, aber dieser Film hier will realistisch, echt und dramatisch sein. Da muss etwas mehr Substanz hinzu, denn so bleibt der Film extrem schwarz-weiß!
Wie gesagt sind die Schauspieler recht solide. Jeremy Renner und Elizabeth Olsen machen ihre Sache gut, wie auch viele der anderen Darsteller. Besonders Jon Bernthal hat mir gefallen. Aber es bleibt dabei: Ohne ein gutes Drehbuch bringen auch die besten Darsteller nichts.
Technisch ist „Wind River“ ganz schick, zumindest optisch. Die Landschaftsaufnahmen von Ben Richardson sind beeindruckend, aber die zwischenmenschlichen Szenen wurden dann doch sehr einfallslos gefilmt.
Völlig überflüssig war für mich übrigens der Score von Nick Cave und Warren Ellis. Cave mag ich sehr, aber fast jede Szene wäre in meinen Augen ohne Musik so viel besser gewesen. Vielleicht nicht großartig, aber ohne Zweifel besser. Die Musik ist so einfallsloses Hollywood-Gedudel aus der Klamottenkiste, vor allem die Art, wie die Musik genutzt wird. Emotionale, traurige Szene? Emotionale, traurige Musik. Spannende, bedrohliche Szene? Spannende, bedrohliche Musik… Es ist ermüdend, wie plump der Soundtrack hier genutzt wird.
Fazit: „Wind River“ ist zwar hier und da ganz spannend, aber versagt in vielen anderen Bereichen. Eine einseitige und schwarz-weiße Behandlung eines deutlich komplexeren Themas mit unnötiger Musik und zu viel Kitsch.