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    Creed II – Rocky's Legacy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Creed II – Rocky's Legacy

    Dolph Lundgrens grandioses Comeback

    Von Christoph Petersen

    Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“ zählt zwar nicht zu den besten, aber dafür zu den unterhaltsamsten Teilen der „Rocky“-Reihe. Tief verwurzelt in der Ideologie des damals schwelenden Ost-West-Konflikts, versprüht er heute vor allem einen kaum zu leugnenden Trash-Charme, wenn sich der brummelige, aber gutherzige All-American-Hero Rocky Balboa (Sylvester Stallone) und die schmallippige sowjetische Kampfmaschine Ivan Drago (Dolph Lundgren) in Moskau die Köpfe einschlagen. 33 Jahre später knüpft Steven Caple Jr. in seinem Sequel „Creed II“ nun direkt an dieses Kalter-Kriegs-Kuriosum an und überführt es in das sehr viel bodenständigere Boxer-Universum, das Ryan Coogler vor drei Jahren mit seinem gefeierten Quasi-Reboot „Creed – Rocky’s Legacy“ erschaffen hat. Ein spannender Ansatz, dank dem „Creed II“ sein Publikum zwar längst nicht so euphorisiert aus dem Kinosaal entlässt wie sein Vorgänger, dafür aber mit einer gerade für einen Hollywood-Sportfilm ausgesprochen ambivalenten und differenzierten Erzählung begeistert.

    Nachdem er im Finale von „Creed“ als krasser Außenseiter hauchdünn durch eine Split Decision gegen den damaligen Weltmeister Ricky Conlan (Tony Bellew) verlor, wird Adonis Creed (Michael B. Jordan) nun gleich in den ersten Szenen von „Creed II“ zum neuen Weltmeister im Schwergewicht gekürt. Allerdings ist es ein wenig begeisternder Sieg gegen einen in die Jahre gekommenen Titelverteidiger, der seinen boxerischen Zenit schon längst überschritten hat. Ein Makel, den nun ausgerechnet Ivan Drago (Dolph Lundgren), der vor vielen Jahren Adonis' Vater Apollo Creed bei einem Schaukampf getötet hat, zu seinem Vorteil ausnutzen will. Er packt Adonis bei dessen Ehre, indem er auf einer Pressekonferenz fordert, dass der neue Champion gegen seinen Sohn Viktor Drago (Florian Munteanu) in einem Titelmatch antreten solle. Adonis entscheidet sich für das Duell, obwohl sein Trainer Rocky Balboa (Sylvester Stallone) es ablehnt, ihn auf diesen speziellen Kampf vorzubereiten...

    Adonis‘ zweiter Weltmeisterschaftskampf findet stilecht in einer riesigen Arena in Las Vegas statt. Aber trotz der zahllosen glitzernden Lichter ist es ein gänzlich glanzloser Sieg. Ganz im Gegensatz dazu trainieren Ivan Drago und sein Sohn zwischen grauen Plattenbauten in ihrer ehemals sowjetischen, inzwischen halb verfallenden Heimat. Als wären die Rollen aus dem allerersten „Rocky“-Film konsequent auf den Kopf gestellt worden: Während der Protagonist satt im Rampenlicht steht und im gelenkschonenden Wasserbecken schattenboxt, setzt sein Widersacher auf mittelalterliche Medizinball-Methoden, wie sie früher auch schon dem auf Schweinehälften einprügelnden Rocky Balboa dabei geholfen haben, aus einer sozial prekären Lage zum Schwergewichtsweltmeister aufzusteigen. Während die Rollen von Gut und Böse in „Rocky IV“ noch ähnlich klar verteilt waren wie in den Propaganda-Krachern „Rambo 2“ und „Rambo 3“, weiß man in „Creed II“ nun tatsächlich bis einschließlich des Finales nicht zwingend, wem man denn nun die Daumen drücken soll. Wir haben sogar erstaunlich oft in Richtung Viktor Drago tendiert.

    Nachdem Ryan Coogler und Aaron Covington das Skript zu „Creed“ beigesteuert haben, hat nun wieder der Autor aller vorherigen „Rocky“-Filme übernommen: Sylvester Stallone! Und es wirkt ein wenig so, als wolle er mit „Creed II“ nun wiedergutmachen, was er 1985 mit „Rocky IV“ „verbrochen“ hat – inklusive der Rolle von Dolph Lundgren, dessen einzige Aufgabe es damals offenbar war, im gesamten Film möglichst nicht ein einziges Mal die Miene zu verziehen. In „Creed II“ ist Ivan Drago nun nicht nur kein eindimensional-dumpfer Sowjetschläger mehr, er ist vielleicht sogar die vielschichtigste Figur im ganzen Film, wenn er sich und seinen Sohn irgendwie aus dem Sumpf von verletzter Ehre, wieder aufkeimenden Erwartungen und der Verachtung seiner Ex-Frau Ludmilla (Stallones Ex-Frau und „Dschungelcamp“-Siegerin Brigitte Nielsen) zu manövrieren versucht. So stiehlt der ansonsten schauspielerisch doch schon sehr limitierte Schwede sogar Stallone selbst ein ganzes Stück weit die Show. In seiner Paraderolle macht Stallone zwar genau da weiter, wo er in „Creed“ aufgehört hat. Aber etwas wirklich Neues hinzufügen kann er seinem Part diesmal auch nicht, weshalb es unwahrscheinlich scheint, dass Stallone als erster Schauspieler überhaupt zum dritten Mal für dieselbe Rolle für einen Oscar nominiert wird.

    „Creed“ ist ja vor einigen Jahren überhaupt nur zustande gekommen, weil Ryan Coogler seinem Idol Sylvester Stallone lange genug mit seiner Sequel-Idee auf die Nerven gegangen ist – diese unbedingte Begeisterung für die „Rocky“-Reihe sah man dem Film auch in jeder Sekunde an. Bei der Fortsetzung ist der inzwischen dank „Black Panther“ zum Regie-Superstar aufgestiegene Coogler hingegen nur noch als Ausführender Produzent dabei. Stattdessen wurde mit Steven Caple Jr. erneut ein junger schwarzer Filmemacher angeheuert, der genau wie Coogler mit „Nächster Halt: Fruitvale Station“ ebenfalls mit einem Independent-Film über die herausfordernden Erfahrungen schwarzer Jugendlicher („The Land“ von 2016) für Aufsehen gesorgt hat. Aber Caple Jr. ist zugleich eben nicht wie Coogler seit früher Kindheit ein „Rocky“-MEGAFAN – und das tut „Creed II“ ehrlich gesagt ziemlich gut, denn ansonsten hätten wir wohl wahrscheinlich einfach nur noch mehr vom selben bekommen.

    Stattdessen erweist sich „Creed II“ eben über weite Strecken als – für einen Sportfilm ungewöhnlich gedämpftes – Drama. Zu den herausragenden Momenten gehört hier etwa die Szene, in der Adonis von seiner gehörlosen Freundin Bianca (Tessa Thompson) erfährt, dass sie schwanger ist. Nicht nur folgt hier ein für einen Hollywood-Blockbuster unerwartet natürliches, anti-didaktisches Gespräch über Abtreibung, es werden auch detailliert die Tests geschildert, mit denen überprüft werden soll, ob auch das Baby wie seine Mutter später ohne Gehör zur Welt kommen wird. Und dann bekommt der Zuschauer das endgültige Ergebnis des Tests nicht mal mitgeteilt – wozu auch, das wäre dann ja sowieso nur ein einfaches Mittel gewesen, um Mitleid zu schüren oder Erleichterung zu erzeugen. Aber für solche billigen dramaturgischen Tricks ist „Creed II“ insgesamt viel zu mutig (und da passt es auch sehr gut, dass der erneut sehr starke Michael B. Jordan dann doch über eine ganz andere schauspielerische Bandbreite als sein Protagonisten-Vorgänger Sylvester Stallone verfügt).

    So bleiben als einziger nennenswerter, aber natürlich dennoch zentraler Wermutstropfen die Boxszenen, die hier zwar auch nicht schlechter sind als in den allermeisten Boxfilmen inklusive der überwiegenden „Rocky“-Teile, aber eben auch nicht so herausragend wie noch in „Creed“. Es gibt in der Regel nur zwei Möglichkeiten, Boxen auf der Leinwand spannend aussehen zu lassen. Entweder man übertreibt maßlos und lässt die Protagonisten eher aufeinander Eindreschen statt miteinander boxen. Oder man schneidet nach jedem Treffer direkt ins Publikum, wobei man als Kinozuschauer die Wirkung des Hiebes weniger durch den Schlag selbst, als vielmehr durch die erschrockene Reaktion des Ringpublikums erfährt. Ryan Coogler ist es als einem von ganz, ganz wenigen Regisseuren gelungen, ohne diese beiden Taschenspielertricks in „Creed“ dennoch eine unglaubliche Energie im Ring zu erzeugen. Steven Caple Jr. schneidet hingegen nach jeder Zweier-Kombination zuverlässig zu einem schockierten Zuschauer. Nicht schlimm. Aber eben auch nicht brillant.

    Fazit: „Creed II“ ist kein euphorisierendes Vom-Underdog-zum-Champion-Boxfest wie der Vorgänger, sondern eine unerwartet ambivalente und melancholische Antithese zur Kalter-Kriegs-Eindeutigkeit von „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“. Es ist ebenso erstaunlich wie erfreulich, dass der inzwischen achte (!) Teil einer zwischenzeitig zum Volltrash verkommenen Filmreihe noch mal so einen raushaut.

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